Ausfuhrerstattung: nachträgliche Vorlage des Beförderungspapiers bei Ausfuhr aus dem Seeweg
Leitsatz
Erklärt die Ausgangszollstelle einen von ihr gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 800/1999 erteilten Sichtvermerk für unzutreffend, weil sich das vorgelegte Beförderungspapier als nicht ordnungsgemäß erwiesen hat, kann der Ausführer den Mangel durch Nachreichen des ordnungsgemäß ausgestellten Beförderungspapiers heilen, ohne dabei an die im Verfahren für die Zahlung der Erstattung vorgeschriebenen Vorlagefristen gebunden zu sein.
Gesetze: VO Nr. 800/1999 VO Nr. 800/1999 Art. 7 Abs. 1VO Nr. 800/1999 Art. 9 Abs. 1 Buchst. cVO Nr. 800/1999 Art. 49 Abs. 2VO Nr. 800/1999 Art. 50 Abs. 2VO Nr. 800/1999 Art. 52 Abs. 1AusfErstVO § 4 Abs. 4
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte von September 1999 bis Oktober 2000 mit 13 Ausfuhranmeldungen kakaohaltigen Brotaufstrich unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung auf dem Seeweg in verschiedene Drittländer aus. Im März 2001 wies das Hauptzollamt X den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Hauptzollamt —HZA—) darauf hin, dass es die Ausgangsbestätigungen für die Warensendungen zu Unrecht erteilt habe und diese zurückzunehmen seien, da Ermittlungen ergeben hätten, dass die vorgelegten bills of lading (B/L) z.T. nicht und z.T. von der Exportsachbearbeiterin der Rechtsvorgängerin (B), aber nicht von den Verfrachtern unterzeichnet gewesen seien, die allerdings für einige Ausfuhrfälle erklärt hätten, B zur Zeichnung der jeweiligen Kopie bevollmächtigt zu haben. Das HZA forderte daraufhin mit 13 Berichtigungsbescheiden die gewährten Erstattungen zurück und setzte mit einem weiteren Bescheid eine Sanktion in Höhe von 50 % des Rückforderungsbetrags fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) i.V.m. § 4 Abs. 4 der Ausfuhrerstattungsverordnung (AusfErstVO) vom (BGBl I 1996, 766) bei einer Ausfuhr auf dem Seeweg das Dokument über das Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft (Ausgangsbestätigung) nur gegen Vorlage des Beförderungspapiers mit Angabe einer Endbestimmung außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft erteilt werde. Das Beförderungspapier müsse nach Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung eingereicht werden. Im Streitfall seien aber innerhalb dieser Frist Beförderungspapiere vorgelegt worden, die wegen der Unterzeichnung durch eine hierfür nicht befugte Person nicht hätten anerkannt werden dürfen. Dass B als Vertreter des Verfrachters unterzeichnet habe, lasse sich den B/L nicht entnehmen; ein solches Vertretungsverhältnis habe auch offenbar nicht bestanden, denn die B/L seien in jedem Ausfuhrfall im Original vom Verfrachter unterzeichnet worden; entsprechende B/L habe die Rechtsvorgängerin im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegt. Auch hätten in einigen Fällen die Verfrachter bzw. ihre Agenten dem HZA Kopien der von ihnen unterzeichneten B/L vorgelegt. B habe somit Kopien noch nicht unterzeichneter B/L unterschrieben und damit den Anschein erweckt, sie selbst habe sie ausgestellt. Diese Fälschung zerstöre den Nachweischarakter des Beförderungspapiers. Die Vorlage der vom Verfrachter bzw. seinem Vertreter unterzeichneten B/L im Klageverfahren sei erst nach Ablauf der insoweit vorgeschriebenen Fristen erfolgt. Die Einhaltung dieser Vorlagefristen sei auch nicht etwa nur eine Nebenpflicht. Vertrauensschutz könne nicht geltend gemacht werden, weil die Rechtsvorgängerin hätte wissen müssen, dass sie die B/L nicht unterzeichnen dürfe.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch erfüllt seien, insbesondere seien die Erzeugnisse innerhalb der Ausfuhrfrist von 60 Tagen aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden. Es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsbestätigung die vorgelegten Beförderungspapiere nicht ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen seien, denn die Unterschrift des Frachtführers sei nach der Rechtsprechung des FG ohne erstattungsrechtliche Relevanz. Jedenfalls hätten die von den Verfrachtern unterzeichneten B/L nachgereicht werden dürfen. Die Vorlagefrist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 sei keine Ausschlussfrist im Sinne einer materiellen Anspruchsvoraussetzung, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Nebenpflicht im Rahmen des „Verfahrens für die Zahlung der Erstattung”, so dass die Frist bei einer Rückforderung endgültig gewährter Ausfuhrerstattung, die allein vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen abhänge, unbeachtlich sei.
Das HZA folgt der Auffassung des FG, dass die nachträgliche Vorlage ordnungsgemäßer Beförderungspapiere außerhalb der insoweit vorgesehenen Fristen erfolgt sei, und ist der Ansicht, dass diese Vorlagefristen auch im Rückforderungsverfahren beachtlich seien, weil die Rechtsvorgängerin nicht gutgläubig gehandelt habe, denn sie habe der Ausgangszollstelle gefälschte Beförderungspapiere vorgelegt.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Verwaltungsakte (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die angefochtenen Berichtigungsbescheide und der Sanktionsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Erstattungsbeträge sind nicht zurückzuzahlen, weil die Ausfuhrerstattungen der Rechtsvorgängerin nicht zu Unrecht gewährt worden sind (Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 800/1999).
Zu den Erstattungsvoraussetzungen (Allgemeine Bestimmungen) gehört nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 800/1999, dass die Erzeugnisse, für die die Ausfuhranmeldung angenommen wurde, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft in unverändertem Zustand verlassen haben. Erfolgt die Ausfuhr —wie im Streitfall— auf dem Seeweg, gelten nach Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 Sonderbestimmungen. Die Erzeugnisse müssen entweder innerhalb der 60-Tage-Frist das Zollgebiet der Gemeinschaft von einem Gemeinschaftshafen aus verlassen oder dürfen (außer im Fall höherer Gewalt) für höchstens 28 Tage zur Umladung in einem anderen Hafen der Gemeinschaft verbleiben (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 800/1999). Der Ausführer hat für seinen Erstattungsanspruch entweder zu erklären, dass die Erzeugnisse nicht in einem anderen Gemeinschaftshafen umgeladen wurden, oder anhand der Beförderungspapiere nachzuweisen, dass die Erzeugnisse nicht in einem anderen Gemeinschaftshafen umgeladen wurden oder dass —falls dies der Fall war— die Erzeugnisse zum Umladen in einem anderen Gemeinschaftshafen für höchstens 28 Tage verblieben sind oder jedenfalls den letzten Gemeinschaftshafen innerhalb der 60-Tage-Frist verlassen haben (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 800/1999).
Um dieses (nachträgliche) Nachweisverfahren gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 800/1999 zu vermeiden, kann der Mitgliedstaat, in dem die Ausgangsbestätigung verwendet wird, nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 800/1999 vorsehen, dass die Ausgangsbestätigung auf dem Kontrollexemplar T5 bzw. der Ausfuhranmeldung nur gegen Vorlage eines Beförderungspapiers mit Angabe einer Endbestimmung außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft mit einem Sichtvermerk „Beförderungspapier mit Bestimmung außerhalb der EG wurde vorgelegt” versehen wird. Eine entsprechende nationale Vorschrift findet sich in § 4 Abs. 4 AusfErstVO.
Das Beförderungspapier ist die Urkunde, die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt (, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2007, 77 und VII R 20/05, BFHE 215, 406, ZfZ 2007, 17). Im Seefrachtverkehr kommt insoweit das Konnossement (B/L) —oder eine andere Form des Seefrachtbriefs— in Betracht, das vom Verfrachter unterschrieben sein muss (ebenso: Abs. 40a Unterabs. 1 der Dienstvorschrift zum Ausfuhrerstattungsrecht —ErstDV—, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung —VSF— M 35 65).
Bei der Ausfuhr auf dem Seeweg kann die Ausgangsbestätigung auf der Ausfuhranmeldung somit nur erteilt werden, wenn ein vom Verfrachter unterschriebenes (und den Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 800/1999 entsprechendes) Beförderungspapier vorgelegt wird. Im Streitfall hätte daher die Ausgangszollstelle seinerzeit keine Ausgangsbestätigung auf den 13 Ausfuhranmeldungen mit dem Vermerk „Beförderungspapier mit Bestimmung außerhalb der EG wurde vorgelegt” erteilen dürfen (Abs. 40a Unterabs. 2 ErstDV).
Die von der Ausgangszollstelle zu erteilende Ausgangsbestätigung ist keine zollrechtliche Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 des Zollkodex (ZK), denn es handelt sich nicht um eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des Zollrechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung für eine oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Personen, sondern allein um eine Wissenserklärung ohne Regelungscharakter und ohne Außenwirkung (vgl. dazu: Senatsurteil vom VII R 45/83, BFHE 149, 280, BStBl II 1987, 504, ZfZ 1987, 205), die lediglich verwaltungsintern erfolgt, indem die Ausgangszollstelle das mit dem Ausfuhrvermerk versehene Exemplar Nr. 1 der Ausfuhranmeldung dem HZA übersendet (vgl. Abs. 42 ErstDV i.V.m. Abs. 22 der Dienstvorschrift zur Herstellung, Erteilung und Erledigung von Kontrollexemplaren, VSF M 90 26). Die Ausgangszollstelle kann daher, ohne eine zollrechtliche Entscheidung gemäß Art. 8 ZK förmlich zurücknehmen zu müssen, die von ihr erteilte Ausgangsbestätigung für unzutreffend erklären, wenn sie —wie im Streitfall— nachträglich feststellt, dass das erforderliche Beförderungspapier nicht vorlag oder —was dem gleichkommt— das vorgelegte Beförderungspapier den zu stellenden formalen oder inhaltlichen Anforderungen nicht entsprach.
Allerdings lässt sich weder den maßgebenden rechtlichen Vorschriften noch der ErstDV entnehmen, dass die Ausgangszollstelle in solchen Fällen nur die Möglichkeit hat, die Ausgangsbestätigung für unzutreffend zu erklären. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass, wenn die Ausfuhr überwacht worden ist und es lediglich an der Vorlage eines ordnungsgemäßen Beförderungspapiers mangelt, der Ausführer dem Mangel abhelfen kann, um die zunächst unzutreffend erteilte Ausgangsbestätigung nachträglich zu heilen. Hiervon geht offenbar auch die Zollverwaltung aus, da das Hauptzollamt X, nachdem der Fehler entdeckt worden war, die Rechtsvorgängerin hierauf hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben hat, vom Verfrachter unterschriebene B/L vorzulegen, und da auch das HZA das Nachreichen ordnungsgemäßer Beförderungspapiere, wenn auch nur innerhalb der Vorlagefristen gemäß Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999, für grundsätzlich zulässig hält.
Anders als das FG und das HZA meinen, ist der Ausführer, wenn er ordnungsgemäß ausgestellte Beförderungspapiere nachreicht, die bei der Ausfuhr zunächst gefehlt haben, nicht an diese Fristen gebunden. Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 betreffen, wie die Überschrift des Titels IV der VO Nr. 800/1999 zeigt, das „Verfahren für die Zahlung der Erstattung” und beziehen sich deshalb ausdrücklich (Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999) auf die „Unterlagen für die Zahlung der Erstattung”, mithin auf diejenigen Unterlagen, die dem HZA vorzulegen sind. Im Streitfall waren die B/L jedoch nicht dem HZA im Rahmen des Erstattungsverfahrens vorzulegen, da es sich nicht um die Zahlung differenzierter Erstattung handelte (vgl. Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 800/1999, der nur für die differenzierte Erstattung gilt). Die B/L waren vielmehr allein der Ausgangszollstelle zum Zweck der Erteilung der Ausgangsbestätigung vorzulegen, die nach Erteilung der Bestätigung und des Sichtvermerks die ihr vorgelegten Beförderungspapiere auch nicht etwa an das HZA weiterleitete, sondern bei sich behielt (vgl. Abs. 42a ErstDV).
Wenn in einem solchen Fall die Ausgangszollstelle nach erteilter Ausgangsbestätigung meint, dass diese unzutreffend sei, weil ihr kein oder ein nicht ordnungsgemäß ausgestelltes Beförderungspapier vorgelegen habe, so betrifft diese Frage sowie die Frage einer evtl. Heilung des Mangels durch Vorlage des ordnungsgemäßen Beförderungspapiers das Verhältnis zwischen dem Ausführer und der Ausgangszollstelle und ist in erster Linie unter diesen Beteiligten zu klären, ohne dass insoweit Fristen zu wahren sind.
Anders verhält es sich auch dann nicht, wenn das HZA von sich aus den mit der Ausgangsbestätigung erteilten Sichtvermerk anzweifelt oder —wie im Streitfall— nach einem entsprechenden Hinweis der Ausgangszollstelle die Sache zur weiteren Klärung an sich zieht. Es handelt sich insoweit um ein Verfahren der Würdigung der dem HZA vorgelegten Erstattungsnachweise, in dem der Ausführer, wenn er das HZA von der Richtigkeit der Ausgangsbestätigung und des erteilten Sichtvermerks durch Vorlage weiterer Nachweise überzeugen will, nicht an die Fristen der Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 gebunden ist.
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren für alle streitigen Ausfuhrfälle Kopien der von den Verfrachtern unterzeichneten B/L vorgelegt. Zweifel daran, dass es sich um die Kopien der (Original-)Beförderungspapiere handelt, sind weder von Seiten des HZA vorgetragen noch ersichtlich. Die dem HZA übersandten Ausgangsbestätigungen erweisen sich daher im Nachhinein als richtig. Da auch die übrigen Erstattungsvoraussetzungen vorliegen, sind der Rechtsvorgängerin die Ausfuhrerstattungen nicht zu Unrecht gewährt worden, weshalb die angefochtenen Berichtigungsbescheide sowie der Sanktionsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStRE 2008 S. 234 Nr. 4
HFR 2008 S. 219 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15929 Nr. 3
RIW 2008 S. 174 Nr. 3
StB 2008 S. 64 Nr. 3
StBW 2008 S. 6 Nr. 2
UAAAC-67046