BVerwG Urteil v. - 2 C 30.06

Leitsatz

Erhält ein Ruhestandsbeamter aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag, so ist der Ruhensberechnung dieser Kapitalbetrag in voller Höhe zugrunde zu legen.

Die in § 56 Abs. 3 BeamtVG vorgeschriebene Ermittlung einer fiktiven Rente erfordert Rechengrößen, die der Gesetzgeber selbst festzulegen hat.

Bis zu einer gesetzlichen Regelung ist die Vorschrift in der Weise anzuwenden, dass das Kapital unverzinst bleibt und die Laufzeit anhand des für Frauen und Männer vom Statistischen Bundesamt festgestellten Mittelwertes der Lebenserwartung für Männer und Frauen festzulegen ist.

Gesetze: BeamtVG § 3 Abs. 1; BeamtVG § 69c Abs. 5 Satz 1; BeamtVG § 69c Abs. 5 Satz 2; BeamtVG 1992 § 56; BeamtVG 1994 § 56; BeamtVG 1994 § 57; BeamtVG 1994 § 58

Instanzenzug: VG Koblenz, VG 2 K 756/05 .KO vom OVG Koblenz, OVG 10 A 10053/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja

Gründe

I

Der Kläger war Bundesbeamter beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und wurde Ende 1997 im Alter von 58 Jahren im Range eines Oberregierungsrats in den Ruhestand versetzt.

Von 1973 bis 1980 sowie von 1987 bis 1992 war er beurlaubt und bei zwei NATO-Agenturen in München tätig. Nach dem Ausscheiden aus deren Dienst erhielt er Kapitalabfindungen in Höhe von zusammen 226 508,36 DM. Es handelte sich hierbei um Rückzahlungen von Beiträgen für den Provident Fund und das Pensionssystem der NATO. Die Beiträge waren zu zwei Dritteln vom Arbeitgeber und zu einem Drittel vom Kläger aufgebracht worden.

Nach seiner Versetzung in den Ruhestand brachte die Beklagte einen Teil der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 56 BeamtVG in Höhe von 20,62 % monatlich zum Ruhen. Anfang 2004 belief sich der Ruhensbetrag auf 919,28 €.

Mit dem angegriffenen Bescheid vom nahm die Beklagte eine Vergleichsberechnung vor und prüfte, ob sich für den Kläger bei Anwendung der maßgeblichen Übergangsvorschrift ein günstigerer Ruhensbetrag ergäbe. Zu diesem Zweck dynamisierte sie die beiden Kapitalbeträge von zusammen 226 508,36 DM (entsprechend 115 811,88 €) vom Zeitpunkt ihrer Gewährung an bis zum Eintritt des Versorgungsfalls am , indem sie die beiden Beträge prozentual um die seither eingetretenen allgemeinen Anpassungen der Versorgungsbezüge erhöhte. Daraus errechnete sie einen Gesamtkapitalbetrag von 158 633,90 €, den sie anschließend nach Maßgabe der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz in eine Rente umrechnete, wobei sich ein monatlicher Rentenbetrag von 1 203,19 € ergab. Da dieser Betrag höher lag als der bereits festgesetzte Ruhensbetrag von 919,28 €, verblieb es für den Kläger bei diesem Ruhensbetrag.

Mit seinem erfolglos gebliebenen Widerspruch und seiner Klage macht der Kläger geltend, bei der Vergleichsberechnung dürfe für die Ermittlung der fiktiven Rente nicht der Teil der Kapitalrückzahlung berücksichtigt werden, den er als Arbeitnehmer aus seinem eigenen Vermögen aufgebracht habe. Ferner dürfe bei der Berechnung der fiktiven Rente die Kapitalabfindung nicht erhöht werden, weil andernfalls Zinsen, die auch bei der Verrentung berücksichtigt würden, doppelt angesetzt würden. Bei zutreffender Berechnung liege die fiktive Rente erheblich unter dem Kürzungsbetrag von 919,28 €.

Die Klage ist in beiden Rechtszügen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt (vgl. IÖD 2006, 211 = ZBR 2006, 312 = DÖD 2007, 35):

Bei der Ermittlung des zu verrentenden Kapitalbetrages seien zu Recht auch die Beiträge des Klägers berücksichtigt worden. Dies folge unmittelbar aus dem Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG 1994, wonach im Falle der Zahlung eines Kapitalbetrages anstelle einer fortlaufenden Versorgung der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrages ergebende Betrag zugrunde zu legen sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestünden nicht. Art. 14 GG sei nicht berührt, weil die Kapitalabfindung weder in ihrem Bestand noch in ihrer Höhe entwertet werde, sondern lediglich Bestimmungsfaktor dafür sei, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die vom nationalen Dienstherrn zu gewährende Versorgung zu kürzen sei. Im Übrigen stelle für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Beamten Art. 33 Abs. 5 GG eine Sonderregelung dar, die der Eigentumsgarantie vorgehe. Auch der Alimentationsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die mit der Regelung angestrebte Vermeidung einer Doppelversorgung mit dem Kernbereich dieses Grundsatzes vereinbar sei. Dem Kläger seien bereits während seiner Entsendezeit höhere Bezüge zugeflossen, die ihn in die Lage versetzt hätten, sich an der Versorgung mit eigenen Beiträgen zu beteiligen.

Die Einwände des Klägers gegen die Dynamisierung gingen fehl. Es falle zwar auf, dass das Gesetz eine solche Dynamisierung in § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG nicht ausdrücklich anspreche, während es im nachfolgenden Satz für den Fall der Abführung bestimme, dass diese den Kapitalbetrag zuzüglich der darauf gewährten Zinsen umfasse. Der Gesetzgeber sei aber als selbstverständlich davon ausgegangen, dass derartige Abfindungen bis zum Zeitpunkt der Abführung bzw. des Eintritts des Versorgungsfalls zu dynamisieren seien. Dies ergebe sich aus dem Sinn und dem Zweck der gezahlten Kapitalabfindung, die Grundlage einer späteren Versorgung des Beamten sein solle, auf die er im Hinblick auf seine laufende Alimentierung während seiner aktiven Dienstzeit nicht zurückzugreifen brauche. Die Art und Weise dieser Dynamisierung unterliege keinen Bedenken. Auch die Verrentung, also die Umrechnung des dynamisierten Kapitals in eine fiktive monatliche Rente auf der Grundlage der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz, sei nicht zu beanstanden. Von einer doppelten Berücksichtigung angefallener Zinsen könne keine Rede sein, weil Dynamisierung und Verrentung zwei getrennt zu sehende Vorgänge darstellten.

Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom sowie die Vergleichsberechnung der Wehrbereichsverwaltung Süd vom und deren Widerspruchsbescheid vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Versorgungsbezüge des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht.

1. Nach § 56 BeamtVG sind Versorgungsleistungen, die der Versorgungsberechtigte von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung erhält oder erhalten hat, in der Weise auf die nationale Versorgung anzurechnen, dass ein Teil des Ruhegehaltes zum Ruhen zu bringen ist. Für den Kläger, der 1997 in den Ruhestand getreten ist, ist gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG der Ruhensbetrag nach § 56 BeamtVG in der bis zum geltenden Fassung zu berechnen ("BeamtVG 1992"), es sei denn, die Anwendung des § 56 BeamtVG in der bis zum geltenden Fassung ("BeamtVG 1994") ist für den Versorgungsempfänger günstiger.

Bei Anwendung des § 56 BeamtVG 1992 ruht das deutsche Ruhegehalt des Versorgungsempfängers in Höhe des Betrages, der einer Minderung des Hundertsatzes von 1,875 für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht; der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 ruht in Höhe von 2,5 vom Hundert für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr. Aus dieser Berechnungsvorschrift ergibt sich für den Kläger - unstreitig - ein Prozentsatz von 20,62 %, mit dem seine ursprünglich festgesetzten Versorgungsbezüge zum Ruhen gebracht worden sind und der einem Ruhensbetrag von 919,28 € entspricht.

Bei der nach § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG gebotenen Vergleichsberechnung ist § 56 in der bis zum geltenden Fassung ("BeamtVG 1994") anzuwenden. Nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 dieser Vorschrift ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrages, um den die Summe aus der von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung geleisteten Versorgung und dem deutschen Ruhegehalt die in Absatz 2 genannte Höchstgrenze übersteigt, mindestens jedoch in Höhe des Betrages, der einer Minderung des Vom-Hundert-Satz von 1,875 für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht; der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 ruht in Höhe von 2,5 vom Hundert für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr. Wird an Stelle einer Versorgung eine Abfindung, Beitragserstattung oder ein sonstiger Kapitalbetrag gezahlt, so findet Absatz 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der Versorgung der Betrag tritt, der vom Leistungsträger ansonsten zu zahlen wäre; wird ein Kapitalbetrag gezahlt, weil kein Anspruch auf laufende Versorgung besteht, so ist der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrages ergebende Betrag zugrunde zu legen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Verwendung oder der Berufung in das Beamtenverhältnis den Kapitalbetrag zuzüglich der hierauf gewährten Zinsen an seinen Dienstherrn abführt.

2. Der dem Kläger aus dem Vorsorgefonds der NATO zugeflossene Betrag stellt eine anderweitige Versorgung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dar ( BVerwG 6 C 14.78 - Buchholz 232.5 § 56 BeamtVG Nr. 2). In der Regelung findet der im deutschen Beamtenrecht seit langem verankerte Grundsatz seinen Ausdruck, dass ein Beamter für ein Arbeitsleben nur eine Versorgung, also aus öffentlichen Mitteln keine doppelte Alimentation erhalten soll (vgl. Urteil vom a.a.O. m.w.N.). Dabei werden Versorgungsleistungen und Leistungen "anstelle einer Versorgung", die eine internationale Einrichtung aufgrund der bei ihr geleisteten Dienste erbringt, wie Versorgungsbezüge aus deutschen öffentlichen Mitteln behandelt, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Beklagte zu den Haushalten solcher Einrichtungen laufend erhebliche Beiträge aus ihrem Staatshaushalt zu leisten hat, mit der Folge, dass die Leistungen, die diese Einrichtungen ihren Bediensteten erbringen, zu einem wesentlichen Teil mittelbar aus deutschen öffentlichen Mitteln fließen (Urteile vom a.a.O. und vom - BVerwG 2 C 19.90 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 5).

3. Bei der in Anwendung des § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG durchzuführenden Vergleichsrechnung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 ist anstelle eines prozentualen Ruhenssatzes eine fiktive Rente zu ermitteln, die dem Beamten von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung zu zahlen wäre, wäre er aus deren Diensten in den Ruhestand getreten; im Falle der Zahlung eines Kapitalbetrages ist der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrages ergebende Betrag zugrunde zu legen. Die sich dabei ergebende fiktive Rente ist mit dem nach § 56 Abs. 2 BeamtVG 1992 ermittelten Ruhensbetrag zu vergleichen; zugunsten des Versorgungsempfängers ist der niedrigere Wert maßgebend. Die Vergleichsrechnung ist nur möglich, wenn der im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand maßgebliche Kapitalbetrag und die für die Verrentung maßgeblichen mathematischen Faktoren bekannt oder ermittelbar sind.

a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass der bei Rentenbeginn maßgebliche Kapitalbetrag anhand des gesamten Kapitalbetrages zu ermitteln ist, der dem Kläger von Seiten der Versorgungssysteme der NATO ausgezahlt worden ist. Dieser Betrag belief sich unstreitig auf 226 508,36 DM (entsprechend 115 811,88 €).

In § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 ist der gesamte Kapitalbetrag gemeint, den der im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung tätige Beamte bei seinem Ausscheiden erhalten hat. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, die lediglich von "Kapitalbetrag" spricht, ohne nach dessen Bestandteilen oder Herkunft zu differenzieren. Es ergibt sich auch aus der durch Satz 2 der genannten Vorschrift eingeräumten Abwendungsbefugnis; danach kann der Beamte oder Ruhestandsbeamte das Ruhen seiner nationalen Versorgung abwenden, wenn er innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Verwendung oder der Berufung in das Beamtenverhältnis den Kapitalbetrag zuzüglich der hierauf gewährten Zinsen an seinen Dienstherrn abführt. Auch hier ist nur von einem einheitlichen Kapitalbetrag die Rede. Das folgt zudem im Umkehrschluss aus der für den Kläger anwendbar gewesenen Fassung der Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1992. Nach dieser Vorschrift konnte der Beamte oder Ruhestandsbeamte die Ruhensregelung schon dadurch abwenden, dass er den Teil des Kapitalbetrages an seinen Dienstherrn abführte, der die Rückzahlung der von ihm geleisteten eigenen Beiträge zuzüglich der hierauf gewährten Zinsen überstieg. Die besondere Erwähnung der vom Beamten geleisteten eigenen Beiträge, die er nach dieser ihn privilegierenden Vorschrift behalten durfte, wäre überflüssig gewesen, wenn sich bereits aus dem Begriff des Kapitalbetrages ergeben hätte, dass nur die Beiträge des Arbeitgebers gemeint und demzufolge abzuführen waren.

Die Einbeziehung des Abfindungsbetrages in voller Höhe ist auch systematisch gerechtfertigt. Während dem deutschen Besoldungs- und Versorgungssystem die Konzeption zugrunde liegt, dass der Beamte nur die zur amtsangemessenen Lebensführung erforderliche Alimentation erhält, aus der er weder Rücklagen für die eigene Altersversorgung zu bilden noch Beiträge für diese zu leisten braucht, gewährt die NATO dem Beamten ein aktives Gehalt, das nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts vergleichsweise höher ist, als es der bloßen Alimentation entspricht, und verpflichtet ihn im Gegenzug, aus diesem Gehalt einen Teil für die Altersversorgung abzuzweigen. Die aktiven Dienstbezüge, die der Kläger während der Zeit seiner Abordnung zur NATO erhalten hat, umfassten also bereits den von ihm abzuführenden Eigenanteil. Rechnerisch war dies dasselbe, als wenn die NATO dem Kläger ein niedrigeres Gehalt ausgezahlt und den überschießenden Betrag nicht an ihn, sondern direkt an den Pensionsfond überwiesen hätte. In beiden Fällen wird die Altersversorgung letztlich voll aus Mitteln des Dienstherrn finanziert. Der "Eigenanteil" war lediglich ein zahlungstechnischer Umweg und für den Kläger ein Durchlaufposten.

Die Einbeziehung der vom Kläger geleisteten Eigenanteile in die Berechnung des maßgeblichen Kapitalbetrages verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Beamtenversorgungsgesetzes, dass der Beamte zur Finanzierung seiner Versorgung nicht durch eigene Beiträge herangezogen werden darf. Ob dieser Grundsatz Verfassungsrang besitzt, also von Art. 33 Abs. 5 GG abgesichert ist (vgl. BVerwG 2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305 <311>), bedarf hier keiner Klärung. Denn bei der Vergleichsberechnung geht es nicht darum, den Beamten zur Finanzierung seiner Versorgung heranzuziehen; ihm wird von der Kapitalabfindung, die er von der supranationalen Einrichtung bezogen hat, nichts weggenommen. Es wird lediglich geprüft, inwieweit er unter Einbeziehung dieser Zahlung noch versorgungsbedürftig ist, mit dem Ziel, eine Überversorgung zu vermeiden und zu diesem Zweck zwei auf unterschiedlichen Ansätzen beruhende Versorgungssysteme durch Verrechnungsmethoden aufeinander abzustimmen.

Die Einbeziehung eigener Anteile bei der Ermittlung eines anzurechnenden Kapitals entspricht auch sonst der Konzeption des Bundesversorgungsgesetzes und ist vom Senat in vergleichbaren Fallgestaltungen anerkannt worden. So hat es der Senat in seinem BVerwG 2 C 4.03 - (Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 26 S. 2 ff.) gebilligt, dass nach § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG 1994 auch solche Leistungen aus einer Lebensversicherung auf die Versorgung anzurechnen sind, an deren Aufbau sich der Arbeitgeber zu weniger als der Hälfte der Einzahlungen beteiligt hat. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies gebilligt ( - ZBR 1982, 242). Die Beklagte hat somit zu Recht den vollen Kapitalbetrag in Höhe von 226 508,36 DM (entsprechend 115 811,88 €) zum Ausgangswert ihrer Vergleichsberechnung gemacht.

b) Diesen Kapitalbetrag hat die Beklagte jedoch zu Unrecht "dynamisiert", d.h. so behandelt, als sei er vom Kläger verzinslich angelegt worden und auf diese Weise im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand auf 158 633,90 € angewachsen. Die "Dynamisierung" hat im Falle des Klägers zu einer Erhöhung des bei der Vergleichsrechnung zu berücksichtigenden Kapitals um nahezu 43 000 € und damit zu einer bedeutend höheren, bei dem Vergleich heranzuziehenden fiktiven Rente geführt. Ohne "Dynamisierung" wäre die Vergleichsrente jedenfalls niedriger als der Ruhensbetrag ausgefallen, der zulasten des Klägers mit rund 919 € festgestellt worden ist. Die Dynamisierung wirkt sich daher unmittelbar mindernd auf die Höhe der effektiv zahlbaren Versorgungsbezüge des Klägers aus.

Sowohl für die Dynamisierung des Kapitalbetrages als auch für dessen anschließende Verrentung hätte es einer ausdrücklichen Regelung im Beamtenversorgungsgesetz bedurft. Eine gesetzliche Regelung, die wie § 56 BeamtVG dem Gebot des § 3 BeamtVG entsprechend für sich in Anspruch nimmt, das effektiv auszahlbare Ruhegehalt des Versorgungsempfängers auf Euro und Cent exakt zu bestimmen, muss konkrete und genaue Größen vorgeben oder auf sie verweisen, die bei der Anwendung bekannter mathematischer Verfahren einzusetzen sind. Das Versorgungsrecht ist wie das Besoldungsrecht ein Rechtsgebiet, in welchem dem Wortlaut des Gesetzes wegen der strikten Gesetzesbindung (§ 2 BBesG, § 3 BeamtVG) besondere Bedeutung zukommt. Vorschriften, die die gesetzlich vorgesehene Versorgung des Beamten begrenzen oder - wie hier - sogar reduzieren, sind grundsätzlich einer ausdehnenden Anwendung ebenso wenig zugänglich wie besoldungs- oder versorgungserhöhende Bestimmungen. Die Natur des geltenden Versorgungsrechts zieht einer ausdehnenden Auslegung enge Grenzen. Es regelt grundsätzlich die Höhe der einzelnen Bezüge, ihre Errechnung und Festsetzung in einer materiell stark differenzierten und verfeinerten Weise durch formelle und zwingende Vorschriften vielfach kasuistischen Inhalts. Eine Regelung dieser Art ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung der ausdrücklichen Regeln durch allgemeine Grundsätze nicht zugänglich (vgl. BVerwG 6 C 82.67- Buchholz 235 § 48a BBesG Nr. 2 <S. 8>). An einer derartig gesetzesimmanent vorausgesetzten Regelung fehlt es hier.

aa) Für die "Dynamisierung", also die Verzinsung des Kapitalbetrages bis zum Eintritt des Beamten in den Ruhestand und damit für die Ermittlung des letztlich maßgeblichen Kapitalbetrages fehlen derartige Größen vollständig. Sie können der Vergleichsberechnung daher auch nicht zugrunde gelegt werden.

§ 56 Abs. 3 BeamtVG 1994 enthält keinerlei Hinweis darauf, dass der von der überstaatlichen Einrichtung gezahlte Abfindungsbetrag bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beamten aus dem aktiven Dienstverhältnis zu verzinsen ist. Erst recht enthält die Vorschrift keinen Hinweis darauf, mit welchem Zinssatz dies gegebenenfalls zu geschehen hat.

Es mag, wie das Berufungsgericht angenommen hat, selbstverständlich sein oder jedenfalls der Lebenserfahrung entsprechen, dass ein Beamter einen Kapitalbetrag verzinslich anlegt, der ihm zum Zwecke seiner Versorgung zu einem Zeitpunkt zufließt, in dem er volle Dienstbezüge als aktiver Beamter erhält und auf den er demzufolge zur Bestreitung seines Lebensunterhalts noch nicht angewiesen ist. Der Gesetzgeber mag deshalb davon ausgegangen sein, dass dem Beamten nach Eintritt in den Ruhestand neben seinem nationalen Ruhegehalt noch der volle und obendrein verzinste Betrag der ihm vor Jahren zugeflossenen Abfindung zur Verfügung steht, so dass erst dessen Erträge (also die "fiktive Rente") zusammen mit dem nicht ruhenden Teil seiner Versorgungsbezüge insgesamt eine angemessene Versorgung ergeben. Irgendeinen greifbaren und vor allem praktisch handhabbaren Anhaltspunkt hat diese mögliche Annahme des Gesetzgebers aber im Gesetzeswortlaut nicht gefunden. Bei der Umstellung der Ruhensregelung von dem auf den Kläger noch anzuwendenden Vom-Hundert-Satz-System des § 56 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1992 auf das System der Anrechnung einer fiktiven Rente nach dem jetzt noch geltenden System des § 56 Abs. 3 BeamtVG 1994 hat der Gesetzgeber mit dem Begriff "Verrentung des Kapitalbetrages" lediglich ansatzweise zum Ausdruck gebracht, dass ihm ein an versicherungsmathematischen Grundsätzen orientiertes Modell vorschwebte (vgl. BTDrucks 12/5919 S. 18). Dieser Ansatz ermächtigt die Versorgungsbehörden und die Gerichte mangels jedweden gesetzlichen Maßstabs aber nicht, die für die Berechnung erforderlichen Größen nach Gutdünken zu wählen und damit dem Gesetz einen "vernünftigen" Inhalt zu geben. Der Richter darf über den der Auslegung zugänglichen Wortlaut hinaus den Gesetzgeber nicht korrigieren ( - BVerfGE 64, 389 <393> und vom - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <236> und - BVerfGE 71, 105 <115>). Aufgabe des Richters ist nicht, das Gesetz so zu gestalten, wie der eine oder andere es gern gestaltet sähe, weil er es so für richtig hielte; Sache des Richters ist vielmehr, das Gesetz so anzuwenden, wie es gestaltet ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Das verbietet es, Gedanken und Überlegungen zu verwirklichen, die - mögen sie noch so bedenkenswert sein - eben nicht Gesetz geworden sind ( - BGHSt 38, 144 Rn. 72).

Die Beklagte konnte auch nicht auf Regelungen des Gesetzgebers zurückgreifen, in denen er, wie etwa in § 58 Abs. 2 BeamtVG, in anderem Zusammenhang die Erhöhung oder Verminderung eines Kapitalbetrages um die prozentuale Änderung der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge angeordnet hat. Die teilweise kasuistischen und auf abgrenzbare Lebenssachverhalte (hier: Abwendungsbefugnis der Kürzung der Versorgungsbezüge nach einer Ehescheidung) zugeschnittenen Kürzungs- und Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes lassen sich nicht als Niederschlag eines allgemeinen und deshalb auf andere Vorschriften übertragbaren Rechtsgedankens verstehen und entsprechend verallgemeinern. Sie ließen sich auch nicht bruchlos in das Normgefüge des § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG einfügen. Sie zeigen im Gegenteil, dass, wollte man eine Verzinsung vornehmen, es hier zu einer näheren gesetzlichen Regelung bedürfte.

bb) Auch für die Ermittlung der Vergleichsrente, die durch "Verrentung" des Kapitalbetrages zu errechnen ist, fehlt es an den erforderlichen exakten normativen Vorgaben.

Unter Verrentung ist die Umwandlung eines feststehenden, in der Regel - aber nicht denknotwendig - verzinslich angelegten Kapitalbetrages in periodisch wiederkehrende Zahlungen zu verstehen. Hierbei wird regelmäßig eine Laufzeit zugrunde gelegt, die der statistischen Lebenserwartung des Rentenempfängers oder einer sonst festgelegten Zeitdauer entspricht. Renten können monatlich, halbjährlich, jährlich oder in anderen regelmäßigen Zeitabschnitten vorschüssig oder nachschüssig gezahlt werden. Bei der Verrentung eines Kapitalbetrages kommen mathematische Verfahren zum Einsatz, deren Anwendung als Ausgangsgrößen die Zahlungsperiode, die Fälligkeit, das Kapital, dessen eventuelle Verzinsung und die Rentenlaufzeit voraussetzen. Um die Vorschrift anzuwenden, bedarf die Versorgungsbehörde also klarer Anweisungen über diese Größen. Dem Gesetz lassen sich neben dem Kapital, dessen Höhe wie dargelegt ohne Dynamisierung zu ermitteln ist, durch Auslegung lediglich die Zahlungsperiode und die Fälligkeit entnehmen. Denn bei Versorgungsbezügen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine monatliche, vorschüssig zu zahlende Rente meint, wie er dies für Gehalts- und Versorgungszahlungen angeordnet hat (§ 49 Abs. 4 BeamtVG, § 3 Abs. 5 BBesG). Es fehlen dagegen gesetzliche Anweisungen, ob und gegebenenfalls welche Verzinsung des Ausgangskapitals und welche Laufzeit der Rente zugrunde zu legen sind.

Die im Gesetzgebungsverfahren erwähnten "versicherungsmathematischen Grundsätze" geben zwar das Rechenverfahren, nicht aber die dabei einzusetzenden Größen an. Diese ergeben sich auch nicht aus irgendwelchen anderweitig vorgegebenen oder als üblich gehandhabten Größen. Versicherungsgesellschaften pflegen ihren Berechnungen, mit denen sie Renten in Kapitalbeträge und Kapitalbeträge in Renten umrechnen, durchaus unterschiedliche Größen zugrunde zu legen. Überdies können sie neben den drei erwähnten Kenngrößen (Kapital, Zinssatz, Laufzeit) noch weitere Größen wie etwa Provisionen und Verwaltungskosten einbeziehen (vgl. Nehls, Zeitschrift für Schadensrecht 2004, 193); nicht zuletzt hierauf beruht ein Teil ihres Wettbewerbs. Ob ein Zinssatz von 5,5%, wie er der von der Beklagten herangezogenen Anlage 9 zum Bewertungsgesetz zugrunde liegt, auch bei der Ermittlung einer fiktiven Rente nach § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 angemessen ist, können weder die Behörde noch die Gerichte, sondern muss der Gesetzgeber entscheiden, der gemäß § 3 BeamtVG die Versorgung nach Art und Höhe durch Gesetz zu regeln hat. Nichts anderes gilt für die zugrunde zu legende Laufzeit der Rente; hier ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Sterbetafeln er zugrunde legen, ob er für Männer und Frauen unterschiedliche Werte annehmen und damit zu geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Ruhensbeträgen kommen will oder ob - wie in der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz - dem biologischen Befund Rechnung getragen werden soll, dass weibliche Beamte eine höhere durchschnittliche Lebenserwartung haben und demgemäß nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ihre fiktive Rente niedriger ausfallen müsste. Den Ruhestandsbezügen ist ansonsten eine geschlechtsspezifische Differenzierung nicht zu eigen.

c) Dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Regelung grundsätzlich erkannt hat, ergibt sich daraus, dass er in einzelnen, allerdings andere Lebenssachverhalte regelnden Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes die sich dort in vergleichbarer Weise stellenden Fragen beantwortet hat. So hat er für den Fall der Abwendungsbefugnis der Ruhensregelung (§ 56 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG 1994) zur Frage der Dynamisierung Stellung genommen und angeordnet, dass der Beamte den Kapitalbetrag "zuzüglich der hierauf gewährten Zinsen" abzuführen hat. In den auf § 56 BeamtVG 1994 unmittelbar nachfolgenden Vorschriften (§ 57 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 58 Abs. 2 BeamtVG) hat er detaillierte Angaben über die Ermittlung des maßgeblichen Kürzungs- bzw. Kapitalbetrages gemacht und dort - aber auch nur dort - eine Verzinsung des Kapitals zu den Sätzen vorgesehen, nach denen die Versorgungsbezüge angepasst werden, und zwar in § 58 Abs. 2 BeamtVG auch für die Phase der Verrentung.

4. Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, die für die Ermittlung der Vergleichsrente erforderlichen Ausgangsgrößen könnten als "selbstverständlich" dem Willen des Gesetzgebers unterstellt werden. Das Berufungsgericht hat damit die Grenzen der Gesetzesauslegung verletzt. Die Beklagte hat die vom Gesetzgeber im Beamtenversorgungsgesetz selbst nicht vorgegebenen, für einen ordnungsgemäßen Rechengang aber unentbehrlichen Kennzahlen außerhalb dieses Gesetzes vorgefundenen rechtsförmlichen Rechenvorschriften und Verwaltungsanweisungen entnommen, die für sich genommen plausibel und vernünftig sein mögen, denen jedoch teilweise der erforderliche normative Bezug zu § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 und im Übrigen die versorgungsgesetzliche Spezialität fehlt.

Bis zum Erlass der erforderlichen gesetzlichen Regelungen ist die Vorschrift daher nach dem gesetzlich angelegten Günstigkeitsprinzip (vgl. z.B. § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG) so anzuwenden, dass der Versorgungsanspruch des Klägers im geringstmöglichen Umfang geschmälert wird und zugleich der Versorgungsbehörde irgendwelche Ermessensspielräume nicht verbleiben. Bei der erneuten Vergleichsrechnung wird die Beklagte daher einen nicht dynamisierten Kapitalbetrag in Höhe von 115 811,88 € zugrunde zu legen haben. Diesen Betrag hat sie - mangels eines gesetzlich festgelegten Zinssatzes - unverzinst in eine Rente umzurechnen, bei deren Ermittlung sie die Lebenserwartung des Klägers zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand zugrunde zu legen hat. Bis zu einer gesetzlichen Regelung ist dabei der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Mittelwert zwischen den Lebenserwartungen von Frauen und Männern anzuwenden. Die sich daraus ergebende, unterhalb des festgesetzten Ruhensbetrages von 919 € liegende Vergleichsrente ist der Ruhensberechnung zugrunde zu legen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG auf 2 992 € festgesetzt.

Fundstelle(n):
HAAAC-83139