Übergangszahlungen eines Arbeitnehmers als Teil der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes
Gesetze: EStG § 24 Nr. 1a, EStG § 34 Abs. 1, EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger war seit dem Jahr 1962 bei der S-AG beschäftigt. Die S-AG kündigte das Arbeitsverhältnis zum . Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 68 000 DM; hiervon behandelte die S-AG 36 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) als steuerfrei. Außerdem bezog der Kläger vom bis Übergangszahlungen in Höhe seines letzten Gehalts von monatlich 12 195 DM —auf welche das Ruhegehalt des Klägers angerechnet wurde— sowie verlängerte Übergangszahlungen vom bis in Höhe von monatlich 5 421 DM und vom bis März 2002 in Höhe von monatlich 2 711 DM; die Höhe der verlängerten Übergangszahlungen errechnete sich aus 50 % (April 1995 bis März 1997) bzw. 25 % (April 1997 bis März 2002) der Differenz zwischen dem letzten Gehalt und den Ruhestandsbezügen. Die verlängerten Übergangszahlungen sollten den wirtschaftlichen Übergang in den Ruhestand erleichtern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte es ab, den steuerpflichtigen Teil der Abfindung nach § 34 EStG begünstigt zu versteuern. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 196, veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG sowie des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Der Kläger habe bereits aufgrund einer Betriebsvereinbarung dem Grunde nach einen Anspruch auf die Übergangszahlungen gehabt; die Übergangszahlungen beruhten daher nicht auf einer neuen Rechtsgrundlage.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Teil der Abfindung mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG besteuert wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Abfindung —soweit sie nicht gemäß § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei ist— nicht gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ermäßigt zu besteuern ist.
1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
a) Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen des ursprünglichen Rechtsverhältnisses sind, sind keine Ersatzleistungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (, BFH/NV 2006, 2042, m.w.N.). Eine Entschädigung liegt nur vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349, m.w.N.). Für die Frage, ab wann vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen können, ist dabei von dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Dienstverhältnis wirksam beendet haben (, BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, m.w.N.).
b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sind grundsätzlich nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur in solchen Fällen geboten, in denen neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden, die auch betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen (, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.). Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, sind grundsätzlich einheitlich zu beurteilen (, BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449).
2. Nach diesen Grundsätzen sind die Abfindung und die Übergangszahlungen als einheitliche Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu beurteilen. Mangels Zuflusses in einem Veranlagungszeitraum liegen keine außerordentlichen Einkünfte vor.
a) Die Übergangszahlungen sind —wie die Abfindung— eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG; denn der an die Stelle des bisherigen Arbeitslohns getretene Anspruch auf die Übergangszahlungen beruht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage. Das FG hat zwar nicht geprüft, ob die Übergangszahlungen Erfüllungsleistungen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses oder Entschädigungsleistungen sind. Hat das FG aber eine notwendige Würdigung unterlassen, so kann der BFH als Revisionsgericht sie auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG vornehmen, selbst wenn mehrere Möglichkeiten der Würdigung bestehen (, BFH/NV 2008, 351, m.w.N.).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die Übergangszahlungen Entschädigungsleistungen, die dem Kläger als Ersatz für den ihm durch die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entgehenden Arbeitslohn gewährt wurden. Die Übergangszahlungen wurden dem Kläger erst nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ab dem gewährt. Weiter bestimmte sich ihre Höhe nach dem letzten Gehalt des Klägers; in den ersten sechs Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger Übergangszahlungen in Höhe dieses Gehalts und in der Folgezeit in Höhe von 50 % (April 1995 bis März 1997) bzw. 25 % (April 1997 bis März 2002) der Differenz zwischen dem letzten Gehalt und den Ruhestandsbezügen. Auch nach dem Zweck der verlängerten Übergangszahlungen, den wirtschaftlichen Übergang in den Ruhestand zu erleichtern, erhielt der Kläger diese Leistungen als Ausgleich für den ihm durch die —vorzeitige— Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entgehenden Arbeitslohn.
b) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem (BFHE 198, 468, BStBl II 2002, 516), nach dem das Ruhegehalt, das ein (früherer) Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund Dienstvertrages zahlt, nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausdrücklich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und damit zu den Einkünften aus früherer Tätigkeit i.S. des § 24 Nr. 2 EStG gehört. Ruhegehälter sind nicht Entschädigungsleistungen, sondern Erfüllungsleistungen, da sie nicht für entgehende Lohnansprüche gezahlt werden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in der früheren Tätigkeit des Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 468, BStBl II 2002, 516; gl.A. BStBl I 1998, 1512, Tz. 6 ff.). Ruhegehälter werden dem Arbeitnehmer —im Unterschied zu den Übergangszahlungen im Streitfall und Vorruhestandsgeldern, die der BFH ebenfalls als Teil der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes beurteilt hat (BFH-Urteil in BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055)— unabhängig von einer vom Arbeitgeber veranlassten, vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für bereits erbrachte Dienstleistungen gezahlt.
c) Der Senat kann offenlassen, ob sich ein Anspruch des Klägers auf die Übergangszahlungen —wie die Kläger meinen— bereits aus einer Betriebsvereinbarung ergab. Denn auch in diesem Fall wären die Übergangszahlungen als Entschädigung zu beurteilen. Die Rechtsprechung, dass eine Zahlung dann nicht auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruht, wenn sie bereits im Arbeitsvertrag für den Fall der Entlassung vereinbart worden ist, hat der (BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349) ausdrücklich aufgegeben; die vom FG und den Klägern angeführten (BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34) und vom XI R 7/01 (BFH/NV 2002, 337) sind insoweit überholt. Eine Zahlung beruht auch dann —verglichen mit dem bisherigen Anspruch auf Erfüllung von Gehaltsforderungen— auf einem neuen Rechtsgrund und stellt damit eine Ersatzleistung dar, wenn sie bereits im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag —nichts anderes gilt für eine Betriebsvereinbarung— für den Fall der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird (BFH-Urteil in BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, m.w.N.).
d) Die Abfindung und die Übergangszahlungen sind als einheitlich zu beurteilende Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG keine außerordentlichen Einkünfte, da sie dem Kläger nicht in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen sind. Eine Ausnahme von dem Erfordernis des zusammengeballten Zuflusses kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil die Übergangszahlungen die Abfindung überstiegen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1666 Nr. 10
HFR 2009 S. 18 Nr. 1
AAAAC-89501