Leitsatz
1. Der Landesgesetzgeber kann sich bei der Erhebung von Kirchensteuern an die Staatssteuern in Form von Zuschlägen anschließen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, alle Regelungen des Einkommensteuergesetzes in das Kirchensteuerrecht zu übernehmen, wenn das Einkommen als Maßstab für die Kirchensteuererhebung dienen soll.
2. Es verstößt nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit, wenn der Landesgesetzgeber es für die Kirchensteuerbemessung bei einer Bezugnahme auf § 51a EStG belässt und die Möglichkeit, bei der Hinzurechnung des nach dem Halbeinkünfteverfahren einkommensteuerfreien Teils der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und Kapitalvermögen eine Verlustvortrag zu berücksichtigen, nicht vorsieht.
Instanzenzug: VG Wiesbaden, VG 1 E 234/06 vom Fachpresse: ja
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Kirchensteuer für das Jahr 2003. Sie gehörte bis zu ihrem am erklärten Austritt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an. Diese erhebt aufgrund § 2 ihrer Kirchensteuerordnung i.d.F. vom (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 1970, 193) und §§ 1 f. des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Lande Hessen (HessKiStG) vom (HessGVBl S. 63) i.d.F. vom (HessGVBl I S. 90) Kirchensteuern als Zuschlag in Form eines Hundertsatzes zur Einkommensteuer.
Die Klägerin wird zur Einkommensteuer veranlagt und erzielt regelmäßig neben anderen Einkünften erhebliche Einkünfte und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Anteilen von Kapitalgesellschaften. Zum stellte das Finanzamt einen Verlustvortrag i.H.v. 1 042 371 € fest. Im Jahr 2003 erzielte die Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften einen Gewinn i.H.v. 409 656 €. Das Finanzamt setzte die Hälfte davon, mithin 204 828 €, als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an und verrechnete sie mit dem Verlustvortrag in gleicher Höhe. Aus sonstigen Einkünften verblieb der Klägerin nach Abzug von Verlusten, Sonderausgaben und Freibeträgen ein Einkommen, für das wegen seiner geringen Höhe keine Einkommensteuer festgesetzt wurde.
Der Berechnung der Kirchensteuer legte das Finanzamt zusätzlich die steuerfreien Halbeinkünfte zugrunde und ging - einschließlich hälftiger Kapitalerträge - von einem maßgebenden Einkommen i.H.v. 228 156 € aus. Aus der darauf entfallenden Einkommensteuer i.H.v. 100 409 € errechnete es Kirchensteuer für fünf Monate nach einem Steuersatz von 9 % i.H.v. 3 765,33 €.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, der Verlustvortrag hätte auch bei der Kirchensteuerberechnung berücksichtigt werden müssen. Die Spekulationsverluste hätten sich im Entstehungsjahr nicht auf die Kirchensteuer ausgewirkt. Daraufhin setzte das Finanzamt die Kirchensteuer unter Berufung auf § 177 AO für sechs Monate auf 4 362,07 € fest. Die Oberfinanzdirektion behandelte den Einspruch als Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung und wies diesen zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Auslegung des § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach für die Kirchensteuer als Bemessungsgrundlage die vollen Veräußerungsgewinne herangezogen würden, nicht aber der Verlustvortrag berücksichtigt werden könne, verstoße gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Wortlaut des § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG gebiete zwar einen Ansatz der der Einkommensteuer nicht unterliegenden zweiten Hälfte eines Veräußerungsgewinns bei der Kirchensteuer, schließe es aber aus, insoweit Verlustvorträge aus früheren Steuerjahren für die Kirchensteuer nutzbar zu machen. Die Ungleichbehandlung zwischen Einkommen- und Kirchensteuer verstoße schon wegen der Verschiedenheit der Steuergläubiger nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie widerspreche auch nicht dem Prinzip der Folgerichtigkeit, da die Ermäßigung der Einkommensteuer durch das Halbeinkünfteverfahren bei Veräußerungsgewinnen der steuerlichen Vorbelastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft Rechnung trage. Kapitalgesellschaften seien aber lediglich mit Körperschaft-, nicht mit Kirchensteuer vorbelastet. Soweit ungleiche Belastungserfolge bei der allein maßgeblichen Vergleichsgruppe der Kirchensteuerpflichtigen untereinander aufträten, seien sie durch die Vorteile der mit der Anwendung des § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG verbundenen Typisierung sachlich gerechtfertigt. Die Regelung wolle eine "Schattenveranlagung" für die Kirchensteuer vermeiden. Einer übermäßigen Belastung könne im Einzelfall durch den gesetzlich vorgesehenen Erlass der Kirchensteuer aus Billigkeitsgründen Rechnung getragen werden, etwa wenn die verlustbehafteten Veräußerungsgeschäfte kreditfinanziert gewesen seien. Die bei der Entstehung von Verlusten gegebene bloße Möglichkeit, sie später ausgleichen zu können, stelle keine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Vermögensposition dar.
Hiergegen hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt.
In der Revisionsbegründung führt sie aus, § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG weise eine Regelungslücke hinsichtlich der Frage auf, ob Verlustvorträge bei der Berechnung der Kirchensteuer zu berücksichtigen seien, die bei der Einkommensteuer wegen des Halbeinkünfteverfahrens nicht zum Tragen kämen. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Hätte die Klägerin ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt, hätte sich die Problematik des beschränkten Verlustabzugs nicht gestellt. Die Ungleichbehandlung rechtfertige sich nicht dadurch, dass der Gesetzgeber typisierende Regelungen schaffen dürfe, denn der Fall der Klägerin sei keine Ausnahme, sondern ein Regelfall. Eine Schattenveranlagung zur Ermittlung der Kirchensteuer werde ohnehin durchgeführt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom und den Widerspruchsbescheid vom aufzuheben und die Kirchensteuer für das Jahr 2003 unter Abänderung des Bescheides vom , geändert durch Bescheid vom , auf 0,00 € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
und meint, der Gesetzgeber habe mit dem Ziel, aus verwaltungsökonomischen Gründen eine vollständige Schattenveranlagung zu vermeiden, bewusst in Kauf genommen, dass es im Einzelfall zu einer überhöhten Kirchensteuerfestsetzung kommen könne. Wollte man der Auffassung der Klägerin folgen, müsste die Ermittlung der Kirchensteuer vollständig von der Ermittlung der Einkommensteuer abgekoppelt und separat durchgeführt werden.
II
Die zulässige Sprungrevision (§ 134 VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat dabei ohne Verstoß gegen Bundesrecht zugrunde gelegt, dass der angefochtene Bescheid, soweit er Kirchensteuer festsetzt, rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
In Hessen sind die evangelischen Kirchen berechtigt, nach Maßgabe des Hessischen Kirchensteuergesetzes Kirchensteuer zu erheben, und zwar nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HessKiStG in der Form eines Zuschlages zur Einkommensteuer (Lohnsteuer). Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist für die Ermittlung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer (Lohnsteuer) § 51a EStG in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die durch diese Vorschrift des Bundesrechts angeordnete Korrektur des Halbeinkünfteverfahrens erfolgt mithin für die Berechnung der Kirchensteuer durch die Bezugnahme in § 2 HessKiStG auf § 51a EStG und somit kraft Gesetzesbefehls des Landesgesetzgebers, weshalb das Verwaltungsgericht insoweit Landesrecht angewandt hat (vgl. hierzu BVerwG 9 C 12.02 - BVerwGE 118, 201 <203 f.> m.w.N.). Die Auslegung des Landesrechts durch das Verwaltungsgericht ist für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Dieses hat aber zu überprüfen, ob die Vorinstanz die für die Entscheidung maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat ( BVerwG 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <351> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 151 S. 9). Das ist hier der Fall.
Das Berufungsgericht hat § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG (i.d.F. der Bekanntmachung vom , BGBl I S. 4210) so ausgelegt, dass bei der fiktiven Bemessung der Einkommensteuer als Maßstab für die Kirchensteuerfestsetzung die bei der Einkommensteuerfestsetzung nach dem Halbeinkünfteverfahren nicht berücksichtigte zweite Hälfte des im Jahr 2003 insgesamt i.H.v. 409 656 € erzielten Veräußerungsgewinns, also 204 828 € als maßgebliches zu versteuerndes Einkommen zugrunde zu legen ist, ohne dieses wegen des aus den Vorjahren zur Verfügung stehenden Verlustvortrags zu mindern. Diese Auffassung verletzt weder den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Besteuerungsgleichheit (1.) noch grundrechtlich geschützte Vermögenspositionen der Klägerin (2.) noch verletzt sie die Klägerin in ihrem Recht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG (3.).
1. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
a) Ein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Besteuerungsgleichheit folgt nicht schon daraus, dass das hessische Kirchensteuerrecht durch die "Halbhinzurechnung" ohne entsprechende Anrechenbarkeit eines Verlustvortrags von den einkommensteuerrechtlichen Regelungen abweicht. Denn die Steuern werden von unterschiedlichen Steuergläubigern erhoben und eine strenge Akzessorietät der (landesrechtlichen) Kirchensteuer zur Einkommensteuer, die die Anwendung aller einkommensteuerrechtlichen Vorschriften verlangen würde, ist vom Grundgesetz nicht vorgegeben.
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV verleiht Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, das Recht zur Steuererhebung "aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen". Dieses Recht schließt die Verpflichtung des Staates ein, die Voraussetzungen für die Steuererhebung durch den Erlass von Landesgesetzen zu schaffen ( - BVerfGE 19, 253 <258>; - BVerfGE 73, 388 <399>). Das Land kann die Kirchensteuererhebung näher gesetzlich formen und regeln, kann sich aber auch auf die allgemeine Ermächtigung zur Erhebung von Kirchensteuern beschränken und die Einzelregelung des formellen und materiellen Kirchensteuerrechts den steuerberechtigten Religionsgesellschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes überlassen. Die Kirchensteuer kann sich hinsichtlich des Steuersatzes an die Staatssteuern in Form von Zuschlägen anschließen oder auf einem anderen System beruhen (BVerfG a.a.O). Damit ist sowohl den Religionsgesellschaften wie auch den Landesgesetzgebern ein Freiraum eingeräumt, wie sie die Erhebung der Kirchensteuern gestalten wollen.
Auch wenn Einkommen- und Kirchensteuer seit langem eine Symbiose bilden (Petersen, Die Anknüpfung der Kirchensteuer an die Einkommensteuer durch § 51a EStG, in: Bochumer Kirchensteuertag: Grundlagen, Gestaltung und Zukunft der Kirchensteuer, Hrsg. Roman Seer/Burkhard Kämper, 2004, S. 101 <107>), besteht keine Verpflichtung, alle Regelungen des Einkommensteuergesetzes in ein landesrechtliches Kirchensteuergesetz zu übernehmen, wenn das Einkommen als Maßstab für die Kirchensteuererhebung dienen soll (vgl. dazu auch Homburg, FR 2008, 153 <158>). Ein Zwang zur deckungsgleichen Ausgestaltung von Einkommensteuer und Kirchensteuer, der einer Regelung wie § 51a entgegenstünde, ließe sich aus der Geltung von Art. 3 Abs. 1 GG für beide Steuern nur herleiten, wenn dieses Grundrecht nur eine einzige Ausgestaltungsmöglichkeit zuließe. Das ist nicht der Fall. Verschiedene Normgeber können bei verschiedenen Steuerarten durchaus unterschiedliche verfassungskonforme Ausgestaltungen treffen. Ob sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprechen, ist jeweils unter Einbeziehung der konkreten Sach- und Regelungsbereiche zu entscheiden ( u.a. - BVerfGE 107, 27 <46>); deswegen können für verschiedene Steuerarten unterschiedliche Regelungen gerechtfertigt oder gar geboten sein (vgl. dazu auch Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 353).
b) Auf dieser Grundlage widerspricht die Auslegung von § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Verwaltungsgericht nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert. Dabei hat er jedoch im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit zu beachten (vgl. hierzu a.a.O. S. 46 f.). Das gilt insbesondere für das Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Entsprechend muss sich auch eine Kirchensteuererhebung, die sich - wie hier - an die Einkommensteuer anlehnt, an diesen Geboten messen lassen.
aa) Das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit wäre durch die Auslegung des Verwaltungsgerichts nicht verletzt.
In seiner Ausprägung als (objektives) Nettoprinzip gebietet es zwar den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, die mit der Einkünfteerzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen; jedoch entfaltet es diese Wirkung grundsätzlich nur veranlagungszeitraumübergreifend ( - BFHE 215, 202 <206> m.w.N.). Deswegen ist die vom Verwaltungsgericht verneinte Verrechnungsmöglichkeit im Jahr 2003 insoweit ohne Bedeutung, weil der Verlustvortrag hierdurch nicht verloren geht.
Das vom (subjektiven) Nettoprinzip umfasste Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen ( a.a.O. S. 48 f.; BFH, Beschlüsse vom - XI B 7/02 - BFHE 202, 141 <143> und - XI B 76/02 - BFHE 202, 147 <149> ist ebenfalls nicht verletzt. Denn nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist nicht erkennbar, dass der Klägerin für das Jahr 2003 dieses Existenzminimum nicht verblieben wäre. Die Verluste sind in den Vorjahren aufgetreten, während sie im Jahr 2003 einen Veräußerungsgewinn erzielt hat, der allein, ohne weitere Einkünfte, das steuerliche Existenzminimum auch unter Berücksichtigung der zu zahlenden Kirchensteuern sicherstellt.
bb) Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung widerspricht auch nicht dem Gebot, bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i.S.d. Belastungsgleichheit umzusetzen (vgl. hierzu a.a.O. S. 47). Der Ausschluss einer Verrechnung von Verlustvorträgen mit der zweiten Hälfte der Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG im Rahmen der Kirchensteuerveranlagung ist nicht zu beanstanden.
Dem Grundsatz der Belastungsgleichheit entspricht es, dass nach § 2 Abs. 2 HessKiStG i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Einkünfte bei der Berechnung der Kirchensteuer zugrunde gelegt werden, die nach § 3 Nr. 40 EStG der Einkommensteuer nicht unterliegen. Denn die nur teilweise Anrechnung von Veräußerungsgewinnen bei der Einkommensteuerveranlagung durch das Halbeinkünfteverfahren soll der (körperschaft-)steuerlichen Vorbelastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft durch die Reduzierung der Einkommensteuer auf die ausgeschüttete Dividende im Wege der Pauschalierung Rechnung tragen. An einem vergleichbaren Grund für eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer fehlt es jedoch, weil die Kapitalgesellschaft nicht der Kirchensteuer unterliegt. Deshalb war es u.a. Ziel des Gesetzes, Kirchensteuerausfälle aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens zu neutralisieren (BTDrucks 14/4546 S. 1). Im Gesetzgebungsverfahren wurde erkannt, dass sich dies auf der Seite der Steuerschuldner in zusätzlichen Belastungen niederschlagen könnte. Das hier entscheidende Problem der Nichtanrechnung eines Verlustvortrages wird in den Gesetzesdiskussionen zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Jedoch war eine Lösung angestrebt, "die den Verwaltungsaufwand einer vollständigen Schattenveranlagung ...vermeidet" (BTDrucks 14/4546 S. 3).
Auf dieser Grundlage erweist sich die Auslegung des Verwaltungsgerichts als folgerichtig. Zum einen wird der genannte Zweck durch den Ausschluss der Verrechnungsmöglichkeit erreicht. Die Daten, nach denen das Einkommen nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG zu ermitteln ist, liegen aus der Einkommensteuerberechnung bereits vor und die Berechnung der darauf entfallenden fiktiven Einkommensteuer ist ohne Aufwand möglich. Die Berücksichtigung des Verlustvortrags für die nicht der Einkommensteuer unterliegenden Halbeinkünfte würde dagegen zusätzliche Berechnungen erfordern. Der Verlustvortrag würde für die verschiedenen Steuerarten unterschiedlich schnell aufgebraucht werden, so dass nach Verbrauch des Verlustvortrags für Kirchensteuerzwecke bereits bei der einkommensteuerpflichtigen Hälfte der Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG zunächst die Einkommensteuer nach dem Einkommen errechnet werden müsste, das um den für diese Zwecke noch vorhandenen Verlustvortrag reduzieren ist. Anschließend müsste der Verlustvortrag aus dem zu versteuernden Einkommen wieder herausgerechnet und die zweite Hälfte der Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG hinzugerechnet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass das Einkommensteuerrecht auch an anderer Stelle gespaltene Verlustvorträge kenne, ändert dies nichts daran, dass bei Berücksichtigung der Verlustvorträge die vom Gesetz angestrebte einfache Berechnung nicht gelänge. Angesichts der Komplexität des Einkommensteuerrechts erscheinen auch nur mäßige Vereinfachungseffekte nicht sachwidrig (vgl. etwa den Vorlagebeschluss des BFH wegen Verletzung des Gebots der Normenklarheit durch verschiedene Normen des EStG vom - XI R 26/04 - BFHE 214, 430 <447 f.>). Das weitere gesetzgeberische Ziel, Kirchensteuerausfälle auszugleichen, wird ebenfalls erreicht.
Zum anderen wird der Kirchensteuerpflichtige durch den Ausschluss der Verrechnungsmöglichkeit in zumutbarer und insoweit von der Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers (vgl. nur - BVerfGE 112, 268 <280 f.>) jedenfalls gedeckter Weise belastet. Denn der Verlustvortrag geht den Steuerpflichtigen nicht verloren (vgl. zur Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Verlustverrechnung - BVerfGE 99, 88). Durch die Verrechnung des Verlustvortrags nur mit der einkommensteuerpflichtigen Hälfte der Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG reduziert der Verlustvortrag über einen längeren Zeitraum die auf diese Hälfte entfallende Kirchensteuer. Für die Kirchen bedeutet dies, dass der Kirchensteuerzufluss sich verstetigt und dadurch der Rahmen für ihre Haushaltsplanung vorhersehbarer wird. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass sich eine Verrechnung nur bei Veräußerungsgewinnen in den Folgejahren ergeben kann, was aus verschiedenen Gründen nicht der Fall sein müsse. Eine verfassungswidrige Belastung der Klägerin würde sich erst ergeben, wenn der Verlustausgleich für andere Veranlagungszeiträume gänzlich ausgeschlossen wäre ( - BFH/NV 2006, 1150 <1151>). Das ist nicht der Fall.
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass es auf den Aspekt der Kirchensteuerverluste, die durch die körperschaftsteuerlich belasteten Halbeinkünfte entstünden, für Spekulationsgewinne nicht ankommen könne. Denn der Spekulant nehme gerade an den körperschaftsteuerbelasteten Gewinnen der Gesellschaft nicht teil. Das ist unerheblich, weil der Gesetzgeber die Veräußerungsgewinne i.S.v. § 23 EStG ebenfalls dem Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG unterstellt hat. Derjenige, der Anteile innerhalb der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG veräußert, sollte nicht schlechter stehen als bei einer Ausschüttung vor oder nach Ablauf der Frist (von Beckerath, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, 8. Aufl. 2008, § 3 Rn. 133). Vor diesem Hintergrund ist aber auch nicht ersichtlich, weshalb Spekulationseinkünfte, die nur hälftig besteuert werden, kirchensteuerrechtlich anders behandelt werden sollten als etwa Dividendeneinkünfte, da mit § 51a Abs. 2 S. 2 EStG der durch das Halbeinkünfteverfahren entstehende Kirchensteuerverlust neutralisiert werden sollte.
Schließlich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, eine - unzulässige - Ungleichbehandlung liege auch darin, dass private Veräußerungsgewinne nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG nur mit Gewinnen aus ebensolchen Geschäften verrechnet werden können, nicht aber mit anderweitigen Einkünften, während dies bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anders sei. Die unterschiedliche Verlustverrechnungsmöglichkeit rechtfertigt sich daraus, dass der Steuerpflichtige anders als bei anderen Einkunftsarten durch die Wahl des Veräußerungszeitpunktes über den Eintritt der Besteuerung entscheiden kann ( IX R 28.05 - BFHE 215, 202 <205 f.>). Sie gibt jedoch für die Beantwortung der Frage der Berücksichtigung des Verlustvortrages bei der Kirchensteuer nichts her. Zudem hat der Landesgesetzgeber keinen Einfluss auf die Gestaltung des Einkommensteuerrechts.
2. Das angefochtene Urteil verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG. Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf ( - BVerfGE 95, 267 <300>, stRspr). Zu einer in diesem Sinne grundgesetzlich geschützten Vermögensposition erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht (vgl. - BFHE 185, 393 <397>). Es lässt sich hier auch nicht erkennen, dass das Eigentumsgrundrecht deshalb verletzt sein könnte, weil die Kirchensteuerpflicht die Klägerin übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen würde, dass sie erdrosselnde Wirkung hätte ( a.a.O.).
3. Schließlich ist kein Verstoß gegen die nach Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin darin zu sehen, dass sie bei einem Austritt aus der evangelischen Kirche die Verrechnungsmöglichkeit von Verlustvorträgen endgültig verliert. Art. 4 Abs. 1 GG garantiert nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die so genannte negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit mit der Folge, dass jeder über sein Bekenntnis und seine Zugehörigkeit zu einer Kirche selbst und frei von staatlichem Zwang entscheiden darf. Das schließt die Freiheit, einer Kirche fern zu bleiben, ebenso ein wie die Freiheit, sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung für das staatliche Recht zu befreien ( u.a. - BVerfGE 44, 37 <49>; Beschluss vom - 1 BvR 3006/07 - juris Rn. 20). Deshalb darf auch niemand über den Zeitpunkt der Wirksamkeit seines Kirchenaustritts hinaus zur Kirchensteuer herangezogen werden ( a.a.O. S. 50). Ein auch nur mittelbarer staatlicher Druck auf weiteren Verbleib in der Kirche folgt aber nicht daraus, dass bei einem Verbleib in der Kirche noch Steuerermäßigungen geltend gemacht werden könnten. Das von der Kirchensteuer betroffene Kirchenmitglied ist in seiner Entscheidung, ob es aus der Kirche austreten oder zur Erlangung der Steuerermäßigung in der Kirche verbleiben will, ebenso frei wie bereits zuvor bei der Entscheidung, ob es trotz Kirchensteuerpflicht Mitglied der Kirche bleiben will (vgl. BVerwG 9 C 12.02 - BVerwGE 118, 201 <210> = Buchholz 401.70 Kirchensteuer Nr. 28 S. 9).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf 4 362,07 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 GKG).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 351 Nr. 2
HFR 2009 S. 193 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2008 S. 3358
KAAAC-93782