Erteilung der Freistellungsbescheinigung begründet keinen Vertrauensschutz, dass der Rechnungssteller kein Scheinunternehmer ist
Leitsatz
Eine Rechnung berechtigt nur dann gem. § 15 UStG zum Vorsteuerabzug, wenn sie nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellt ist und der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden hat. Der Unternehmer trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein der den Anspruch begründenden Tatsachen. An den Voraussetzungen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug hat auch die Einführung der Freistellungsbescheinigung gem. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG nichts geändert. Die Freistellungsbescheinigung ist Bestandteil des Steuerabzugsverfahrens bei Bauleistungen gem. §§ 48 ff. EStG; ihre Vorlage befreit den Leistungsempfänger lediglich von dessen Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 48 EStG. Die Erteilung der Freistellungsbescheinigung begründet keinen Vertrauensschutz dahingehend, dass der Geschäftspartner unter der benannten Adresse seinen Sitz hat und kein Scheinunternehmen ist.
Gesetze: EStG § 48b, UStG § 14a, UStG § 15
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht —wie von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vorgetragen— gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
1. Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte —abstrakte— klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und —unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur— deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 26, 32, m.w.N.).
2. Soweit der Kläger geltend macht, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob die dem Leistungsempfänger grundsätzlich obliegende Überprüfung der Richtigkeit der Geschäftsdaten des Leistenden deshalb obsolet sei, weil der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) am der rechnungsstellenden GmbH eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erteilte habe und ihm keine weitergehenden Nachprüfungspflichten aufzuerlegen seien als dem FA, ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Sie beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass Rechnungen nur dann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn die Rechnung nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellt ist und der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden hat (z.B. , BFH/NV 2005, 80, sowie , BFH/NV 2001, 941, jeweils m.w.N.). Der Unternehmer trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein der den Anspruch begründenden Tatsachen (, BFHE 127, 71, BStBl II 1979, 345).
An den Voraussetzungen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug hat auch die Einführung der Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG nichts geändert. Die Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG ist Bestandteil des Steuerabzugsverfahrens bei Bauleistungen gemäß §§ 48 ff. EStG; ihre Vorlage befreit den Leistungsempfänger lediglich von dessen Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 48 EStG (, BFH/NV 2003, 166).
Durch die Rechtsprechung ist ferner bereits geklärt, dass das UStG keinen Schutz des guten Glaubens daran vorsieht, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 941).
3. Die Beschwerde kann auch keinen Erfolg haben, soweit sie darauf abzielt, die Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG begründe Vertrauensschutz dahingehend, dass der Geschäftspartner unter der dort benannten Adresse seinen Sitz habe und kein Scheinunternehmen sei, weil das FA die Bescheinigung nur ausstellen dürfe, wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheine, was wiederum voraussetze, dass es sich bei dem Leistenden zumindest um kein Scheinunternehmen handele.
Es ist zwar in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass auch ein Vorsteuerabzugsanspruch nach § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden kann, wenn seine Nichtberücksichtigung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (vgl. BFH-Urteile in BFHE 127, 71, BStBl II 1979, 345; vom V R 85/01, BFH/NV 2003, 829, m.w.N.). Die Frage, ob die Versagung des Vorsteuerabzugs wegen des Vorliegens einer Freistellungsbescheinigung unbillig wäre, könnte aber nicht im vorliegenden Verfahren geklärt werden. Denn die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung oder einen Erlass aus Billigkeitsgründen ist Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens und kann in einem Verfahren, das allein die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes zum Gegenstand hat, nicht geprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225, und , BFH/NV 1995, 653).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1216 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2008 S. 2108
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 16
HAAAC-79271