BAG Beschluss v. - 3 AZB 37/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. b; ZPO § 9; GKG § 42 Abs. 5 Satz 1 2. Halbs.

Instanzenzug: ArbG Berlin, 2 Ca 23618/06 vom LAG Berlin-Brandenburg, 8 Sa 2231/07 vom

Gründe

I. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen hat.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers, die die Beklagte in Höhe von 185,97 Euro monatlich auszahlt.

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger mit seiner am zugestellten Klage eine Erhöhung dieser Betriebsrente ab März 2002 um 12,33 Euro und ab Februar 2005 um weitere 7,87 Euro gefordert. Er hat dort einen Zahlungsantrag gestellt und insoweit beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige 493,72 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Dieser Betrag setzt sich aus 320,58 Euro für die Zeit von Januar 2003 bis Februar 2005 (26 Monate zu je 12,33 Euro) und weiteren 173,14 Euro für die Zeit seit Februar 2005 bis Dezember 2006 (22 Monate zu je 7,87 Euro) zusammen. Ferner hat der Kläger einen Feststellungsantrag dahingehend gestellt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem Betriebsrente in Höhe von monatlich 206,17 Euro brutto zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 7.422,12 Euro - 36-facher Wert der gesamten monatlichen Betriebsrente einschließlich des streitigen Teils - festgesetzt.

Der Kläger hat dagegen ohne Einschränkung Berufung eingelegt und diese gesondert begründet. Ausweislich der Begründung macht der Kläger lediglich noch eine unterbliebene Anpassung um 12,33 Euro monatlich geltend. Insofern verlangt er eine rückwirkende Zahlung von 591,84 Euro brutto nebst Zinsen für die Jahre 2003 bis 2006 und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem Betriebsrente in Höhe von monatlich 198,30 Euro brutto zu zahlen.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beschwerdewert sei nicht erreicht und die Berufung deshalb als unzulässig verworfen. Es hat die Revisionsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Revisionsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses und die Fortsetzung des Berufungsverfahrens.

II. Die Beschwerde hat Erfolg. Sie ist nach § 77 ArbGG statthaft und in der Sache begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro, so dass der Kläger gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung einlegen kann (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG).

1. Die Wertermittlung richtet sich nach den §§ 3 bis 9 ZPO: Für die Ermittlung des Beschwerdewertes sind die Regelungen des GKG nicht einschlägig. Dieses Gesetz dient ausschließlich der Kostenerhebung ua. in Verfahren der Gerichte für Arbeitssachen (§ 1 Satz 1 Nr. 5 GKG). Die Streitwertvorschriften dieses Gesetzes dienen insoweit der Ermittlung der Gebühren (§ 3 Abs. 1 GKG). Da auch das ArbGG keine Regelungen über die Ermittlung des Beschwerdewertes enthält, gelten insoweit die Vorschriften der ZPO über die Berufung entsprechend (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG). Demnach sind in entsprechender Anwendung von § 2 ZPO für die Wertberechnung die Regeln der §§ 3 bis 9 ZPO anzuwenden.

2. Danach übersteigt der Beschwerdewert 600,00 Euro.

a) Ohne Bedeutung ist die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht. An diese Festsetzung sind die Rechtsmittelinstanzen nur gebunden, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig ist (vgl. -, zu II 1 c der Gründe; - 3 AZR 280/06 -, zu A I der Gründe). Da das Arbeitsgericht hier auch unstreitige Forderungen in die Wertberechnung einbezogen hat, ist seine Festsetzung offensichtlich unrichtig.

b) Maßgeblich für die Berechnung des Beschwerdewertes sind die Anträge des Klägers in der Berufungsinstanz, da er in der Berufungsbegründung das mit der Berufung verfolgte Begehren insoweit freiwillig beschränkt hat (vgl. - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 39 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 41, zu II 2 a der Gründe). Die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge sind allerdings nur insoweit von Bedeutung, als der Berufungskläger im Umfange des Berufungsantrages bereits durch das arbeitsgerichtliche Urteil beschwert ist (vgl. - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 32, zu II 1 b der Gründe). Ebenso wenig wie ein in der Berufungsinstanz neu eingebrachter Antrag für sich genommen zur Zulässigkeit der Berufung führt, sondern seinerseits eine - schon sonst - zulässige Berufung voraussetzt ( - EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40, zu 1 a der Gründe), kann eine in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung bei der Festlegung des Beschwerdewertes berücksichtigt werden. Im vorliegenden Falle ist deshalb maßgeblich, inwieweit der Kläger mit seinem Berufungsantrag Ansprüche weiterverfolgt hat, die er bereits vor dem Arbeitsgericht erfolglos geltend gemacht hat.

c) Bei der Berechnung des Beschwerdewertes sind dabei mehrere in der Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen (§ 5 1. Halbs. ZPO). Ansprüche in diesem Sinne sind selbständige prozessuale Ansprüche nach § 260 ZPO ( - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu I 2 b der Gründe). Wenn und soweit danach mehrere Ansprüche vorliegen, sind diese zusammenzuzählen, ohne dass Begrenzungen in Betracht kämen, soweit diese nicht in den §§ 3 bis 9 ZPO ausdrücklich vorgesehen sind.

Eine derartige Begrenzung enthält für wiederkehrende Leistungen § 9 ZPO, der einen festen Bemessungsmaßstab enthält. Der Wert berechnet sich danach nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges. Wegen des mit der Klageerhebung verbundenen natürlichen Einschnittes sind allerdings die bis zur Klageerhebung fällig gewordenen Beträge hinzuzurechnen (vgl. - NJW 1960, 1459).

Eine weitergehende Begrenzung kann - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - auch nicht dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 5 Satz 1 2. Halbs. GKG entnommen werden. Nach dieser Bestimmung werden - entgegen der allgemeinen gesetzlichen Anordnung im 1. Halbsatz dieser Regelung - die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen nicht hinzugerechnet. Diese Vorschrift ist unmittelbar nur für die Wertberechnung der Gerichtsgebühren und nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblich. Sie hat den Zweck, das Kostenrisiko in den Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen zu begrenzen und damit den Zugang zu diesen Gerichten zu erleichtern. Ihre Übertragung auf die Wertfestsetzung für die Beschwer würde das genaue Gegenteil bewirken.

Soweit ein Feststellungsantrag zu bewerten ist, kann unter Berücksichtigung des freien Ermessens nach § 3 ZPO der einschlägige Wert nur mit 80 % in Ansatz zu bringen sein.

d) Der Wert der Beschwer ist unter Anwendung dieser Grundsätze mit 734,87 Euro anzunehmen.

aa) Bei der Streitwertberechnung ist zunächst hinsichtlich der Klage auf rückständige Zahlungen die vom Kläger geltend gemachte Erhöhung von 12,33 Euro pro Monat in Ansatz zu bringen, soweit sie bereits erstinstanzlich für Zeiten vor Erhebung, also Zustellung (§ 253 Abs. 1 ZPO) der Klage geltend gemacht wurde. Das betrifft den Zeitraum von Januar 2003 bis Februar 2005, insgesamt also 320,58 Euro. Erstinstanzlich hat der Kläger ab Februar 2005 nicht mehr diesen Betrag, sondern nur noch die in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgte weitere Erhöhung um 7,87 Euro pro Monat als Zahlungsantrag geltend gemacht.

bb) Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zugrunde zu legen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut bezieht er sich erst auf Zeiträume seit dem und damit auf Zeiten, die vom Zahlungsantrag nicht mehr umfasst sind.

Für die Berechnung ist der Wert des Rechts auf wiederkehrende Leistungen nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges maßgeblich. Das ergibt 517,86 Euro (12,33 Euro x 12 x 3,5). Von diesem Wert sind, da ein Feststellungsantrag vorliegt, nur 80 %, also 414,29 Euro, anzusetzen.

cc) Insgesamt ergibt sich bei Addition beider Beträge ein Gesamtwert von 734,87 Euro. Dieser Wert übersteigt 600,00 Euro.

III. Mit der Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses wird das Verfahren wieder in der Berufungsinstanz anhängig. Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 2436 Nr. 44
NJW 2009 S. 171 Nr. 3
SAAAC-85889

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein