Nachweis des erforderlichen Wissens eines auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung tätigen Steuerpflichtigen zur Bejahung der freiberuflichen Tätigkeit
Gesetze: EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Der Senat lässt offen, ob die Beschwerde den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, denn jedenfalls ist die Beschwerde —soweit nicht unzulässig— unbegründet.
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Alternative 1 FGO) liegen nicht vor.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Bei dem Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung handelt es sich um einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung. Auch dieser Zulassungsgrund setzt daher eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125; vom XI B 11/07, BFH/NV 2007, 1890, jeweils m.w.N.).
b) Eine solche Rechtsfrage stellt sich im Streitfall jedoch nicht.
aa) Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, welche Anforderungen an den Wissensnachweis eines als Informatiker bzw. Ingenieur tätigen Steuerpflichtigen, der einen förmlichen Ausbildungsgang nicht absolviert hat, zu stellen sind, um eine freiberufliche Tätigkeit („ähnlicher Beruf” i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -–EStG-) bejahen zu können. Es kann dahinstehen, ob der Klärungsbedarf —wovon offenbar der Kläger ausgeht— schon deswegen bestand, weil zwar für bestimmte Berufstätigkeiten, nicht aber speziell für die Tätigkeit als Informatiker höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Wissensanforderungen existierte. Jedenfalls hat der BFH —kurz nach Eingang der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde— nunmehr auch für einen auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) selbstständig tätigen Steuerpflichtigen geklärt, dass dieser in Breite und Tiefe ein dem Diplom-Informatiker vergleichbares Wissen nachzuweisen hat (zur Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 61, m.w.N.). Vertiefte Kenntnisse auf einem Teilgebiet des Fachstudiums reichen für eine freiberufliche Tätigkeit nicht aus (, BStBl II 2007, 781). Mehr als unerhebliche Wissensdefizite sind damit schädlich.
bb) Soweit der Kläger es unter Bezugnahme auf das (BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27) —danach sind ungenügende Kenntnisse in nur einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre für die Anerkennung einer dem beratenden Betriebswirt ähnlichen Berufstätigkeit unschädlich, wenn der Steuerpflichtige mit seinen Kenntnissen in den anderen Hauptbereichen insgesamt eine entsprechende Abschlussprüfung bestehen würde— für klärungsbedürftig hält, ob einzelne Wissenslücken eines auf dem EDV-Sektor tätigen Steuerpflichtigen ebenfalls als nicht schädlich zu betrachten sind, solange die Prüfung in einem vergleichbaren Studiengang der Informatik noch bestanden worden wäre, fehlt es an der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage. Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Finanzgerichts —FG— (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) war das Wissen des Klägers nicht nur in einem Hauptbereich unzureichend. Vielmehr fehlten ausreichende Kenntnisse in den Fächern Mathematik, physikalisch-technische Grundlagen und Betriebswirtschaftslehre. Gerade im Hinblick auf den vom Kläger selbst bevorzugten Vergleichsstudiengang der Wirtschaftsinformatik fallen die ungenügenden wirtschafts-wissenschaftlichen Kenntnisse neben den Defiziten im Kernfach Mathematik besonders ins Gewicht. Danach ist es nicht zu erwarten, dass in einem künftigen Revisionsverfahren geklärt werden kann, ob die im BFH-Urteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27 entwickelten Maßstäbe auf im EDV-Bereich tätige Steuerpflichtige zu übertragen sind.
2. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensverstoßes gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begehrt, ist die Rüge unzulässig.
a) Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels verlangt unter anderem, dass diejenigen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt (vgl. , BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
b) Nach diesem Maßstab hat der Kläger die Voraussetzungen für eine Verletzung der Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht dargetan.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellt es einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit einen Verfahrensfehler dar, wenn das FG eine Sachentscheidung trifft, obwohl es das Verfahren hätte gemäß § 74 FGO aussetzen müssen. Eine derartige Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens besteht dann, wenn das dem FG in § 74 FGO eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über die Aussetzung des Klageverfahrens auf Null reduziert ist, weil alle Erwägungen ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend für die Aussetzung des Verfahrens sprechen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 56/91, BFHE 165, 185, BStBl II 1991, 930, m.w.N.; vom XI B 152/94, BFH/NV 1996, 158).
Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Eine Aussetzung des Verfahrens setzt danach voraus, dass das andere Verfahren zumindest in bestimmter Weise rechtlich vorgreiflich für das anhängige Verfahren ist. Das ist nicht der Fall, wenn in einem Parallelverfahren oder in einem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren nur dieselbe Rechtsfrage streitig ist. Eine mit § 31 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) vergleichbare rechtliche Bindung tritt durch Musterprozesse beim BFH nicht ein (BFH-Beschlüsse vom I B 168/94, BFH/NV 1996, 222, m.w.N.; vom XI B 181/04, BFH/NV 2005, 1607; vom VIII B 89/93, BFH/NV 1995, 43).
bb) Da der Kläger die Verletzung des § 74 FGO allein darin erblickt, dass das FG den Ausgang zweier beim BFH anhängiger Revisionsverfahren zu seines Erachtens identischen Rechtsfragen nicht abgewartet hat, ergeben die in der Beschwerdeschrift bezeichneten Tatsachen den geltend gemachten Verfahrensmangel gerade nicht. Denn —vermeintliche oder tatsächliche— Musterprozesse beim BFH vermögen zwar rechtstatsächlich Einfluss auf finanzgerichtliche Klageverfahren zu nehmen, sind aber nicht rechtlich vorgreiflich i.S. des § 74 FGO, weil die Revisionsurteile des BFH —anders als die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. § 31 BVerfGG)— immer nur Bindungswirkung zwischen den Beteiligten auslösen (§§ 121 Satz 1, 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO). Da hiernach schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74 FGO im Streitfall nicht erfüllt waren, hat das FG den Aussetzungsantrag zu Recht abschlägig beschieden.
c) Sollte die diesbezüglich nicht eindeutig formulierte Beschwerde dahin zu verstehen sein, dass das FG nicht über einen vom Kläger gestellten Aussetzungsantrag, sondern über einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung verfahrensfehlerhaft entschieden habe, so fehlt es an der Darlegung, dass auch der Beklagte einen Ruhensantrag gestellt hat. Denn nur im Falle übereinstimmender Antragstellung wäre es dem FG —unter weiteren Voraussetzungen— überhaupt möglich gewesen, die Verfahrensruhe anzuordnen.
3. Soweit der Kläger einzelne Ausführungen des vom FG beauftragten Sachverständigen als unzutreffend qualifiziert, kann er hiermit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden. Er greift mit diesem Vorbringen, ohne einen bestimmten Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schlüssig geltend zu machen, die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG an. Darin ist die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung zu sehen, die aber grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289). Denn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. , BFH/NV 2000, 874).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 940 Nr. 6
LAAAC-76523