Steuerpflicht der tageweise beim Europarat beschäftigte Konferenzdolmetscher mit inländischem Wohnsitz
Leitsatz
Vergütungen, die ein in Deutschland ansässiger und tageweise beim Europarat beschäftigter Konferenzdolmetscher für die Tätigkeit vom Europarat erhält, unterliegen der deutschen Einkommensbesteuerung. Die die Besteuerung der (Konferenz-)Dolmetscher beim Europäischen Parlament regelnden Rechtssetzungsakte der EU gelten nicht auch für den Europarat.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1, EG Art. 234
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war u.a. in den Streitjahren (1994 und 1996 bis 1998) an insgesamt 16 Tagen jeweils kurzzeitig als Dolmetscher beim Europarat beschäftigt. In dieser Zeit war er in Deutschland ansässig. Im Streit ist, ob die für seine Tätigkeit vom Europarat erhaltenen Vergütungen von der deutschen Einkommensteuer befreit sind.
II. 1. Wie der Kläger ausdrücklich klarstellend erklärt hat, betrifft sein Rechtsverfolgungsinteresse nur die Jahre, wegen derer seine Klage abgewiesen worden ist; folglich erstreckt sich seine Beschwerde sachlich nicht auf die Jahre 1992 und 1993, vielmehr ist insoweit Rechtskraft eingetreten. Die diese Jahre umfassende Bezeichnung im Rubrum der Beschwerdeschrift wie auch im Begründungsschriftsatz ist unbeachtlich; maßgeblich ist die Konkretisierung des Begehrens durch den —ggf. aus der Begründung zu entnehmenden— Antrag (vgl. zur Revision Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 7, m.w.N.; , BFH/NV 2005, 1273).
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerdebegründung bezieht sich nur auf die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Europarat. Im Übrigen —betreffend anderweitige Einkünfte aus Dolmetschertätigkeit im Streitjahr 1994— trägt der Kläger keine Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO vor.
a) Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, entspricht seine Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
aa) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Handhabung und Entwicklung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; , BFH/NV 2007, 891). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Dabei muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (ständige Rechtsprechung; s. BFH in BFH/NV 2007, 891, m.w.N.). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; in BFH/NV 2007, 891).
Soweit der Kläger Zweifel an der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Urteils anmeldet bzw. diesbezügliche Einwendungen erhebt, wird damit keine grundsätzliche Bedeutung dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können, denn das prozessuale Institut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom VIII B 125/06, BFH/NV 2007, 1630; vom VIII B 210/06, BFH/NV 2007, 2286).
bb) Außerdem ist die vom Kläger im Streitfall für bedeutsam erachtete Frage durch das (BFHE 186, 410, BStBl II 1998, 732) geklärt. Die Entscheidung hat sich eingehend mit der auch dort entscheidungserheblichen Frage der zutreffenden Auslegung des Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom —Allgemeines Abkommen— (BGBl II 1954, 494) befasst und ist in einem der Streitsache gleich gelagerten Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vergütungen, die ein in Deutschland ansässiger und tageweise beim Europarat beschäftigter Konferenzdolmetscher für die Tätigkeit vom Europarat erhält, der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegen. Die Beschwerdebegründung führt keine Stimmen aus Rechtsprechung oder Literatur an, aus denen sich ergäbe, dass diese Entscheidung umstritten wäre und ggf. aus welchem Grunde.
cc) Ausnahmsweise könnte die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache daraus folgen, dass sich die für einschlägige Sachverhalte geltende Rechtslage geändert hat und diese Änderung von der zuvor ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht bedacht wurde. So ist es im Streitfall aber nicht. Der Kläger macht sinngemäß geltend, dass die neuere Rechtsentwicklung, insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) —wegen gebotener Parallelwertung— im Streitfall eine Änderung der Rechtsprechung erzwinge. Dem ist nicht zu folgen.
Anders als der Kläger —durch das Aufwerfen einer entsprechenden Rechtsfrage— offenbar meint, sind die Regeln, die für die Behandlung der beim Europäischen Parlament tätigen Dolmetscher gelten, nicht auch auf die Dolmetscher beim Europarat anzuwenden. Ihre auch nur mittelbare Anwendung ist nicht geboten.
Der am gegründete Europarat ist institutionell nicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden. Die Anzahl seiner Mitglieder reicht mit heute 47 Staaten weit über den Kreis der Mitgliedsstaaten der EU hinaus. Die die Besteuerung der (Konferenz-)Dolmetscher beim Europäischen Parlament regelnden Rechtssetzungsakte der EU (vgl. —Rs. Gebhard/Europäisches Parlament— EuGHE II 1998, 2785: Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften s. Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, Amtsblatt der Europäischen Union —ABl EU— 1968 Nr. L 56, 1, die in Anwendung des Art. 78 der Beschäftigungsbedingungen erlassene interne Regelung des Präsidiums des Europäischen Parlaments für „freiberuflich tätige Konferenzdolmetscher”) können deshalb nicht auch für den Europarat gelten. Rechtsgrundlage der Steuerbefreiung für eine Tätigkeit beim Europarat kann nur das Allgemeine Abkommen sein, wie das Finanzgericht (FG) zutreffend erkannt hat (s. schon BFH-Urteil in BFHE 186, 410, BStBl II 1998, 732). Die Auslegung, die die rechtlichen Bestimmungen der EU durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— oder —wie in der Rs. Gebhard T-109/06— durch das EuG erfahren, kann nicht zugleich einen rechtsverbindlichen Maßstab für den außerhalb des institutionellen Rahmens der EU und bereits vor ihrer Gründung geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag des Allgemeinen Abkommens bilden.
Es trifft zwar zu, dass der BFH in seinem Urteil in BFHE 186, 410, BStBl II 1998, 732 bei seiner Auslegung der Begriffsbestimmungen in Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens unter 2. d auch einen Vergleich mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft angestellt hat und aus diesem Vergleich ein zusätzliches Argument für seine Entscheidung hergeleitet hat. Da das Urteil aber auch ohne dieses Argument von den anderen Gründen getragen wird, würde ein Wegfall dieses einen Arguments durch nachfolgende Rechtsentwicklung keine grundsätzliche Bedeutung haben.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der EuGH befunden hat, dass tageweise beschäftigte Dolmetscher grundsätzlich keine Bediensteten der Gemeinschaft im Sinne der Beschäftigungsbedingungen sind ( 43/84, Rs. Maag/ Kommission, EuGHE IV 1985, 2581 ff.) und dass erst das komplexe Zusammenwirken mehrerer europäischer Rechtsetzungsakte, darunter insbesondere die interne Regelung des Europäischen Parlaments, zu dem Ergebnis geführt hat, dass die tageweise tätigen Dolmetscher als „Hilfskräfte” im Sinne der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten anzusehen sind und deshalb mit ihren vom Parlament erhaltenen Vergütungen der Gemeinschaftssteuer unterliegen (vgl. EuG-Urteil in EuGHE II 1998, 2785).
Die Rechtslage hinsichtlich der im vorliegenden Streitfall vom Europarat geleisteten Vergütungen ist dem weder auf der Seite des Normtatbestands noch auf der Rechtsfolgeseite vergleichbar, Letzteres, weil bei einer Befreiung von der nationalen Einkommensteuer keine anderweitige Einkommensbesteuerung der Vergütungen auf internationaler Ebene erfolgen würde.
Die vom Kläger angeführte Verordnung (EG, EGKS, Euratom) Nr. 628/2000 des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften (ABl EU 2000 Nr. L 76, 1), die die Besteuerung aller bei den EG-Institutionen tageweise tätigen Dolmetscher zum Gegenstand hat, ist erst nach den Streitjahren in Kraft getreten und schon aus diesem Grund im Streitfall unbeachtlich. Der Hinweis hierauf ist wohl auch nur als eine beiläufige, der Abrundung der Argumentation des Klägers dienende Bemerkung zu verstehen.
b) Die vom Kläger gerügte Divergenz ist nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt. Dazu hätte der Kläger in der Beschwerdebegründung die tragenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der vermeintlichen Divergenzentscheidung so herausarbeiten und gegenüberstellen müssen, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 51/02, BFH/NV 2003, 212; vom VIII B 228/02, BFH/NV 2003, 1440; vom VIII B 295/04, BFH/NV 2006, 339). Insoweit fehlt der substantiierte Vortrag in der Beschwerdebegründung. Dabei bleibt schon im Unklaren, ob der Kläger eine Divergenz zu dem EuG-Urteil in EuGHE II 1998, 2785 rügen will oder eine zu dem BFH-Urteil in BFHE 186, 410, BStBl II 1998, 732. Die vom Kläger so gesehene „parallele Wertung” des Allgemeinen Abkommens und des europäischen Gemeinschaftsrechts in dem hier interessierenden Punkt ist im Übrigen in keiner der beiden in Betracht kommenden Divergenzentscheidungen tragender Entscheidungsgesichtspunkt.
c) In die Form eines Hinweises gekleidet, verlangt der Kläger in der Sache eine Vorlage des BFH an den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Dem ist nicht zu entsprechen. Eine Vorlage könnte nur im Rahmen eines Revisionsverfahrens geschehen, für das es aber aus den Gründen dieses Beschlusses am begründeten Vortrag eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO fehlt. Ob die Möglichkeit einer Vorlage im Einzelfall selbst einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO bilden könnte, kann hier schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die Beantwortung der den Kern des Streitfalls bildenden Rechtsfrage nicht in die Zuständigkeit des EuGH fällt. Anders als der Kläger meint, geht es im Streitfall auch nicht um die Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht im nationalen Recht. Im Unterschied zu der vom Kläger zitierten Entscheidung des Rs. Gmurzynska-Bscher/Oberfinanzdirektion Köln (EuGHE I 1990, 4003) gibt es im Streitfall keine Rechtsverweisung des nationalen Rechts bzw. des Allgemeinen Abkommens auf Gemeinschaftsrecht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 952 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 7
CAAAC-78292