BFH Urteil v. - X R 14/07

Abgrenzung von Vermögensverwaltung und gewerblichen Wertpapierhandel

Leitsatz

Bei An- und Verkauf von Wertpapieren kommt als Maßstab für die Abgrenzung zwischen Gewerblichkeit und Vermögensverwaltung die Tätigkeit des Händlers in Betracht. Von hoher Indizwirkung für das Vorliegen einer gewerblichen Wertpapierhandelstätigkeit i. S. des § 15 Abs. 2 EStG sind deshalb z. B. der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Umgekehrt überschreiten Privatanleger, die ihre An- und Verkaufstätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung und außerhalb der üblichen Arbeitszeiten in ihrer Freizeit sowie ausschließlich für eigene Rechnung ausüben bzw. sie durch ein Finanzunternehmen ausüben lassen, regelmäßig nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Das gilt auch bei Umschichtung von Wertpapieren in erheblichem Umfang.

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist gelernter Bankkaufmann. Er erzielte im Streitjahr 1994 u.a. Einkünfte als Gesellschafter-Geschäftsführer einer im . tätigen GmbH. Für die Jahre 1993 bis 1996 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) eine Außenprüfung beim Kläger durch, der vor Beginn der Prüfung Jahresabschlüsse 1994 bis 1996 für einen Gewerbebetrieb „Wertpapierhandel” nebst Anlagen GSE sowie berichtigte Anlagen KSO zu den Einkommensteuererklärungen 1994 bis 1996 einreichte. Die nachträgliche Geltendmachung des gewerblichen Wertpapierhandels begründete der Kläger damit, dass der Umfang und die Art der Abwicklung des Wertpapierhandels erst klargeworden seien, als die Tätigkeit Ende 1997 beendet gewesen sei.

Aus den Jahresabschlüssen ergeben sich für das Streitjahr ein Verlust von fast 2,5 Mio. DM.

Die Durchführung und Entwicklung der Wertpapiergeschäfte erläuterte der Kläger im Einzelnen wie folgt:

Er habe diese Wertpapiergeschäfte durch den Bankkaufmann B ausführen lassen, der als Angestellter der X Bank bereits mehrere Jahre als Anlageberater für ihn tätig gewesen sei. Weil die hausinternen Richtlinien und Weisungen der X Bank, die geltenden Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und die begrenzten Geschäftszeiten der Bank dem Interesse des Klägers an der Erzielung eines größtmöglichen Gewinns entgegengestanden hätten, seien er und B Ende 1993 übereingekommen, ab dem Beginn des Jahres 1994 den Handel mit Wertpapieren aufzunehmen. Durch diese Verabredung habe der Kläger angestrebt, als Wertpapierhändler tätig zu werden. Den Handel habe B im Namen und für Rechnung des Klägers ausführen sollen. B habe daher zu Beginn des Jahres 1994 das mit der X Bank bestehende Anstellungsverhältnis beendet und zusammen mit seinem Bekannten, dem Bankfachwirt S, ein Büro unter der Firma B & S eröffnet. Beide seien alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Als Einlage in sein Wertpapierhandelsunternehmen habe der Kläger den größten Teil seines Wertpapiervermögens B zur Verfügung gestellt und in großem Umfang die Bestände seiner bei der X Bank geführten Depotkonten auf Depotkonten bei weiteren Banken übertragen. Die Werte der eingelegten Wertpapiere auf den hätten 3 Mio. DM betragen. Im März und April 1994 habe der Kläger aus dem im Privatvermögen befindlichen Depot bei der X Bank weitere Werte in Höhe von 2 Mio. DM in die Depots eingelegt. Im Rahmen dieses Wertpapierhandelsunternehmens sei B tätig geworden und habe seine Kenntnisse und Fähigkeiten als Wertpapierhändler zur Verfügung gestellt. Der Kläger habe B zur Durchführung der Geschäfte umfassende Kontovollmachten erteilt. Auf dieser Grundlage habe B die Wertpapiergeschäfte im Namen und für Rechnung des Klägers und in Abstimmung mit dem Kläger getätigt. Der Kläger habe B insbesondere vorgegeben, durch tägliches Handeln die Marktbewegungen auszunutzen. Nach diesen Vorgaben habe B für den Kläger eine Vielzahl von Geschäften abgewickelt. Die Entscheidung, ein konkretes Geschäft zu tätigen, habe allerdings in der eigenen Verantwortung von B gelegen. Die Wertpapiereinkäufe hätten sich im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum auf mehr als 22 Mio. DM belaufen. Dem hätten Verkäufe von Wertpapieren im Werte von über 21 Mio. DM gegenübergestanden. Diese Wertpapiergeschäfte habe der Kläger auch zu einem großen Teil mit Fremdmitteln finanziert. Nachdem sich in 1997 wiederum ein Verlust eingestellt habe, habe der Kläger den Wertpapierhandel aufgegeben. Dazu habe er die Depotkonten aufgelöst, die hierfür erteilten Vollmachten widerrufen und das verbliebene Anlagevermögen bei der X Bank zusammengeführt. Seit diesem Zeitpunkt sei er nur noch vermögensverwaltend tätig.

Die Betriebsprüferin ermittelte für das Streitjahr 1994 einen Verlust aus den Wertpapiergeschäften in Höhe von 2,. Mio. DM, den das FA nicht als gewerblichen Verlust anerkannte.

Hiergegen erhob der Kläger erfolglos Einspruch. Seine Klage hatte dagegen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) bejahte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1030 veröffentlichten Urteil einen gewerblichen Wertpapierhandel. Es berücksichtigte, dass der Kläger als gelernter Bankkaufmann über eigene Branchenkenntnisse verfügt habe und maß vor allem der Abwicklung sowie dem Umfang der getätigten Geschäfte und der Umschichtung des ursprünglich über die X Bank angelegten Wertpapiervermögens auf drei andere Banken entscheidende Bedeutung zu. Weiter sah es als bedeutend an, dass die den konkreten Einzelentscheidungen zugrunde liegende Anlagestrategie ständig zwischen dem Kläger und Herrn B abgesprochen worden sei, so dass die maßgeblichen Entscheidungen unter Mitwirkung des Klägers getroffen worden seien. Aufgrund des konkreten Anlageverhaltens und des Umsatzvolumens hielt es das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung für unschädlich, dass der Kläger nicht für andere tätig geworden sei. Ohne Bedeutung sei, dass der Kläger im Rahmen der Steuererklärungen zunächst selbst keine gewerblichen Einkünfte erklärt, sondern dies erst nach Anmeldung der Betriebsprüfung durch Einreichung berichtigter Anlagen GSE sowie erstmaliger Bilanzen nachgeholt habe.

Mit der Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts, weil das FG in Abweichung von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verkannt habe, dass der Kläger keine Tätigkeit ausgeübt habe, die über den Bereich der privaten Vermögensverwaltung hinausgegangen sei.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen Änderungsbescheid erlassen. Es erkannte die dem Kläger im Streitjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entstandenen Verluste in der von ihm selbst bezifferten Höhe von . DM als mit anderen erzielten positiven Einkünften ausgleichsfähig an.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Berücksichtigung von Verlusten aus Wertpapiergeschäften über den im Änderungsbescheid anerkannten Betrag von . DM hinaus begehrt wird.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er führt aus, das angefochtene Urteil habe die vom BFH entwickelten Grundsätze aufgrund des Gesamtbildes zutreffend gewürdigt und gewichtet. Er habe selbst als Händler gehandelt, weil er „Herr des Geschehens” gewesen sei. Im Übrigen müsse ihm das Handeln des B zugerechnet werden.

II. Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da der während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom an die Stelle der Einkommensteuerfestsetzung vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom trat. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu , BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).

Der Bescheid vom wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht verändert hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 127 Rz 2), bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden deshalb nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).

2. Der nach § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Änderungsbescheid vom ist rechtmäßig. Das FA hat zutreffend keinen höheren Verlust als den im Änderungsbescheid berücksichtigten Verlust aus den Wertpapiergeschäften des Klägers anerkannt. Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger mit dem An- und Verkauf von Wertpapieren im Streitjahr 1994 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

a) Gewerbebetrieb ist gemäß § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (ausführlich Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. III. 3. b aa; seither ständige Rechtsprechung).

aa) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Dabei sind die einzelnen Umstände zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (Senatsurteil vom X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706). Anzeichen für eine Zuordnung zum „Bild des Wertpapierhandels” sind z.B. der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132, 135; vom I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, und vom IX R 35/01, BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26).

In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (Beschlüsse des Großen Senats des , BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. I.; vom GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. II.; Senatsurteil vom X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408).

bb) Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs” durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren.

cc) Ob eine Tätigkeit noch der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist, lässt sich nicht für alle Bereiche nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten (Senatsurteil vom X R 37/00, BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464, unter II. b aa).

Die Verkehrsauffassung sieht die Umschichtung von Wertpapieren —selbst in erheblichem Umfang— regelmäßig als noch zur privaten Vermögensverwaltung gehörend an, weil es bei Wertpapieren in der Natur der Sache liegt, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren (, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775). Davon geht ersichtlich auch das EStG aus, wie die Vorschrift des § 23 EStG verdeutlicht. Danach ist der bloße Umschlag von Wertpapieren als privates Geschäft zu betrachten. Gewerblichkeit kann daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, m.w.N).

b) Bezogen auf den An- und Verkauf von Wertpapieren kommt als Maßstab für die Abgrenzung zwischen Gewerblichkeit und Vermögensverwaltung die Tätigkeit des Händlers in Betracht. Damit gewinnen Merkmale der Professionalität eine besondere Bedeutung (s. dazu die Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II. 2. d). Für die Tätigkeiten am Kapitalmarkt haben sie sich im Gesetz über das Kreditwesen (KredWG) und ergänzend im WpHG niedergeschlagen.

Aus diesen normativen Vorgaben hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, (unter II. 2. f, g) Kriterien abgeleitet, die von hoher Indizwirkung für das Vorliegen einer gewerblichen Wertpapierhandelstätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG sind und denen bei der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse eine maßgebende Bedeutung zukommt.

aa) So ist für das Wertpapierhandelsunternehmen ein Tätigwerden „für andere” (§ 1 Abs. 1a Satz 1 KredWG), vor allem ein Tätigwerden „für fremde Rechnung” (so ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KredWG, der schon im Streitjahr —seit Erlass des KredWG im Jahre 1961 unverändert— anzuwenden war), kennzeichnend.

Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung, die schon früh dem Merkmal des Tätigwerdens für fremde Rechnung besonderes Gewicht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung beigemessen hat (, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; vom XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II. 2. b; in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II. 3. f).

Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, unter II. 1. b).

bb) Soweit Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KredWG) nicht anders als private Anleger für eigene Rechnung tätig werden, zeichnet sich ihre Tätigkeit dadurch aus, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern betreiben, also nicht lediglich über eine Depotbank am Marktgeschehen teilnehmen. Dagegen ist eine Abwicklung der Geschäfte über eine Depot führende Bank, ohne selbst Kontrahenten zu suchen, kennzeichnend für Transaktionen, die den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschreiten (BFH-Urteile in BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775, 777, und vom VI R 149/67, BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620).

cc) Ferner muss der Wertpapierhandel nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 3 KredWG die Haupttätigkeit eines Finanzunternehmens darstellen. Privatanleger, die ihre An- und Verkaufstätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung und außerhalb der üblichen Arbeitszeiten in ihrer Freizeit ausüben bzw. sie durch ein Finanzunternehmen ausüben lassen, entsprechen hingegen nicht dem Bild des Finanz-"unternehmens”.

3. Die Vorentscheidung widerspricht diesen Grundsätzen. Die vom Kläger getätigten An- und Verkaufsgeschäfte mit Wertpapieren haben den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten.

a) Der Kläger ist nach den ausdrücklichen Feststellungen des FG nicht „für andere” bzw. für fremde Rechnung tätig geworden. Er hat die Geschäfte ausschließlich für eigene Rechnung abschließen und über die Depot führenden Banken abwickeln lassen.

b) Auch hat der Kläger nicht wie ein Finanzunternehmen unmittelbar und im Rahmen einer Haupttätigkeit mit anderen Marktteilnehmern Handel getrieben. Aus der Sachkenntnis, die das FG dem Kläger als gelernten Bankkaufmann bescheinigt hat, kann —entgegen der Auffassung des FG— nicht auf den gewerblichen Charakter der Aktivitäten auf dem Kapitalmarkt geschlossen werden, wenn und solange dies nicht die Haupttätigkeit des Steuerpflichtigen ausmacht. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu den Sachverhalten, die der BFH in den Entscheidungen vom X R 39/88 (BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631), vom III R 9/89 (BFH/NV 1994, 80) und vom X R 24/06 (BFH/NV 2008, 774) zu beurteilen hatte. In diesen Fällen handelten angestellte Rentenhändler bzw. eine Börsenmaklerin in Ausübung ihrer Haupttätigkeit. Der Kläger war dagegen in seiner Haupttätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH auf einem deutlich anderen Geschäftsfeld tätig. Daher hat er das in der Rechtsprechung als Kriterium gewerblicher Tätigkeit häufig verwendete Merkmal des „Einsatzes beruflicher Erfahrungen” nicht erfüllt (vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408). Er hat seine Kauf- und Verkaufsaufträge über B & S durchgeführt. Er selbst ist nicht auf dem Kapitalmarkt aufgetreten. Daran ändern weder die B erteilten weitgehenden Vollmachten noch die Art der Vergütung des B etwas. Weitgehende Vollmachten sind ein Ausdruck des Vertrauens des Vollmachtgebers in den Bevollmächtigten, vermögen den Vollmachtgeber jedoch nicht zum Handelnden oder „Herrn des Geschehens” zu machen. Diese Funktion hat der Kläger nicht eingenommen, selbst wenn die den konkreten von B getroffenen Einzelentscheidungen zugrunde liegende Anlagestrategie ständig zwischen ihm und B abgesprochen worden ist. Insoweit ist kein Unterschied zu dem Kapitalanleger zu erkennen, der seine Geschäfte über eine Bank abwickelt und sich von einem dort angestellten Anlageberater betreuen lässt, wie dies der Kläger vor den Streitjahren getan hat. Zudem wird ein Kapitalanleger mit einiger Sachkenntnis häufig den Rahmen beeinflussen, innerhalb dessen dann der Anlageberater tätig ist. Ebenso sind bei einer Vermögensverwaltung regelmäßige Erfolgskontrollen üblich und deshalb kein Merkmal, das für die Gewerblichkeit von Wertpapiergeschäften spricht. Keine Bedeutung hat der Umstand, dass der Kläger sein früher allein bei der X Bank bestehendes Depot auf mehrere Banken verteilt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399). Durch ein solches Verhalten wird er nicht zum unmittelbaren Marktteilnehmer.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers würde die Frage der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit nicht anders beantwortet werden können, wenn ihm das Handeln der B & S und ihres Gesellschafter-Geschäftsführers B zugerechnet würde, ohne damit in Widerspruch zu der Beurteilung des I. Senats des BFH zu geraten, dass bei dem Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr das Handeln eines Dritten berücksichtigt werden kann (vgl. Urteil in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Entscheidend ist, dass durch die Tätigkeit des B die für den Kläger getätigten Geschäfte keinen gewerblichen Charakter angenommen hätten. Sie blieben unverändert Geschäfte lediglich für eigene Rechnung des Klägers und wären durch die Einschaltung des B nicht zu Geschäften für fremde Rechnung geworden. Die Tätigkeit des B bestand darin, privates Vermögen des Klägers zu verwalten und möglichst zu mehren, nicht jedoch für den Kläger eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, mit der dieser am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hätte.

d) Die fehlende professionelle Ausrichtung seines Handelns auf dem Gebiet der Wertpapiergeschäfte wird durch das eigene Vorbringen des Klägers bestätigt. Danach sei erst im Zuge der (im Juli 1998 begonnenen) Betriebsprüfung durch Auswertung der einzelnen vorgelegten Belege das Ausmaß und die Art und Weise der Abwicklung der (im Streitjahr 1994 getätigten) Wertpapiergeschäfte zu Tage getreten. Erst zu diesem Zeitpunkt habe festgestellt werden können, dass die Tätigkeit als gewerblicher Wertpapierhandel einzuordnen sei. Im Gegensatz zu dieser Verhaltensweise des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass ein gewerblicher Wertpapierhändler seine Aufzeichnungen zeitnah führt, um jederzeit den Erfolg seiner Tätigkeit zu überblicken und ggf. im Fall des Misserfolgs angemessen reagieren zu können. Daran hat es der Kläger offensichtlich fehlen lassen.

e) Schließlich hat das FG in entscheidender Weise die Bedeutung der Zahl und des Umfangs der einzelnen Transaktionen verkannt. Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 dargelegt hat, kommt es darauf nicht entscheidend an. Die zunehmende Größe von Privatvermögen führt dazu, dass sich gleichermaßen die Anzahl der vermögensverwaltenden Rechtsakte erhöht (BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II. 2. d; Sorgenfrei, Finanz-Rundschau 1999, 61, 64; Daniel J. Fischer, jurisPR-SteuerR 26/2007 Anm. 1). Diese Betrachtung entspricht der Beurteilung der durch Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 EStG erzielten Einkünfte. Auch hier hat die Anzahl der vermieteten bzw. verpachteten Objekte in der Regel keinen Einfluss auf die Frage, ob diese Tätigkeit als Vermögensverwaltung zu werten ist (vgl. , BFH/NV 1997, 762). Vielmehr führt das Vermieten bzw. Verpachten der in § 21 EStG genannten Gegenstände nur und erst dann zu gewerblichen Einkünften, wenn über die bloße Vermietung bzw. Verpachtung hinaus zusätzliche erhebliche Sonderleistungen für den Mieter bzw. Pächter erbracht werden.

f) Dem FG ist zwar zuzustimmen, dass es für die steuerrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als gewerblich oder als Vermögensverwaltung nicht auf die Vorstellungen des Steuerpflichtigen ankommt, weil es sich hierbei um eine rechtliche Würdigung des tatsächlich realisierten Sachverhalts handelt. Unter diesem Aspekt ist es ohne Bedeutung, dass der Kläger im Rahmen der Steuererklärungen zunächst selbst keine gewerblichen Einkünfte erklärt, sondern dies erst nach Anmeldung der Betriebsprüfung durch Einreichung berichtigter Anlagen GSE sowie erstmaliger Bilanzen nachgeholt hat. Allerdings begründet sein Verhalten erhebliche Zweifel an seiner Bekundung im Klageverfahren, vor der Umschichtung seines Depots seien er und B Ende 1993 übereingekommen, ab dem Beginn des Jahres 1994 den Handel mit Wertpapieren aufzunehmen, woraus sich ergebe, dass er angestrebt habe, als Wertpapierhändler tätig zu werden. Wie die obigen Ausführungen zeigen, hat er nicht als solcher gehandelt, sondern als Kapitalanleger, der bestrebt war, sein Vermögen möglichst Ertrag bringend zu verwalten.

4. Mit dem Änderungsbescheid vom hat das FA das BFH-Urteil in BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26 berücksichtigt und dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen. Insoweit kann der Kostenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Einer Zurückverweisung an das FG zum Zwecke der Verlustberücksichtigung nach den allgemeinen Regeln bedarf es im Streitfall nicht, weil der Kläger dieses Ziel durch den Änderungsbescheid in vollem Umfang seines im Klageverfahren bezifferten Hilfsantrags erreicht hat.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 2012 Nr. 12
EStB 2008 S. 436 Nr. 12
HFR 2008 S. 1233 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 4/2009 S. 186
SAAAC-93266