BSG Urteil v. - B 8/9b SO 20/06 R

Leitsatz

Das aus dem Blindengeld angesparte Guthaben ist bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

Gesetze: BSHG § 77 Abs 1 S 1; BSHG F: § 88 Abs 1 ; BSHG F: § 88 Abs 2 ; BSHG F: § 88 Abs 3 S 1 ; SGB XII F: § 83 Abs 1 ; SGB XII F: § 90 Abs 1 ; SGB XII F: § 90 Abs 2 ; SGB XII F: § 90 Abs 3 S 1 ; SGB X § 39 Abs 2; SGG F: § 96 Abs 1 ; SGG § 101 Abs 1; SGG § 162; VwGO § 106 S 1; VwGO § 106 S 2; GHBG NW § 1 Abs 1 S 1

Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 20 SO 1/05 vom SG Aachen, S 20 SO 7/05 vom

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung von durch Blindengeld angespartem Vermögen bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum vom bis 31. März 2005.

Der Kläger erhält seit dem Blindengeld nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Hilfe für Blinde und Gehörlose (GHBG). Von dem monatlich gezahlten Blindengeld legte er ab Januar 2003 200,00 € in einem Fonds an; weitere Beträge zahlte er auf ein Sparbuch ein. Am beantragte er bei dem Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das aus dem Blindengeld angesparte Vermögen 8.912,03 €.

Der Beklagte gewährte dem Kläger für die Zeit von April bis Juli 2004 eine monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 572,54 € (insgesamt 2.290,16 €). Die Bewilligung und Zahlung erfolgte vorläufig und vorbehaltlich einer späteren endgültigen Festsetzung monatlich vorschussweise bis zum Abschluss der Prüfung über den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens sowie unter dem Vorbehalt der Rückforderung (Bescheide vom und vom ). Mit Bescheid vom (Widerspruchsbescheid vom ) lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem BSHG mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 7.633,03 € (Spar- und Fondsguthaben in Höhe von insgesamt 8.912,03 € abzüglich des Vermögensfreibetrages in Höhe von 1.279,00 €), welches er zur Deckung seines Bedarfes vorrangig einzusetzen habe. Die bisher erhaltenen Leistungen in Höhe von 2.290,16 € seien zu erstatten.

Im Rahmen eines Eilverfahrens schlug das Verwaltungsgericht (VG) die darlehensweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem vor (Beschluss vom ). Ziffer 1 und 4 des Vergleiches lauten:

"1. Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller für die Zeit ab zunächst bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom so lange regelsatzmäßige Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen gemäß § 89 BSHG, wie das vom Antragsgegner zugrunde gelegte verwertbare Vermögen des Antragstellers in Höhe von 7.633,03 € noch nicht verbraucht ist.

Sollte der Widerspruch ohne Erfolg bleiben und der Kläger hiergegen klagen, verlängert sich die Praxis der darlehensweisen Hilfegewährung bis zum Verbrauch des Vermögens bzw. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

4. Der Antragsgegner wird die darlehensweise Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in einen Zuschuss umwandeln, wenn sich im Laufe des Widerspruchsverfahrens bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung in einem Klageverfahren ergeben sollte, dass die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht von der Inanspruchnahme des vorgenannten Vermögens abhängig gemacht werden durfte. Für diesen Fall wird er" auf "die Rückforderung der in der Zeit vom 1. April bis zum geleisteten Hilfe verzichten und die Hilfe für die Zeit vom 1. bis zum nachzahlen."

Der Beklagte zahlte dem Kläger in Ausführung des übereinstimmend angenommenen Vergleiches Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bzw ab nach dem SGB XII als Darlehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Während das Sozialgericht (SG) den Beklagten "unter Aufhebung des Bescheides vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom sowie der Bescheide vom , und verurteilt" hat, "dem Kläger die für die Zeit vom bis zum unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu belassen" (), hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG "geändert" und die Klage abgewiesen (). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, das oberhalb der Schongrenze vorhandene Vermögen des Klägers sei von diesem einzusetzen bzw zu verwerten. Dies stelle keine Härte im Sinne von § 88 Abs 3 BSHG bzw § 90 Abs 3 SGB XII dar. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Blindengeld seinem Sinn nach dem Blinden einen Ausgleich für die durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bieten solle und darin auch die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse des Blinden enthalten sei, seien die Voraussetzungen eines Härtefalls nicht erfüllt. Ein Vergleich mit der Freistellung des Schmerzensgeldes vom Vermögenseinsatz verbiete sich wegen der erheblichen Unterschiede zwischen Schmerzensgeld und Blindengeld. Sinn und Zweck des Blindengeldes sei es vornehmlich, konkrete und aktuelle Bedarfslagen zu befriedigen. Der Einsatz der zur Verfügung gestellten Mittel sei im zeitlichen Zusammenhang zur Bewilligung vorzunehmen. Verwende der Hilfeempfänger die zweckgerichteten und für einen monatlichen Zeitraum zur Verfügung gestellten Mittel nicht, so bewirke dies nicht, dass ihm das Recht erwachse, über die Summe zunächst nicht eingesetzter Mittel in Zukunft frei zu verfügen. Dies widerspreche den Leitvorstellungen des Gesetzes.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 88 Abs 3 Satz 1 BSHG bzw § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII. Zur Begründung führt er aus, das einkommensunabhängig gewährte Blindengeld solle Mehraufwendungen, die durch die Blindheit bedingt seien, decken. Es entspreche der Zweckbestimmung des Blindengeldes, das Blindengeld anzusparen, um auch größere Anschaffungen, die wertmäßig über dem monatlichen Zahlbetrag lägen, tätigen zu können. Dieser Zweck könne nicht mehr erreicht werden, wenn das mit Ablauf des Zahlmonats noch vorhandene Blindengeld zu verwertbarem Vermögen werde. Andernfalls würde dies eine Benachteiligung blinder Sozialhilfeempfänger gegenüber Blinden, die nicht sozialhilfebedürftig seien, darstellen.

Der Kläger beantragt,

unter entsprechender Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die Klage gegen den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom abgewiesen und insoweit das Urteil des SG aufgehoben hat.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Entscheidung des LSG sei nicht zu beanstanden.

II

Die Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Das LSG hat zu Unrecht die Bescheide des Beklagten bestätigt; der Verwertung bzw dem Einsatz des durch Blindengeld angesparten Vermögens steht die Härtefallregelung des § 88 Abs 3 Satz 1 BSHG bzw des § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII entgegen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nur) der Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom . Die Bescheide vom , und vom sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Weder ersetzen sie als Ausführungsbescheide zu dem vor dem VG geschlossenen Vergleich den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2005, noch ändern sie diesen ab (vgl BSGE 9, 169, 170; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 191 f und BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 10 S 46). Sie tragen lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung dem vor dem VG geschlossenen Vergleich Rechnung (vgl ). Ebenso wenig erledigen sie den ursprünglichen Ablehnungsbescheid (teilweise) gemäß § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Sie sind vielmehr lediglich vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung getroffen (vgl BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 10 aaO). Mit dem das Verfahren abschließenden Urteil verlieren alle Ausführungsbescheide ihre Wirkung, sodass neue Bescheide für den gesamten streitbefangenen Zeitraum erlassen werden müssen. Dies gilt nicht nur dann, wenn das vorinstanzliche Urteil im Ergebnis bestätigt und die Beklagte durch das Rechtsmittelgericht verpflichtet wird, die Neubescheidung an den von ihm vorgegebenen Maßstäben vorzunehmen (SozR 3-2500 § 85 Nr 27 aaO), sondern unabhängig von Ausgang und vom Inhalt des das Verfahren abschließenden Urteils (BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 10 aaO).

Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Die Aufhebung des angegriffenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides hat den Anspruch auf Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt aus Ziffer 4 des durch Beschluss vom von dem VG vorgeschlagenen und von den Beteiligten angenommenen Vergleiches (vgl § 106 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>) zur Folge, sodass es keiner mit der Anfechtungsklage kombinierten (zusätzlichen) Leistungsklage bedarf; denn der Beklagte hat sich in Ziffer 4 des Vergleiches verpflichtet, abhängig von einem für den Kläger positiven Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits die darlehensweise Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in einen Zuschuss umzuwandeln, für diesen Fall auf die Rückforderung geleisteter Hilfe zu verzichten und die für die Zeit vom 1. bis zum bislang nicht gewährte Hilfe nachzuzahlen. Der streitige Zeitraum ist dabei auf die Zeit vom bis zum 31. März 2005 beschränkt, nachdem der Kläger für die Zeit ab 1. April 2005 keine Leistungen mehr begehrt.

Im Streit ist nur noch die Frage, ob die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes durch den Beklagten zunächst von der Inanspruchnahme oder dem Einsatz des aus dem Blindengeld erworbenen Vermögens abhängig gemacht werden kann. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl: BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 3; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 8; BSGE 95, 191, 193 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 S 4). Jedoch besteht die Möglichkeit, Teilelemente durch Teilvergleich oder Teilanerkenntnis "unstreitig zu stellen" (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 aaO; - RdNr 15). Dies ist hier durch die Annahme des durch Beschluss vom von dem VG vorgeschlagenen Vergleiches (vgl § 106 Satz 2 VwGO) geschehen. Ziffer 4 dieses Vergleiches ist so auszulegen, dass bis auf die Frage des Einsatzes des Vermögens alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach erfüllt sind und die Beteiligten sich hierüber einig sind.

Das aus dem Blindengeld angesparte Guthaben des Klägers ist nicht als verwertbares oder einzusetzendes Vermögen nach § 11 Abs 1 S 1 BSHG iVm §§ 21 ff, 88 BSHG bzw § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 27 ff, 90 SGB XII bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen. Nicht zu entscheiden hatte der Senat, inwieweit aus dem Blindengeld angespartes Vermögen bei der Gewährung anderer (Sozialhilfe-)Leistungen Berücksichtigung findet. Nach der Grundregel des § 88 Abs 1 BSHG/§ 91 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch <SGB> vom - BGBl I 3022) ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Das Vermögen des Klägers (Sparguthaben in Höhe von 5.493,38 € und Fondsanteile in Höhe von 3.478,65 €) ist - sieht man von dem Schonbetrag nach § 88 Abs 2 Nr 8 BSHG/§ 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII ab - nicht nach § 88 Abs 2 BSHG/§ 90 Abs 2 SGB XII, privilegiert. Der Einsatz oder die Verwertung des angesparten Blindengeldes kann von dem Kläger aber nicht erwartet oder verlangt werden, weil dies für ihn eine Härte bedeuten würde (§ 88 Abs 3 Satz 1 BSHG/§ 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom , BGBl I 3022). Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 88 Abs 2 BSHG/§ 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh, das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten. Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regeln § 88 Abs 3 BSHG/§ 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 88 Abs 2 BSHG/§ 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs 2 BSHG/§ 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen (vgl: BVerwGE 23, 149, 158 f; Brühl in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII <LPK-SGB XII>, 7. Aufl 2005, § 90 RdNr 72; Lücking in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB XII, K § 90 RdNr 69, Stand Dezember 2005; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 90 RdNr 75; Zeitler in Mergler/Zink, BSHG, 5. Aufl, § 88 RdNr 66). Eine Härte liegt danach vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie zB die Art, Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter, der Familienstand oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BVerwGE 32, 89, 93; Brühl, aaO, § 90 RdNr 73; Zeitler, aaO, § 88 RdNr 66). Zwar spielt dabei die Herkunft des Vermögens regelmäßig keine entscheidende Rolle (BVerwGE 47, 103, 112; Brühl, aaO, § 90 RdNr 78; Sartorius in Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Aufl 2005, Teil III Kap 14 RdNr 69), dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In Einzelfällen kann die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen kann.

Dies hat die Rechtsprechung insbesondere in Fällen angenommen, in denen anrechnungsfreies Einkommen angespart wurde oder aus entsprechenden Nachzahlungen resultierte (vgl etwa BVerwGE 45, 135 ff bei Vermögen, das aus einer Grundrentennachzahlung stammt; BVerwGE 105, 199 ff bei angespartem Erziehungsgeld für die Dauer des gesetzlichen Förderungszeitraums). Die Herkunft des Vermögens ist auch bei angespartem Landesblindengeld nicht ohne Bedeutung und rechtfertigt im Zusammenspiel mit weiteren Erwägungen die Feststellung, dass die Verwertung des angesparten Blindengeldes eine Härte für den Kläger bedeuten würde. Dabei ist zunächst zu beachten, dass das Blindengeld zum Zeitpunkt des Zuflusses als zweckbestimmte Leistung nach § 77 Abs 1 Satz 1 BSHG/§ 83 Abs 1 SGB XII (in der Fasung des Gesetzes vom - BGBl I 3022) nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Nach diesen Vorschriften sind Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als diese zur Hilfe im Einzelfall demselben Zweck dienen. Während die Sozialhilfe der Sicherung des Lebensunterhaltes dient (§ 1 Abs 1 BSHG/§ 1 Satz 1 und 2 SGB XII), dient das Landesblindengeld nach § 1 Abs 1 GHBG des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) vom (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW 1997, 430) dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen (vgl BVerwGE 58, 265 ff).

Der Senat ist nicht wegen Irrevisibilität dieser Regelung (§ 162 SGG) an einer eigenen Prüfung gehindert, ob sie vom LSG richtig ausgelegt worden ist (§ 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung). Denn revisibel sind landesrechtliche Vorschriften auch dann, wenn - wie hier - inhaltlich gleiche Vorschriften in Bezirken verschiedener Landessozialgerichte gelten und diese Übereinstimmung nicht zufällig, sondern bewusst und gewollt ist (vgl BSG SozR 3-5920 § 1 Nr 1; BSG SozR 4-5921 Art 1 Nr 1). Vorliegend geht es um die Zweckbestimmung in § 1 Abs 1 GHBG. Die Vorschrift entspricht wortgleich Regelungen anderer Bundesländer; das GHBG ist zudem wie auch die Regelungen anderer Länder (vgl nur für das Saarland und Niedersachsen BSG, aaO) ausdrücklich nach seinen Anspruchsvoraussetzungen der Blindheitshilfe nach dem BSHG (vgl §§ 67 Abs 1, 76 Abs 2a) angepasst (vgl Drucks 9/1244 des Landtags NRW S 4; Drucks 11/3080 des Landtags NRW, S 31; Drucks 12/2340 des Landtags NRW, S 35, 37). Abgesehen davon hat das LSG das Landesrecht nicht als solches ausgelegt, sondern allgemein auf die Zwecke des Blindengeldes abgestellt.

Der Zweck des Blindengeldes allein rechtfertigt es zwar noch nicht, den Einsatz oder die Verwertung des aus Blindengeld angesparten Vermögens als objektive Härte anzusehen. Hinzu kommt aber, dass das Landesblindengeld unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gezahlt wird. Dieser Umstand und die Tatsache, dass es pauschal ohne Rücksicht auf einen im einzelnen Fall nachzuweisenden Bedarf gezahlt wird, lassen nämlich den Schluss zu, dass der Gesetzgeber mit dem Blindengeld nicht allein einen wirklichen oder erfahrungsgemäß vorhandenen wirtschaftlichen Bedarf (typisierend) steuern, sondern mit dem Blindengeld auch Mittel zur Befriedigung laufender und immaterieller Bedürfnisse des Blinden ermöglichen wollte. Hierdurch wird dem Blinden die Gelegenheit eröffnet, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen (BSG SozR 3-5922 § 1 Nr 1 S 4; BVerwGE 32, 89, 91 f - zur Blindenhilfe). Dabei bleibt es dem Blinden überlassen, welchen blindheitsbedingten Bedarf er mit dem Blindengeld befriedigen will. Art und Umfang des Bedarfs hängen auch von seinen persönlichen Wünschen ab. Ob der Blinde das Blindengeld tatsächlich bestimmungsgemäß verwendet, ist dabei nicht zu prüfen ( - FEVS 17, 256). Darüber hinaus gibt das GHBG keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass das Blindengeld für die blindheitsbedingten Mehraufwendungen des laufenden Monats oder jedenfalls zeitnah zu solchen Aufwendungen einzusetzen ist.

Angesichts der Tatsache, dass Art und Umfang des Bedarfs auch von den persönlichen Wünschen des Blinden abhängen, liegt es auf der Hand, dass eine zweckentsprechende Verwendung auch dann gegeben ist, wenn der Blinde eine Anschaffung in höherem Wert tätigt, die nicht durch das laufende Blindengeld, sondern nur durch ein Ansparen ermöglicht werden kann. Wenn sich weder der blindenspezifische Mehraufwand verbindlich und abschließend umschreiben lässt, ein solcher Mehraufwand sogar gänzlich fehlen kann, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen hierfür entfallen (BSG SozR 4-5921 Art 1 Nr 1 S 3), noch ein Nachweis über die bestimmungsgemäße Verwendung gefordert werden kann, so kann von dem Blinden auch nicht verlangt werden, dass aus dem angesparten Blindengeld zu tätigende größere Anschaffungen bereits konkret in die Wege geleitet worden sind, wie das LSG andeutet. Das angesparte Blindengeld wird also, wenn es nicht verbraucht wird, nicht zweckneutral, sondern dient auch weiterhin dem blindheitsbedingten Mehrbedarf, dessen Art und Umfang von den persönlichen Wünschen des Betroffenen abhängen, ohne dass geprüft werden dürfte, ob es tatsächlich bestimmungsgemäß verwendet wird. Dies gilt jedenfalls so lange die Blindheit fortbesteht; ist dies nicht mehr der Fall, kann auch das aus dem Blindengeld angesparte Vermögen keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen mehr befriedigen. Blindheitsbedingte Mehraufwendungen können dann nicht mehr auftreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Fundstelle(n):
XAAAC-74387