Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: FGG § 29a Abs. 1
Instanzenzug: OLG Celle 22 W 16/06 vom LG Hannover 28 T 175/05 vom
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 104 Abs. 2 GG folgenden Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung durch die Gerichte bei der Prüfung von Anträgen auf Anordnung der Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 2 AufenthG.
1. Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste 1995 zusammen mit seiner Familie als Bürgerkriegsflüchtling in das Bundesgebiet ein. Sein Aufenthalt wurde fortlaufend geduldet. Er stellte in Deutschland zunächst keinen Asylantrag. Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis blieben ohne Erfolg. Im Juni 2005 reiste er mit seiner Familie nach Belgien aus. Dort stellten alle Familienangehörigen Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte. Auf Anfrage der belgischen Behörden erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Bereitschaft zur Rückübernahme des Beschwerdeführers nach den Regeln der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl L 50 vom S. 1), der so genannten Dublin-II-Verordnung.
2. Die Ausländerbehörde beantragte am Tag vor der Rücküberstellung der Familie gegen den Beschwerdeführer die Anordnung von Abschiebungshaft (§ 62 Abs. 2 AufenthG) und die vorläufige Freiheitsentziehung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FEVG). Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom antragsgemäß die vorläufige Freiheitsentziehung an. Am Tag nach seiner Festnahme wurde der Beschwerdeführer durch das Amtsgericht angehört. Dabei gab er unter anderem an, in Belgien einen Asylantrag gestellt zu haben. Dies habe jedoch "nicht geklappt".
Mit wurde gegen den Beschwerdeführer Abschiebungshaft für längstens drei Monate verhängt: Für das Gericht sei nicht ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer einer Abschiebung freiwillig stellen würde.
3. Aus der Abschiebungshaft heraus stellte der Beschwerdeführer unter dem schriftlich einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den dieses mit Bescheid vom als offensichtlich unbegründet ablehnte.
4. Unter dem legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft ein: Die Haft sei aufzuheben, da er bereits vor seiner Inhaftierung einen Asylantrag in Belgien gestellt habe, der von den dortigen Behörden nicht bearbeitet worden sei, weil nach den Regelungen des Dublin-II-Übereinkommens Deutschland für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig sei. Dieser Asylantrag sei nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) 343/03 des Rates mit seiner Überstellung von Belgien nach Deutschland nicht hinfällig geworden. Vielmehr sei die Prüfung des Antrags in Deutschland abzuschließen. Aus § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG sei der Umkehrschluss zu ziehen, dass eine Inhaftierung zur Sicherung der Abschiebung wegen des in Belgien gestellten Asylantrags nicht zulässig sei.
Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom zurück: Es sei zu Recht Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG angeordnet worden. Der Beschwerdeführer sei bereits vor seiner Ausreise nach Belgien zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet gewesen. Er sei dann mit der Familie untergetaucht. Die Ausreise nach Belgien habe nicht zur Erfüllung der Ausreiseverpflichtung geführt. Der in Deutschland gestellte Asylantrag sei zwischenzeitlich als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
5. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde begehrte der Beschwerdeführer, der am abgeschoben worden war, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung und machte unter anderem geltend, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliege. Sein Vortrag zum Dublin-II-Verfahren sei ignoriert worden. Die Inhaftierung sei unzulässig gewesen, da er zuvor - in Belgien - einen Asylantrag gestellt gehabt habe.
Das Oberlandesgericht wies die weitere sofortige Beschwerde mit Beschluss vom zurück: Die Entscheidung des Landgerichts beruhe nicht auf der Verletzung des Gesetzes. Die Rüge fehlender Auseinandersetzung mit den Rechtsfolgen des in Belgien gestellten Asylantrags habe keinen Erfolg. Die den Senat bindenden Feststellungen des angefochtenen Beschlusses enthielten hierzu nichts, vielmehr sei ausdrücklich festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer erst nach seiner Rücküberstellung (am ) einen Asylantrag gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht ausgeführt, er habe in Belgien "einen Asylantrag gestellt. Dies hat jedoch nicht geklappt ...". Das Landgericht habe dies dahingehend verstehen dürfen, dass in Belgien ein Asylantrag abgelehnt worden sei. Eine weitere Aufklärung von Amts wegen sei daher nicht geboten gewesen.
6. Mit der fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, 104 Abs. 1 Satz 1 GG und 103 Abs. 1 GG geltend. Die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Garantie des effektiven Rechtsschutzes sei durch die Gerichte missachtet worden. Das Überprüfungsverfahren sei ineffektiv gestaltet worden und für den Beschwerdeführer leergelaufen. Eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung des in Belgien gestellten Asylantrags habe nicht stattgefunden. Das Landgericht habe diesem Punkt keine Beachtung geschenkt und somit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Das Oberlandesgericht habe seine Prüfung auf den vom Landgericht festgestellten Sachverhalt beschränkt und sich insoweit fälschlich gebunden gefühlt. Es habe insbesondere übersehen, dass im Beschwerdeverfahren ausführlich zu der Bedeutung des so genannten Dublin-II-Verfahrens vorgetragen worden sei. Der Beschwerdeführer habe aufgrund des geschilderten Verfahrensganges keine Möglichkeit gehabt, die Umstände seiner Inhaftierung im Hinblick auf die Asylantragstellung hinreichend überprüfen zu lassen. Auch liege eine Verletzung von Art. 104 Abs. 1 GG vor. Es sei übersehen worden, dass das in Belgien eröffnete Asylverfahren mit der Rücküberstellung nach Deutschland nicht beendet worden sei. Vielmehr sei das Asylverfahren nach der Dublin-II-Verordnung in Deutschland abzuschließen gewesen. Die Inhaftierung sei nach § 14 Abs. 3 AsylVfG wegen dieses Asylantrags unzulässig und somit ohne rechtliche Grundlage erfolgt.
7. Dem Niedersächsischen Justizministerium und dem Landkreis Nienburg/Weser wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben auf eine Äußerung verzichtet.
Der Bundesgerichtshof wurde gebeten, Stellung zu der Frage zu nehmen, ob es Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage gebe, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FGG in der sofortigen weiteren Beschwerde nach einer Erledigung des ursprünglichen Antrags eine Umstellung des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme zulässig sei. Der Vorsitzende des Fünften Zivilsenats wies auf die Funktion der Fortsetzungsfeststellungsklage hin, die den Rechtsschutz nicht erweitern, sondern es dem Antragsteller nur ermöglichen solle, das bei Eintritt der Erledigung der Hauptsache gegebene Rechtsmittel auszuschöpfen. Der Prüfungsumfang bestimme sich nach § 27 FGG.
II.
Die Kammer ist für die Entscheidung zuständig, da das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Sie nimmt die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich des Beschlusses des Oberlandesgerichts zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist zulässig.
a) Der Beschwerdeführer hat insbesondere den Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge nach § 29a Abs. 1 FGG erhoben hat. Zwar beruft sich der Beschwerdeführer auch auf eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das Oberlandesgericht, so dass er grundsätzlich eine Anhörungsrüge nach § 29a Abs. 1 FGG hätte erheben müssen. Die Anhörungsrüge wäre hier jedoch offensichtlich aussichtslos und damit dem Beschwerdeführer nicht zumutbar gewesen (vgl. zu diesem Kriterium zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1311/05 -). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt hier nicht in Betracht.
aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 70, 288 <293>). Es verwehrt es den Gerichten jedoch nicht, das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (BVerfGE 60, 305 <310>; 63, 80 <85>; 70, 288 <294>).
bb) Das Oberlandesgericht hat den Vortrag des Beschwerdeführers zu seinem in Belgien gestellten Asylantrag nicht übergangen. Es hat ihn in Erwägung gezogen und sich aus prozessualen Gründen daran gehindert gesehen, sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen.
b) Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht entgegen.
aa) Dieser Grundsatz erfordert über die Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus, dass ein Beschwerdeführer alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern oder um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken (BVerfGE 74, 102 <113>; 77, 381 <401>; 81, 22 <27>). Insbesondere ist ein Beschwerdeführer gehalten, sich entsprechend den Vorgaben der jeweiligen Prozessordnung zu verhalten, um den Gerichten die Möglichkeit zu geben, die geltend gemachte Verfassungsverletzung zu untersuchen und gegebenenfalls zu korrigieren.
bb) Der Betroffene muss daher bereits im gerichtlichen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Haftanordnung begehren, wenn er diese in der Folge mit einer Verfassungsbeschwerde geltend machen will. Nicht abschließend geklärt ist allerdings, in welchem Stadium des Verfahrens ein solcher Antrag gestellt sein muss.
Die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Freiheitsentziehung (FGG, FreihEntzG) regeln die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme nicht ausdrücklich. Da das Recht auf Freiheit der Person unter den grundrechtlich verbürgten Rechten einen besonders hohen Rang hat (vgl. BVerfGE 32, 87 <92>; 65, 317 <322>; 104, 220 <234>), ist ein Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Maßnahme auch nach Erledigung des Eingriffs in aller Regel schutzwürdig. Dem haben die Gerichte im Rahmen von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Rechnung zu tragen (BVerfGE 104, 220 <233 f.>; BVerfGK 6, 303 <308 f.>). Die fachgerichtliche Rechtsprechung dazu wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich gerecht (vgl. nur -, juris, Rn. 12; OLG Rostock, Beschluss vom - 3 W 92/07 -, juris, Rn. 9; OLG Naumburg, Beschluss vom - 8 Wx 22/07 -, juris, Rn. 5; -, BtPrax 2007, S. 82; -, FGPrax 2006, S. 280 <281>; OLG Zweibrücken, Beschluss vom - 3 W 98/06 -, FGPrax 2006, S. 235 <236>).
Noch nicht geklärt ist allerdings die Frage, unter welchen Bedingungen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwischenzeitlich erledigten Freiheitsentziehung in der (sofortigen) weiteren Beschwerde begehrt werden kann. Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, die Möglichkeit zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Freiheitsentziehung solle keinen (zusätzlichen) Rechtsschutz eröffnen, der dem Betroffenen ohne das erledigende Ereignis nicht zugestanden habe; es komme also im Verfahren der weiteren Beschwerde darauf an, ob mit dem Rechtsmittel die Aufhebung der Haftentscheidung hätte erreicht werden können, ob also die Beschwerdeentscheidung zutreffend sei, nicht aber - unabhängig von dieser Voraussetzung -, ob in der ersten Instanz Verfahrensfehler festzustellen seien ( -, MDR 2007, S. 971; ebenso die in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren eingeholte Stellungnahme). Nach dieser - nicht unumstrittenen (vgl. BVerfGK 6, 303 <310> m.w.N.) - Auffassung kann mit der (sofortigen) weiteren Beschwerde die Feststellung, dass die Haftanordnung zu einem früheren Zeitpunkt als demjenigen der Beschwerdeentscheidung rechtswidrig war, nur dann begehrt werden, wenn dieses Rechtsschutzgesuch bereits in der Beschwerdeinstanz angebracht worden ist. Verfassungsprozessual folgt daraus, dass ein Angriff gegen Haftentscheidungen bezogen auf einen anderen Zeitpunkt als denjenigen der Entscheidung der Beschwerdeinstanz aus Gründen der materiellen Subsidiarität nur zulässig sein kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Haft bezogen auf den nunmehr geltend gemachten Zeitpunkt bereits im Beschwerdeverfahren zum Gegenstand gemacht worden ist.
cc) Hier kann offen bleiben, ob die Auffassung des Bundesgerichtshofs den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an die Möglichkeit gerichtlicher Klärung schwerwiegender Grundrechtseingriffe gerecht wird (vgl. dazu BVerfGE 104, 220 <234 ff.>; BVerfGK 6, 303 <310 f.>). Denn der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist beim Oberlandesgericht nicht aus Gründen erfolglos geblieben, die sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beziehen; diese stand der Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags im Übrigen auch nicht entgegen. Das Oberlandesgericht hat den Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht als unzulässig behandelt, sondern ihn als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG.
a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schützt die Freiheit als ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 29, 312 <316>; 65, 317 <322>). Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen (vgl. BVerfGE 94, 166 <198>; 96, 10 <21>), also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 <26>). Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unlösbarem Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 58, 208 <220>). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 <323>; 29, 183 <195>; 58, 208 <220>).
Für den schwersten Eingriff in das Recht der Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht (vgl. BVerfGE 10, 302 <323>). Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird (BVerfGE 105, 239 <248>; vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG BVerfGE 103, 142 <151 ff.>).
Das gerichtliche Verfahren muss darauf angelegt sein, den Betroffenen vor dem Freiheitsentzug all diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind. Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung kann eine Vereinfachung und Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, darf aber die unabhängige, auf Grund der Justizförmigkeit des Verfahrens besonders verlässliche Entscheidungsfindung nicht gefährden (BVerfGK 7, 87 <99>; vgl. auch BVerfGE 83, 24 <32>).
Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1775>). Angesichts des hohen Ranges des Freiheitsgrundrechts gilt dies in gleichem Maße, wenn die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme in Rede steht (BVerfGK 7, 87 <100>).
b) Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Die Ansicht des Oberlandesgerichts, das Landgericht habe sich schon deswegen nicht mit dem Vortrag des Beschwerdeführers zur rechtlichen Bedeutung seines in Belgien gestellten Asylantrags beschäftigen müssen, weil es die Einlassung des Beschwerdeführers vor dem Amtsgericht dahin habe verstehen dürfen, dass der Asylantrag in Belgien abgelehnt worden sei, ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung bei Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, nicht zu vereinbaren.
Eine Beschränkung der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung aufgrund der offensichtlich nicht juristischen Kategorien folgenden Einlassung des Beschwerdeführers, dass der Asylantrag "nicht geklappt" habe, wird den erhöhten Pflichten zur genauen Sachverhaltserforschung gemäß § 12 FGG nicht gerecht. Die nach § 5 Abs. 1 FreihEntzG notwendige Anhörung des Betroffenen dient der Aufklärung von Tatsachen und gibt ihm die Möglichkeit zu rechtlichen Ausführungen, die rechtliche Bewertung der Tatsachen bleibt aber Aufgabe des Gerichts. Aus den Akten der Ausländerbehörde, welche bei einer Entscheidung über eine Haftanordnung regelmäßig beizuziehen sind (vgl. Beichel-Benedetti/Gutmann, NJW 2004, S. 3015 <3017 f.>), um den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG zu genügen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Rücküberstellung in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Deutschland zurückgekehrt war. Daraus ist zwingend zu folgern, dass die beteiligten belgischen und deutschen Behörden zu der Überzeugung gelangt waren, die deutschen Behörden seien für die Bearbeitung eines Asylantrags des Beschwerdeführers zuständig. Dies hatte der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde auch ausdrücklich vorgetragen. Hätte das Landgericht den Sachverhalt im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang ermittelt und sich eingehend mit dem Vortrag des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, hätte es dies erkennen können und müssen. Indem das Oberlandesgericht, das sich zu den an die gerichtliche Sachaufklärung anzulegenden Maßstäben nicht äußert, die unzureichende Befassung des Landgerichts mit der Einlassung des Beschwerdeführers gebilligt hat, gibt es zu erkennen, dass es von zu niedrigen, verfassungsrechtlich nicht zu billigenden Maßstäben ausgegangen ist.
3. Der angegriffene Beschluss beruht auf der Grundrechtsverletzung. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Insbesondere ist - soweit ersichtlich - die Frage, welche Bedeutung einem im Ausland gestellten (Erst-) Asylantrag nach der Rücküberstellung des Antragstellers in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zukommt, noch nicht geklärt, so dass ein solcher Antrag der Anordnung von Abschiebungshaft - jedenfalls bis zu einem etwaigen Erlöschen einer auf ihm beruhenden Aufenthaltsgestattung - entgegenstehen könnte.
Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den auf und verweist die Sache an das Oberlandesgericht zurück, um diesem Gelegenheit zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage zu geben. Auf die weiteren Grundrechtsrügen kommt es nicht an.
III.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird von einer Begründung abgesehen (§ 93a Abs. 2, § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
IV.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
Fundstelle(n):
OAAAC-69300