BFH Beschluss v. - I S 1/07

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Senat hat eine vom Rügeführer eingelegte Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg zurückgewiesen. Diese Entscheidung, der ein dieselbe Sache betreffender Gerichtsbescheid vorausgegangen war, erging gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (Senatsbeschluss vom I R 51/04, juris). Mit seiner gegen diesen Beschluss gerichteten Anhörungsrüge macht der Kläger geltend, dass ihm in folgenden Punkten das rechtliche Gehör versagt worden sei:

(1) Voraussetzungen für die Anwendung des § 126a FGO; (2) Behandlung der Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn die Finanzbehörde einen erstmals ohne den Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheid nicht innerhalb der in § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO) genannten Frist in einem Folgebescheid auswertet; (3) die Anwendbarkeit des § 177 AO auf den entschiedenen Fall überhaupt und die Art und Weise seiner Anwendung.

Der Rügegegner (das Finanzamt —FA—) hat sich zu der Anhörungsrüge nicht geäußert.

II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Der Senat hat dem Rügeführer nicht das rechtliche Gehör versagt.

1. Nach § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss das Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO). Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; bei der Entscheidung des Gerichts über die Rüge können nur diejenigen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die innerhalb dieser Frist geltend gemacht worden sind.

2. Im Streitfall rügt der Rügeführer zunächst, dass der Senat über die Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden habe, ohne die von ihm —dem Rügeführer— geäußerten Bedenken gegen diese Vorgehensweise zur Kenntnis zu nehmen. Diese Rüge ist unbegründet.

Die vom Senat gewählte Verfahrensweise beruht auf § 126a Satz 1 FGO. Danach kann über eine Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) sie einstimmig für unbegründet hält. Dazu hatte der Rügeführer auf einen entsprechenden Hinweis hin zwar vorgetragen, dass für ein Verfahren nach § 126a Satz 1 FGO im Streitfall kein Raum sei, da ein außergewöhnlich schwieriger Fall zu beurteilen sei. Der Senat hat in dem nunmehr gerügten Beschluss jedoch ausgeführt, das von ihm gewählte Verfahren werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass es um zahlreiche und zum Teil nicht abschließend geklärte Fragen gehe. Diese Wendung bezieht sich erkennbar auf die zuvor vom Rügeführer geäußerten Bedenken, die der Senat mithin zur Kenntnis genommen und in seine Überlegungen einbezogen hat. Damit ist dem Anspruch des Rügeführers auf Gehör in diesem Punkt genügt. Eine inhaltliche Überprüfung der vom Senat vertretenen Ansicht kann nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 133a FGO sein (BFH-Beschlüsse vom IX S 13/06, BFH/NV 2007, 1340; vom V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667). Dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag des Rügeführers, der Senat hätte den Rechtsstreit dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorlegen müssen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom V S 22/06, V S 23/06 (PKH), BFH/NV 2007, 920; vom VII S 8,9,10/07, BFH/NV 2007, 1347).

3. Sodann rügt der Rügeführer, der Senat habe den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Der gerügte Beschluss verhalte sich zwar zu der Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn zunächst ein Grundlagenbescheid innerhalb der Frist des § 171 Abs. 10 AO in einem Folgebescheid ausgewertet wird und im weiteren Verlauf die fristgerechte Auswertung eines geänderten Grundlagenbescheids unterbleibt. Der Streitfall sei aber dadurch gekennzeichnet, dass in einzelnen Sachverhaltsgestaltungen überhaupt kein Grundlagenbescheid fristgerecht ausgewertet worden sei. Diese Rüge geht ebenfalls fehl.

In dem gerügten Beschluss ist ausgeführt, dass der Streitfall die steuerliche Behandlung von Einkünften des Rügeführers aus mehreren Beteiligungen betreffe. Sodann heißt es dort, es gehe dabei „zum einen um Gestaltungen, in denen schon die erstmalige Auswertung von Grundlagenbescheiden nach Ablauf der…Frist erfolgte”. Das ist die nunmehr vom Rügeführer angesprochene Situation, deren Vorliegen der Senat mithin ersichtlich erkannt hat. Er hat sodann ausgeführt, dass das FA und das FG die nicht fristgerechte Auswertung aller Grundlagenbescheide nach denselben Regeln behandelt hätten wie diejenigen Gestaltungen, bei denen zunächst ein Grundlagenbescheid fristgerecht ausgewertet worden war. Angesichts dessen besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass er die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Konstellationen nicht erkannt oder nicht berücksichtigt hätte. Der Sache nach macht der Rügeführer denn auch vor allem geltend, dass die von ihm bezeichneten Vorgänge in dem gerügten Beschluss rechtsfehlerhaft behandelt worden seien, womit er in diesem Verfahren jedoch nicht gehört werden kann.

4. Im Ergebnis dasselbe gilt, soweit es um die Beteiligungen des Rügeführers an der F-GmbH & atypisch stille Gesellschaft (F) und der A-KG geht. Der Senat hat den in der Anhörungsrüge bezeichneten Vortrag des Rügeführers zu diesen Punkten zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidungsfindung einbezogen. Er hat zwar im Verfahren nach § 126a FGO keinen Anlass gesehen, auf sämtliche Ausführungen einzeln einzugehen, und hält daran auch für den Bereich des Verfahrens nach § 133a FGO fest. Letztlich hat er aber weder die Überlegungen des Rügeführers zur Nichtigkeit eines vom Finanzamt X (FA X) erlassenen Feststellungsbescheids (Beteiligung F) noch diejenigen zur Bedeutung des Nachprüfungsvorbehalts und seiner Aufhebung (Beteiligung A-KG) für geeignet gehalten, der Revision zum Erfolg zu verhelfen. Die gegenteilige Einschätzung des Rügeführers ist unzutreffend, seine inhaltliche Auseinandersetzung mit der gerügten Entscheidung auch hinsichtlich dieser Punkte im vorliegenden Verfahren nicht statthaft.

5. Die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Rügeführers zur Anwendung des § 177 Abs. 3 AO hat der Senat bei seiner Entscheidung ebenfalls berücksichtigt. Er hat zwar die dazu geäußerte Einschätzung des Rügeführers nicht geteilt und sich deshalb der einschlägigen Rechtsprechung des II. Senats des , BFHE 214, 105, BStBl II 2007, 87 sowie die weiteren im gerügten Beschluss zitierten Entscheidungen) angeschlossen. Dadurch wird der Rügeführer aber nicht in seinem Recht auf Gehör verletzt, da dieses keinen Anspruch darauf gewährt, dass das Gericht dem Vortrag des Beteiligten inhaltlich folgt.

6. Schließlich waren auch die weiteren Ausführungen des Rügeführers im Zusammenhang mit § 177 Abs. 3 AO dem Senat bei seiner Entscheidung bekannt und bewusst. Das gilt namentlich im Hinblick auf den Vortrag zur Berechnung des „Fehlersaldos” und die dazu vorgelegten Aufstellungen. Der Senat ist insoweit jedoch dem FA gefolgt, das u.a. darauf abgestellt hat, dass der vom Rügeführer für nichtig erachtete Feststellungsbescheid des FA X in einem Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigt war und dass sich daraus ein zugunsten des Rügeführers zu korrigierender Rechtsfehler im Umfang von 1 000 093 DM ergab. Dieser Wert musste deshalb in die nach § 177 Abs. 3 AO vorzunehmende Berechnung einfließen. Eine Verletzung des Rechts auf Gehör kann aus dieser Handhabung nicht abgeleitet werden.

Fundstelle(n):
YAAAC-74459