BFH Beschluss v. - I B 93/07

Antragsverfahren nach § 86 Abs. 3 FGO ist ein selbständiges Zwischenverfahren; Aktenvorlage des Finanzamts; Unterlassen einer Anordnung des Finanzgerichts gegenüber dem Finanzamt nicht beschwerdefähig

Gesetze: FGO § 71 Abs. 2, FGO § 86, FGO § 128, FGO § 143

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin), eine GmbH, klagt gegen Steuerbescheide betreffend die Jahre 1986 bis 1995, die nach Steuerfahndungsmaßnahmen (Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen) ergangen sind. Sie meint nach mehrfacher Einsichtnahme in die beim Finanzgericht (FG) vorhandenen Akten, der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) enthalte dem FG Teile der Akten der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung vor. Sie hat mit Schriftsatz vom „im Rahmen der Beschwerde” beim FG beantragt, dass dieses dem FA eine Frist nach § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur vollständigen Aktenvorlage setzen solle. Das FG hat die Beschwerde als unzulässig erachtet und ihr deshalb nicht abgeholfen.

Mit Schriftsatz an das hat die Klägerin außerdem zur Weiterleitung an den Bundesfinanzhof (BFH) unter Berufung auf § 86 Abs. 3 FGO beantragt, dem FA aufzugeben, dem FG sämtliche Betriebsprüfungs-Handakten und die Akten des Auslandsfachprüfers vollständig vorzulegen und ihr beim FG Akteneinsicht in die vollständig vorzulegenden Steuerfahndungsakten zu gewähren.

II. 1. Die Beschwerde ist mangels beschwerdefähiger Entscheidung des FG unzulässig. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 1 FGO gegen bestimmte Entscheidungen des FG statthaft. An einer „Entscheidung” fehlt es im Streitfall, weil nicht ersichtlich ist, dass das FG einen Antrag der Klägerin, dem FA die Vorlage bestimmter Aktenbestandteile aufzugeben, ausdrücklich oder konkludent abgelehnt hätte. Dementsprechend rügt die Klägerin im Beschwerdeschriftsatz insoweit auch kein Fehlverhalten des FG, sondern ein solches des FA. Im bloßen Unterlassen der Anordnung der Aktenvorlage durch das FG kann eine beschwerdefähige Entscheidung nicht gesehen werden, weil die Finanzgerichtsordnung eine Untätigkeitsbeschwerde nicht kennt (, BFH/NV 2002, 364; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 128 Rz 3).

Im Übrigen wäre auch eine Ablehnung eines Antrags der Klägerin, die Vorlage bestimmter Akten anzuordnen —wie die Ablehnung eines Beweisantrags auch (vgl. § 128 Abs. 2 FGO)— grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar (, BFHE 101, 209, BStBl II 1971, 306; vom II B 64/72, BFHE 109, 12, BStBl II 1973, 504; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 FGO Rz 7; Stöcker in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 FGO Rz 25). Dass durch eine etwaige Verweigerung der Akteneinsicht das rechtliche Gehör der Klägerin berührt würde, weil sie ihr Rechtsschutzbegehren nicht effektiv formulieren könnte und ihr deshalb ausnahmsweise eine isolierte Beschwerdemöglichkeit eingeräumt werden müsste (vgl. , BFH/NV 1999, 62; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 71 FGO Rz 7), ist nicht erkennbar.

2. Der Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer Aktenvorlage nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO ist ebenfalls unzulässig. Ein solcher Antrag setzt eine konkrete Anordnung des FG nach § 86 Abs. 1 oder Abs. 2 FGO an die betreffende Behörde voraus (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 109, 12, BStBl II 1973, 504), deren Befolgung von der Behörde verweigert wird. Im Streitfall ist indes nicht ersichtlich, dass das FA sich einer bestimmten Vorlageanordnung des FG widersetzt hätte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und Abs. 2 FGO. Bei dem Antragsverfahren nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO handelt es sich um ein selbständiges Zwischenverfahren, so dass auch insoweit eine Kostenentscheidung nach § 143 Abs. 1 FGO zu treffen ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 387 Nr. 3
TAAAC-68883