Keine zeitanteilige Kürzung des Vorwegabzugs bei Zukunftssicherungsleistungen; Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Versicherungsbeiträgen im Veranlagungszeitraum 1995
Leitsatz
1. Dass die Kürzung des Vorwegabzugs bei Zukunftssicherungsleistungen nicht zeitanteilig erfolgt, wenn der Arbeitgeber entsprechende Leistungen nur zeitweise erbracht hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist im Massenverfahren der Steuererhebung befugt, typisierende Regelungen zu treffen.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde, eine ungenügende Berücksichtigung von Beiträgen zum Anwaltsversorgungswerk, zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen für den Veranlagungszeitraum 1995 geltend macht, fehlt vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Alterseinkünftegesetz die hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. und 2 BvR 410/05).
3. Zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des - geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum zu sorgen. Vor diesem Hintergrund kann keine für das Streitjahr 1995 günstigere Regelung erreicht werden.
(Leitsätze nicht amtlich)
Gesetze: EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. aEStG § 3 Nr. 62
Instanzenzug: , BFHE 200, 548, BStBl II 2003, 288Schleswig-Holsteinisches , EFG 2000, 1315 (Verfahrensverlauf),
Gründe
1. a) Die Beschwerdeführer sind zusammenveranlagte Ehegatten. Sie haben drei nach § 32 EStG berücksichtigungsfähige Kinder. Der Beschwerdeführer hat außerdem einen Sohn, dem er unterhaltspflichtig ist. Im Streitjahr 1995 erzielte der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG. Die Beschwerdeführerin erzielte in geringem Umfang ebenfalls Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG. Vorwiegend war sie jedoch als Angestellte tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Seit dem war sie ausschließlich in einem Beschäftigungsverhältnis nichtselbständig tätig, aufgrund dessen eine inländische Sozialversicherungspflicht nicht bestand. Bei der Einkommensteuer machten die Ehegatten Vorsorgeaufwendungen geltend, und zwar Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge des Ehemanns zum Anwaltsversorgungswerk, Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen sowie Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungsbeiträge. Das Finanzamt begrenzte den Abzug der Vorsorgeaufwendungen der Höhe nach unter Anwendung von § 10 Abs. 3 EStG. Dabei wurde der den Ehegatten gemeinsam zustehende Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 16% der ganzjährigen Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit gekürzt. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Schleswig-Holsteinische - (EFG 2000, S. 1315) teilweise statt, soweit die im zweiten Halbjahr bezogenen Einkünfte der Ehefrau in die Kürzung des Vorwegabzugs mit einbezogen wurden. Auf die Revision des Finanzamts wurde das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen ( -, BStBl II 2003, S. 288 = BFHE 200, 548).
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer mehrere Grundrechtsverstöße. Die nach § 10 Abs. 3 EStG abzugsfähigen Höchstbeträge genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuerfreiheit des Existenzminimums. Außerdem verstoße es gegen das Rechtsstaatsprinzip, dass die Kürzung des Vorwegabzugs nicht lediglich zeitanteilig für das erste Halbjahr 1995 erfolgte, in dem die Ehefrau der inländischen Sozialversicherungspflicht unterlag.
c) Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen.
2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit es insbesondere um Beiträge zum Anwaltsversorgungswerk sowie zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen geht, fehlt der Verfassungsbeschwerde vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) vom (BGBl I S. 1427) die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des und 2 BvR 410/05 - verwiesen.
b) Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des - geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum zu sorgen. Vor diesem Hintergrund können die Beschwerdeführer keine für das Streitjahr 1995 günstigere Regelung erreichen. Ihnen war insoweit lediglich eine teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zuzusprechen (§ 34a Abs. 3 BVerfGG).
c) Auch soweit sich die Beschwerdeführer dagegen wenden, dass die Kürzung des Vorwegabzugs nicht zeitanteilig erfolgt, hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg. Der Gesetzgeber ist im Massenverfahren der Steuererhebung befugt, typisierende Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; 112, 268 <280 f.>). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte des § 10 Abs. 3 EStG (vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 -). Die hierzu vom Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung gemachten Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2008 S. 244 Nr. 3
HFR 2008 S. 751 Nr. 7
CAAAC-75781