BFH Beschluss v. - IX S 30/07

Statthaftigkeit eines erneuten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung

Gesetze: FGO § 69

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) war . Diese Tätigkeit endete zum . Lt. Vereinbarung vom Juli 1999 sollte der Kläger eine Abfindung „für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 3 Nr. 9, 34, 24 EStG” in Höhe von 485 000 DM brutto erhalten. Der steuerfreie Teil der Abfindung sollte zusammen mit den Bezügen für den Monat Dezember 1999 ausgezahlt werden. Im Übrigen sollte die Abfindung am zur Zahlung fällig werden. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2000 neben der Abfindung einen Bruttolohn in Höhe von 226 048 DM aus einem neuen Arbeitsverhältnis, das Ende 2001 beendet wurde. Ab 2002 war der Kläger arbeitslos.

Im Einkommensteuerbescheid 2000 wurde die Abfindung in Höhe von 465 000 DM (485 000 DM ./. 20 000 DM Freibetrag) gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 nach der sog. Fünftel-Regelung versteuert. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Seine Klage hatte der Antragsteller damit begründet, dass er seine im Hinblick auf die verfassungswidrige Rückwirkung von § 34 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 maßgebliche Disposition nicht erst mit Vertrag vom Juli 1999, sondern bereits mit Vereinbarung der Abfindung am getroffen habe. Auf den Zeitpunkt der Fixierung der verbindlich getroffenen Zusage der Abfindung habe er keinen Einfluss gehabt. Im Übrigen sei die Regelung des § 34 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 auch materiell verfassungswidrig.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klageabweisung damit begründet, es sei in tatsächlicher Hinsicht nicht davon überzeugt, dass in dem Gespräch vom eine rechtlich verbindliche Vereinbarung getroffen worden sei. Insoweit sei die Problematik einer vermeintlich echten Rückwirkung des § 34 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 nicht entscheidungserheblich. Auch sei der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der sog. Fünftel-Regelung überzeugt.

Gegen das finanzgerichtliche Urteil hat der Antragsteller fristgerecht die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Zugleich beantragt er erneut, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr auszusetzen.

Einen früheren Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FG0) hatte das FG bereits mit Beschluss vom als unbegründet abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen hatte es nicht zugelassen. Einen erneuten Antrag des Klägers vom hat das als unzulässig abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger am Gegenvorstellung und Anhörungsrüge erhoben. Diese hat das zurückgewiesen.

Am hat der Kläger beim Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegner (Finanzamt —FA—) einen erneuten Antrag auf AdV gestellt, wobei er sich zur Begründung auf die dem FA bereits vorliegenden Begründungen bezog. Diesen Antrag hat das FA mit Bescheid vom unter Bezugnahme auf die bereits erfolgten Aussetzungsbeschlüsse und das finanzgerichtliche Urteil wiederum abgelehnt.

Seinen erneuten Aussetzungsantrag an den Bundesfinanzhof (BFH) begründet der Antragsteller damit, dass das FA aktuell die AdV abgelehnt habe, so dass gemäß § 69 Abs. 4 FGO ein erneuter Antrag an den BFH als neues Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 FGO) zulässig sei. Hinsichtlich der Begründetheit des Antrags verweist er auf die sich aus der Revisionsbegründung ergebenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides. Insbesondere wendet er sich gegen die finanzgerichtliche Würdigung der Absprache vom sowie gegen die vom FG angenommene Verfassungsmäßigkeit des § 34 EStG in der im Streitfall geltenden Fassung.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auszusetzen.

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

II. Der Antrag ist unzulässig.

Nachdem das FG bereits über einen entsprechenden Antrag des Antragstellers entschieden hat, wäre ein erneuter Antrag nur unter den Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine Änderung oder Aufhebung der ergangenen Entscheidung verlangt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

1. Ist ein Steuerverwaltungsakt Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO dessen Vollziehung unter bestimmten Umständen aussetzen. Gericht der Hauptsache ist der BFH, wenn der angefochtene Verwaltungsakt Gegenstand eines bei ihm anhängigen Verfahrens ist (, BFH/NV 1998, 68).

Das Gericht der Hauptsache kann einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit aufheben oder ändern (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Dies gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist (, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86).

Solche Umstände liegen vor, wenn entweder nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten den Fall in tatsächlicher Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. hierzu , BFH/NV 1997, 247) oder wenn eine Gesetzesänderung oder eine zwischenzeitlich ergangene gerichtliche Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können (vgl. , BFH/NV 1991, 535). Bei unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage erfüllen neue rechtliche Überlegungen des Antragstellers ebenso wie die bloße Wiederholung der bisherigen Argumentation den Tatbestand des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO jedoch nicht (, BFH/NV 2004, 516; Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz 330 f., m.w.N.). Sie sind deshalb nicht geeignet, die Statthaftigkeit eines wiederholten Antrags auf gerichtliche AdV zu begründen.

Durch § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO wird verhindert, dass sich das Gericht wiederholt mit denselben Aussetzungsbegehren befassen muss. Diese Einschränkung gilt erst recht in der Revisionsinstanz; anderenfalls könnte durch wiederholte Aussetzungsanträge die Regelung des § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach der die Beschwerde gegen den eine Aussetzung ablehnenden Beschluss des FG nur statthaft ist, wenn das FG sie zugelassen hat.

2. Die hiernach zu fordernden Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines wiederholten Antrags auf AdV liegen im Streitfall nicht vor. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist es den Akten zu entnehmen, dass im Anschluss an die Aussetzungsentscheidungen des FG Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts oder der maßgeblichen Rechtslage bewirken könnten. Das finanzgerichtliche Urteil selbst ist kein solcher Umstand (, juris) und wird vom Antragsteller auch nicht als solcher angeführt. Ebenso wenig hat der Antragsteller geltend gemacht, vor dem FG bestimmte Umstände ohne Verschulden nicht vorgebracht zu haben. Er beruft sich vielmehr letztlich auf dieselben Tatsachen und Erwägungen wie in den bereits abgeschlossenen Verfahren wegen AdV. Damit handelt es sich um die schlichte Wiederholung eines bereits verbeschiedenen Antrags, die wegen § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht statthaft ist. Die im Übrigen mit der Revision gerügten Verfahrensmängel betreffen lediglich das gerichtliche Verfahren, nicht hingegen den angefochtenen Steuerbescheid (vgl. , BFH/NV 1998, 1115).

Der Antrag ist deshalb abzulehnen, ohne dass in diesem Verfahren auf die sachliche Berechtigung des Begehrens des Antragstellers eingegangen werden könnte.

3. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss (§ 113 FGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Gründe, die ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung im Verfahren der AdV für erforderlich erscheinen ließen, sind angesichts der Unzulässigkeit des Antrags nicht ersichtlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1499 Nr. 9
SAAAC-86057