BFH Beschluss v. - VII B 72/07

Darlegung eines Verfahrensfehlers; Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 2 K 185/01

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer einer in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführten Firma (GmbH). Auf die von den Klägern beantragte Gesamtvollstreckung über das Vermögen der GmbH wurde die Sequestration angeordnet, eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens später mangels Masse abgelehnt.

Mit Haftungsbescheiden vom nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Kläger wegen erheblicher Abgabenschulden der GmbH in Anspruch. Die Haftungsinanspruchnahme stützte das FA auf die Stellung der Kläger als Geschäftsführer der GmbH in den entsprechenden Haftungszeiträumen (§ 69 i.V.m. § 34 der AbgabenordnungAO—).

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG). Im Laufe der mündlichen Verhandlung reduzierte das FA die Haftungssumme um jeweils 56 598 DM. Die in diesem Umfang reduzierte Klage blieb ohne Erfolg. Das FG urteilte, die Kläger könnten mit ihrem Einwand, die Umsatzsteuerfestsetzungen sowie die Rückzahlung der Investitionszulage seien rechtswidrig und das FA habe über die Einsprüche gegen die angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide nicht entschieden, nicht mehr gehört werden. Insoweit lägen bestandskräftige Bescheide vor, die die Kläger nach § 166 AO gegen sich gelten lassen müssten. Den Klägern als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern sei es möglich und zumutbar gewesen, fristgerecht Klage gegen die Bescheide zu erheben. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer komme § 166 AO zwar nicht zur Anwendung, denn aufgrund der angeordneten Sequestration seien die Kläger nicht mehr befugt gewesen, Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide einzulegen. Allerdings gehe die mangelnde Feststellbarkeit der Höhe der von der GmbH erzielten Einkünfte zu Lasten der Kläger, da diese hierzu keine Angaben gemacht hätten. Insoweit sei das FA befugt gewesen, die Höhe der Körperschaftsteuerschuld zu schätzen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend machen, dass das erstinstanzliche Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, da die Kläger einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt haben.

Mit ihrer Rüge, das FG gehe erheblich über den Wortlaut der Vorschrift des § 166 AO hinaus, wenn es annehme, dass die Kläger mit ihren Einwänden gegen die Haftungsbescheide für die zurückgeforderte Investitionszulage und die Umsatzsteuer nach § 166 AO „präkludiert” seien, legen die Kläger die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) und der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), mithin einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, nicht schlüssig dar. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (, BFH/NV 2000, 1493). Vermeintliche Fehler des FG bei der Auslegung von Vorschriften der Abgabenordnung und anderer das Besteuerungsverfahren regelnder Vorschriften sind demgegenüber keine Verfahrensfehler (BFH-Beschlüsse vom IX B 107/98, BFH/NV 1999, 665, und vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 77). Mit dem Einwand, das FG habe die abgabenrechtliche Vorschrift des § 166 AO fehlerhaft ausgelegt und insoweit den Anwendungsbereich verkannt, machen die Kläger mithin keinen Verfahrensmangel, sondern lediglich geltend, das angefochtene Urteil sei inhaltlich unzutreffend, womit die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers nicht erreicht werden kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 665).

Soweit die Kläger hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1994 und 1995 die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs rügen, ist der behauptete Verfahrensmangel ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Insbesondere lässt die Beschwerde nicht erkennen, zu welchen entscheidungserheblichen Punkten sich die Kläger nicht haben äußern können.

Sollte dem Vorbringen die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung entnommen werden können, so ist nicht dargelegt, dass die vermeintlich unzureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung weiterer Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist (Senatsbeschluss vom VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Des Weiteren fehlt es an der Darlegung, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwieweit dies aus der Sicht des FG die Entscheidung zugunsten der Kläger beeinflusst hätte. Allein der Hinweis, das FG hätte das Verschulden der Kläger prüfen müssen, wird den Darlegungserfordernissen nicht gerecht, zumal sich die Kläger nach den Ausführungen im FG-Urteil lediglich darauf berufen haben, dass die der Haftung zugrunde liegenden Körperschaftsteuerbescheide auf unzutreffenden Schätzungen beruhten und zumal das FG ausdrücklich auf die fehlenden, d.h. nicht abgegebenen Steuererklärungen hingewiesen hat (nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines gesetzlichen Vertreters dessen Verschulden - Senatsbeschluss vom VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-71449