BFH Beschluss v. - V S 38/07

Unterbrechung des Verfahrens bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters; Anhörungsrüge nach Ablehnung der Prozesskostenhilfe

Gesetze: FGO § 133a, FGO § 142, ZPO § 240

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Senat hat durch Beschluss vom V S 17/07 (PKH) den Antrag der Klägerin, Antragstellerin und Rügeführerin (Antragstellerin) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihren Rechtsstreit als Beschwerdeführerin wegen Umsatzsteuer 1992 bis 1996 und Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Anhörungsrüge. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe im Schriftsatz vom darauf hingewiesen, aufgrund der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch Beschluss des Amtsgerichts X vom seien sowohl das erstinstanzliche Verfahren als auch das vorliegende Antragsverfahren unterbrochen gewesen. Überdies hätte dem „fristauslösenden Urteil ein entsprechendes detailliertes Merkblatt mit allen zu beachtenden Umständen des PKH-Verfahrens und dem amtlichen Fragebogen beigefügt” werden müssen. Eine unzureichende Darlegung dürfe daher nicht zu ihren Lasten gehen.

II. Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

1. Die Anhörungsrüge ist zulässig, obwohl die Antragstellerin sich nicht durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigte Person an den BFH gewandt hat (vgl. § 133a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 62a der FinanzgerichtsordnungFGO—). Der Vertretungszwang gilt zwar für die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde, nicht aber für einen beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf Bewilligung von PKH für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Weil hiernach der Vertretungszwang des § 62a FGO für das PKH-Verfahren selbst nicht gilt, gilt er auch nicht für das auf die Fortführung dieses Verfahrens gerichtete Begehren nach § 133a Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 FGO (, BFH/NV 2006, 764).

2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2, 3 FGO). Der Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Beschwerdeverfahren nicht verletzt.

Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinander setzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieser Anspruch wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324, und in BFH/NV 2007, 1094). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

a) Die Antragstellerin rügt, der BFH habe ihren Hinweis auf die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht beachtet. Bei Rechtsstreiten, die das Vermögen des Schuldners betreffen, wird das Verfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 2 der Zivilprozessordnung nur unterbrochen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis während des Verfahrens über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Diese Regelung trägt dem Wechsel der Prozessführungsbefugnis in einem laufenden Verfahren Rechnung ( (PKH), BFHE 214, 293, BStBl II 2007, 130, m.w.N.). Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung lagen nicht vor, weil die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht während des PKH-Verfahrens erfolgt ist und im Übrigen das Verfahren auch nur dann unterbrochen wäre, wenn mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden wäre (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X S 27/07 (PKH), BFH/NV 2008, 818; vom V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936).

b) Eine Belehrung über die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH ist nicht vorgeschrieben und deren Fehlen schließt deshalb ein Verschulden nicht aus (z.B. BFH-Beschlüsse vom IV S 13/94, und vom X S 14/94, jeweils BFH/NV 1995, 921; vom VIII S 8/01, BFH/NV 2002, 668). Dem um PKH nachsuchenden Beteiligten ist zuzumuten, sich über die formalen Erfordernisse ggf. beim FG oder BFH zu erkundigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX S 10/07 (PKH), BFH/NV 2007, 1918; vom X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249).

3. Die Kostenpflicht für das Rügeverfahren ergibt sich aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GerichtskostengesetzGKG— (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom , BGBl I 2004, 3220). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an. Dies gilt auch dann, wenn mit der Anhörungsrüge ein Verfahren wegen Bewilligung von PKH fortgesetzt werden soll (z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII S 25/06, BFH/NV 2007, 923; vom VII S 2/06, BFH/NV 2006, 1123).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1497 Nr. 9
AAAAC-84511