BFH Beschluss v. - III B 26/07

Krankenversicherungsbeiträge für Kinder keine außergewöhnliche Belastung; fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei vorläufiger Steuerfestsetzung

Gesetze: EStG § 33a, EStG § 10 Abs. 3, AO § 165, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Ihre beiden volljährigen Kinder waren im Jahr 1996 (Streitjahr) zu 80 v.H. und 100 v.H. schwerbehindert. In der Einkommensteuererklärung 1996 machten die Kläger Aufwendungen für ihre Kinder als außergewöhnliche Belastung geltend, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) nur zum Teil steuerlich berücksichtigte. Strittig blieben Aufwendungen, die die Kläger für Versicherungen des Sohnes trugen (Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Haftpflichtversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung), für behindertenbedingte Fahrten mit der Tochter sowie für eine Haushaltshilfe. Im Einkommensteuerbescheid 1996 vom sowie in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom wurde die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen für vorläufig erklärt (Hinweis auf § 10 Abs. 3 des EinkommensteuergesetzesEStG— in der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zu den Versicherungsbeiträgen führte es aus, es handele sich um Unterhaltszahlungen, die durch das Kindergeld abgegolten seien und deshalb nicht zusätzlich nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden könnten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie vortragen, das FG habe sich zwar auf dem Boden der Rechtsprechung zur Abziehbarkeit außergewöhnlicher Belastungen befunden. Allerdings sei eine Zäsur durch den (BFHE 211, 351, BStBl II 2006, 312) eingetreten, mit dem dieser dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes die Frage vorgelegt habe, ob die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen verfassungskonform sei. Die in dem Beschluss aufgestellten Grundsätze gälten entsprechend für den Abzug derartiger Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Der Gesetzgeber dürfe typische Unterhaltsaufwendungen nicht deshalb vom Abzug nach § 33a EStG ausschließen, weil Steuerpflichtige das —nicht ausreichende— Kindergeld erhielten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Es kann dahinstehen, ob sie den formellen Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Zweifel bestehen deshalb, weil sich die Kläger in der Beschwerdeschrift zum großen Teil auf eine Wiedergabe von Passagen des Vorlagebeschlusses des BFH in BFHE 211, 351, BStBl II 2006, 312 beschränkt haben. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.

2. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Bei dem Erfordernis der Fortbildung des Rechts handelt es sich um einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung; beide Zulassungsgründe setzen deshalb eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (Senatsbeschuss vom III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125).

Die von den Klägern —sinngemäß— aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 211, 351, BStBl II 2006, 321 die nach § 33a EStG ausgeschlossene Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Krankenversicherung von Kindern, für die ein Anspruch auf Kindergeld besteht, verfassungswidrig ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn sollte —entsprechend der im Vorlagebeschluss geäußerten Rechtsauffassung— die Beschränkung des Abzugs von Aufwendungen für Krankenversicherungen nach § 10 Abs. 3 EStG a.F. nicht verfassungskonform sein, so könnte sich allenfalls ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug für die von den Klägern für sich und für ihre Kinder geleisteten Krankenversicherungsbeiträge ergeben. Es ist offenkundig und daher nicht klärungsbedürftig, dass eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG ausscheidet.

3. Auch zu der dem BVerfG vorgelegten Rechtsfrage, ob die durch § 10 Abs. 3 EStG a.F. bewirkte Beschränkung kindbedingter Krankenversicherungsaufwendungen verfassungsgemäß ist, könnte der Senat keine Entscheidung treffen, da im Streitfall die Steuerfestsetzung hinsichtlich der begrenzten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig ist, so dass die Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis für ein etwaiges Revisionsverfahren haben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH fehlt einer Klage in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, die verfassungsrechtliche Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist (z.B. Senatsbeschluss vom III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, m.w.N.). Denn dann kann der Steuerpflichtige im Allgemeinen die Klärung der Streitfrage in dem Musterverfahren abwarten, ohne dadurch unzumutbare Rechtsnachteile zu erleiden. Ausnahmen sind möglich, wenn —anders als im Streitfall— besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden, die es rechtfertigen, trotz Anhängigkeit des Musterverfahrens Rechtsschutz gegen den im Streitpunkt für vorläufig erklärten Bescheid zu gewähren (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).

b) Im Streitfall war zwar ursprünglich ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage vorhanden, weil die Kläger ausdrücklich einen Abzug der Krankenversicherungsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung begehrten und darüber hinaus noch andere Punkte (weitere Versicherungsaufwendungen, Fahrtkosten, Haushaltshilfe) streitig waren. Hätten die Kläger von Anfang an die Verfassungswidrigkeit des beschränkten Abzugs von Krankenversicherungsbeiträgen geltend gemacht, so wäre ihnen insoweit das Rechtsschutzinteresse für ein Klage- und Revisionsverfahren abzusprechen gewesen, weil die Steuerfestsetzung hinsichtlich dieses Punktes im Hinblick auf bereits beim BVerfG anhängige Musterverfahren vorläufig war (vgl. die Verfassungsbeschwerden 2 BvR 274/03 und 2 BvR 912/03 gegen die , BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, und vom XI R 17/00, BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650, aufgeführt in der vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten Liste der beim BFH, BVerfG und Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängigen Verfahren in Steuersachen). Die Kläger können den Ausgang der beim BVerfG anhängigen Verfahren abwarten, ohne dadurch unzumutbare Rechtsnachteile zu erleiden (s. Senatsbeschluss in BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 374 Nr. 3
TAAAC-69453