BFH Beschluss v. - VII B 61/08

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls; Antrag auf Tatbestandsberichtigung

Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, FGO § 108

Instanzenzug: StB

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da der Kläger wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei und er die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Nach den erkennbaren Umständen sei der Kläger außer Stande, seine finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit zu ordnen. Ein aktuelles Vermögensverzeichnis, eine Gegenüberstellung seiner monatlichen Einnahmen und Ausgaben sowie einen Tilgungsplan für die offenen Verbindlichkeiten habe er trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass in seinem Fall ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall ausgeschlossen sei. Vielmehr sei insoweit zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er erhebliche Steuerschulden in Höhe von ca. . € habe und in der Vergangenheit Lohnsteuer und Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).

a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, da sie nicht einmal eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, geschweige denn Ausführungen zu ihrer Klärungsbedürftigkeit macht. Mit der Behauptung der Beschwerde, dass das angefochtene Urteil gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verstoße, wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung könnte die Zulassung der Revision allein zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) rechtfertigen, was allerdings die Gegenüberstellung tragender und abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits erfordert hätte, woran es im Streitfall fehlt.

b) Im Übrigen trifft es nicht zu, dass das FG-Urteil, soweit es um den sog. Entlastungsbeweis geht, von der Rechtsprechung des BGH abweicht.

Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind geklärt. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen („es sei denn”) ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteil vom VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2000, 741; Senatsbeschluss vom VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse vom VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).

Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich des von einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung zu führenden sog. Entlastungsbeweises. Auch der BGH beurteilt die Frage, ob der Entlastungsbeweis geführt ist, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BGH-Beschlüsse vom AnwZ (B) 43/03, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 511; vom AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924). Wenn daher der BGH in einem zu entscheidenden Einzelfall eines Rechtsanwalts im Rahmen der Gesamtwürdigung bestimmte einzelne Umstände zu dessen Gunsten berücksichtigt, so stellt es keine Abweichung von dieser Entscheidung dar, wenn in einem anderen Fall diesen Umständen bei der Gesamtwürdigung ein geringeres Gewicht beigemessen wird und andere Umstände in den Vordergrund rücken.

Im Streitfall greift die Beschwerde einzelne Gesichtspunkte aus dem BGH-Beschluss in NJW 2007, 2924 heraus, welche der BGH zu Gunsten des betroffenen Rechtsanwalts gewürdigt hat und meint, dass diese auch auf den Kläger zuträfen. Dabei lässt sie unberücksichtigt, dass das FG —in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats— andere Umstände in die Gesamtwürdigung einbezogen und zu Lasten des Klägers gewürdigt hat, die in dem vom BGH entschiedenen Fall keine Rolle spielten, nämlich die Höhe der Steuerschulden des Klägers, die seinen Handlungsrahmen gegenüber der Finanzverwaltung einschränken, sowie die Nichtabführung von Lohnsteuer und Umsatzsteuer in der Vergangenheit, welche ein Indiz für Unzuverlässigkeit in eigenen Angelegenheiten ist. Außerdem lässt die Beschwerde unberücksichtigt, dass andere Einzelumstände, die der BGH in seiner Rechtsprechung als für den Entlastungsbeweis sprechend angesehen hat, im Fall des Klägers nach den Feststellungen des FG gerade nicht vorliegen, nämlich eine gewisse Größe der Sozietät, welche ausreichende Möglichkeiten der Überwachung des angestellten Anwalts durch andere Sozietätsmitglieder bietet, sowie sein Bemühen, seine finanziellen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen.

Die vom FG vorgenommene Gesamtwürdigung ist nachvollziehbar begründet, frei von Denkfehlern und gibt daher zu rechtlichen Beanstandungen keinen Anlass. Die Beschwerde setzt ihr lediglich ihre eigene Würdigung entgegen, ohne Rechtsfehler oder Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Liegt aber der Vermögensverfall vor und ist der Entlastungsbeweis nicht erbracht, so ist der Widerruf der Bestellung als Steuerberater die vom Gesetz geforderte Folge und —anders als die Beschwerde meint— keine „leichtfertige, völlig überzogene” Maßnahme. Die von der Beschwerde angesprochene Möglichkeit, nur Auflagen zu verhängen oder eine Prüfung der Mandatsverhältnisse durchzuführen, besteht nicht.

2. Die Aufklärung des Sachverhalts betreffende Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde nicht auf, indem sie lediglich behauptet, dass die vom FG behaupteten Steuerschulden „nicht der Realität” entsprächen. Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (, BFH/NV 1999, 1369). Im Übrigen kann der Kläger dem FG keine mangelhafte Sachverhaltsaufklärung vorwerfen, da er trotz Aufforderung durch das FG weder ein aktuelles Vermögensverzeichnis noch eine Einnahmen-/ Ausgabenaufstellung vorgelegt hat und damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1708 Nr. 10
DStR 2009 S. 72 Nr. 1
PAAAC-87993