BFH Beschluss v. - I R 116/04

Kein Abzug von Verlusten einer inländischen Kapitalgesellschaft aus einer amerikanischen Betriebsstätte; Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und nicht der Kapitalverkehrsfreiheit

Leitsatz

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA USA 1989 werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen nicht nur positive, sondern auch negative gewerbliche Einkünfte i. S. von Art. 7 Abs. 1 DBA USA einer in den USA bestehenden Betriebsstätte. Der Umstand, dass § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an ersatzlos gestrichen worden ist, ändert daran nichts. Eine nationale Steuerregelung, wonach eine Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EG hat, bei der Ermittlung ihres Gewinns nicht die Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat abziehen kann, berührt vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i. S. des Art. 43 ff. EG. Für die Kapitalverkehrsfreiheit bleibt daneben kein Raum.

Gesetze: EStG § 2a Abs. 3, DBA-USA Art. 23, DBA-USA Art. 7, EG Art. 43, EG Art. 57

Instanzenzug: , F

Gründe

I. Es handelt sich um jenes Revisionsverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Beschluss vom I R 116/04 (BFHE 214, 536, BStBl II 2006, 864) sowie dem anschließenden „Stahlwerk Ergste Westig GmbH” (Der Betrieb —DB— 2007, 2747) zugrunde lag.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr 1999 an zwei Personengesellschaften US-amerikanischen Rechts beteiligt und erwirtschaftete hieraus einen Verlust, den sie nach Maßgabe von § 2a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte den Verlustabzug ab. Zur Begründung verwies das FA auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gemäß Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom DBA-USA 1989— (BGBl II 1991, 355) sowie auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften —StBereinG 1999— vom , BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13).

Die Klage gegen die dementsprechend ergangenen Steuerbescheide wies das ,F ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 538 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Verluste aus den Betriebsstätten in den USA in Höhe von . DM steuermindernd berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Das durch Beschluss des Senats in BFHE 214, 536, BStBl II 2006, 864 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzte Revisionsverfahren ist durch Senatsbeschluss vom fortgeführt worden. Der Aussetzungsgrund war entfallen, nachdem der EuGH durch Beschluss in DB 2007, 2747 über die ihm vom Senat durch jenen Senatsbeschluss in BFHE 214, 536, BStBl II 2006, 864 nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen entschieden hat.

III. Der Senat entscheidet gemäß § 126a FGO durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Die Klägerin war im Streitjahr an zwei US-amerikanischen Personengesellschaften beteiligt. Sie erwirtschaftete dadurch gewerbliche Gewinne i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA-USA 1989, die den in den Vereinigten Staaten bestehenden Betriebsstätten zuzurechnen sind und deswegen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1989 in den Vereinigten Staaten besteuert werden können (vgl. z.B. Wolff in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 USA Rz 76, m.w.N.). Einkünfte aus Quellen in den Vereinigten Staaten, die nach diesem Abkommen —wie hier nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1989— in den Vereinigten Staaten besteuert werden können, werden nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Die Gewinnermittlung richtet sich hierbei nach deutschem Recht (z.B. Senatsurteil vom I R 32/90, BFHE 165, 197, BStBl II 1992, 94).

Da sich der Begriff der Betriebsstättengewinne auf einen Nettobetrag bezieht, sind auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom I R 84/04, BFHE 214, 270, BStBl II 2006, 861; in BFHE 214, 536, BStBl II 2006, 864; vom I R 45/05, BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398; vom I R 13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795, jeweils m.w.N.), an der er auch für die mit den USA vereinbarte Abkommenslage festhält. Denn indem nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 ausdrücklich „von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Quellen in den Vereinigten Staaten…ausgenommen (werden), die nach diesem Abkommen in den Vereinigten Staaten besteuert werden können ...”, ist letztlich zweifelsfrei, dass darin nicht nur positive, sondern auch negative Einkünfte einbezogen sind (sog. Symmetriethese). Darauf baute auch die —bisherige— (innerstaatliche) Regelung des § 2a Abs. 3 EStG 1997 auf (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795). Der Umstand, dass § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/ 2002 mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999) —und damit für das Streitjahr— ersatzlos gestrichen worden ist, ändert daran nichts. Im Einzelnen bezieht sich der Senat auf seine Beschlüsse in BFHE 214, 270, BStBl II 2006, 861, in BFHE 214, 536, BStBl II 2006, 864 sowie in BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398.

2. Ob die so verstandene Abkommensregelung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, ist allerdings nach wie vor umstritten. Der erkennende Senat hat die in Rede stehende Rechtsfrage deswegen dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG bezogen auf die mit Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 gleichlautende Freistellung des Betriebsstättenverlustes in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss in BFHE 214, 270, BStBl II 2006, 861). Die dazu ausstehende Entscheidung des EuGH braucht für das vorliegende Streitverfahren jedoch nicht abgewartet zu werden. Denn eine rechtserhebliche Ausstrahlung jener Entscheidung käme für dieses Verfahren auch dann nicht in Betracht, wenn es aus Sicht der Klägerin erfolgreich wäre.

a) Da die Vereinigten Staaten kein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften sind, könnte sich ein denkbarer Gemeinschaftsrechtsverstoß von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg auf die vergleichbare Regelungslage nach dem DBA-USA 1989 nur dann auswirken, wenn es sich um einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG handeln würde und zugleich Beschränkungen jener Grundfreiheit betroffen wären, die am aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen (sog. Stand-still-Klausel, Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG). Nur dann schützt die Grundfreiheit auch den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern; die anderen Grundfreiheiten erstrecken sich demgegenüber nur auf die Mitgliedstaaten selbst.

b) Für den Streitfall hat der EuGH in seinem Beschluss in DB 2007, 2747 nunmehr entschieden, dass eine nationale Steuerregelung, wonach eine Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat, bei der Ermittlung ihres Gewinns nicht die Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat abziehen kann, vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S. des Art. 43 ff. EG berührt. Für die Kapitalverkehrsfreiheit bleibt daneben kein Raum. Etwaige beschränkende Auswirkungen jener Steuerregelung wären lediglich als zwangsläufige Folgen der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen, so dass sie keine Prüfung anhand Art. 56 ff. EG rechtfertigen.

c) Die Klägerin wendet dagegen ein, der EuGH habe die ihm gestellten Vorlagefragen des Senats nicht vollständig beantwortet, weil er in Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 lediglich eine Regelung für „normale” Betriebsstätten und weil er nicht die Besonderheiten für Betriebsstätten gesehen habe, welche durch Personengesellschaften vermittelt werden. Er sei zudem bei seiner Entscheidung von einer offenkundig falschen Auslegung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenartikels ausgegangen. Denn bei der durch eine Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte, welche für steuerliche Zwecke den einzelnen Gesellschaftern anteilig zuzurechnen sei, sei eine Beherrschungssituation möglich, jedoch nicht zwingend. Weder Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA noch § 2a EStG 1997 setzten deswegen die Beteiligung an einer Gesellschaft voraus, die es ermögliche, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Das betreffe auch die anteilig zuzurechnende Betriebsstätte, so dass die in Rede stehenden Regelungen eigenständig unter den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fielen.

Diese Einwände veranlassen den Senat in Anbetracht der konkreten Verfahrenssituation nicht dazu, abermals den EuGH anzurufen. Denn die skizzierte Problematik war dem EuGH bei seiner Entscheidung über die ihm im Streitfall gestellten Rechtsfragen bekannt und lag dieser Entscheidung zugrunde. Sie ergab sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats. Sie wurde dementsprechend auch in den beim EuGH eingereichten schriftlichen Erklärungen nach Art. 23 der Satzung des Europäischen Gerichtshofs eingehend diskutiert, so u.a. in den Erklärungen der Niederländischen Regierung vom und der Dänischen Regierung vom sowie des Vereinigten Königreichs vom . Als ausschlaggebend wurde es dabei angesehen, dass die Klägerin nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Streitfalls eine beherrschende Stellung gegenüber den amerikanischen Personengesellschaften innehatte. Insoweit stand fest, dass die betreffenden Betriebsstätten im vorliegenden Fall „vollständig Ergste-Westig gehörten” (Tz. 15 des EuGH-Beschlusses in DB 2007, 2747). Dass der Gesellschafter infolge der gesellschaftlichen Verbundenheit seinen Willen innerhalb der Gesellschaft im Einzelfall nicht uneingeschränkt durchzusetzen vermag, ändert daran nichts. Zudem hat sich der EuGH erkennbar davon leiten lassen, dass die Errichtung und das Unterhalten einer Betriebsstätte, die aus Abkommenssicht dem Gesellschafter über eine (transparente) Personengesellschaft vermittelt wird, unabhängig von dem Beteiligungsverhältnis an dieser Gesellschaft und nicht anders als die Errichtung und das Unterhalten der Betriebsstätte durch einen Einzelunternehmer oder eine Kapitalgesellschaft in aller Regel gewährleistet, dass der Gesellschafter auf die Betriebsstätte einen sicheren Einfluss im obigen Sinne nehmen kann (ebenfalls Tz. 15 des EuGH-Beschlusses in DB 2007, 2747). Damit unterscheidet sich der Sachverhalt im Ausgangspunkt wie im Ergebnis von jenem, über den der Senat in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279; s. auch z.B. „Holböck”, Internationales Steuerrecht 2007, 441) zu befinden hatte und bei dem die in Drittstaaten ausstrahlende Kapitalverkehrsfreiheit nicht von der Niederlassungsfreiheit verdrängt wurde (entgegen , BStBl I 2007, 302).

3. Auch Verstöße gegen abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote nach Art. 24 DBA-USA 1989 oder gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) scheiden aus. Die Klägerin wird als deutsches Unternehmen nicht anders besteuert als ein deutsches Unternehmen mit Betriebsstätten in einem Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ist. Die Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften ist als tragfähiger Differenzierungsgrund für eine Ungleichbehandlung anerkannt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1161 Nr. 7
DStR 2008 S. 1086 Nr. 23
DStRE 2008 S. 785 Nr. 12
GmbHR 2008 S. 1058 Nr. 19
HFR 2008 S. 710 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 6
UAAAC-79968