BGH Urteil v. - IV ZR 12/07

Leitsatz

[1] Für die Zulässigkeit der Anschlussberufung gilt bei Gesetzesänderungen das Prozessrecht in der Fassung, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung maßgeblich ist.

Gesetze: ZPO § 524

Instanzenzug: AG Hannover 525 C 5344/02 vom LG Hannover 19 S 108/02 vom

Tatbestand

Der Kläger verlangte von der Beklagten, einem Lebensversicherungsunternehmen, im Wege der Stufenklage Auskunft über den Rückkaufswert einer kapitalbildenden Lebensversicherung ohne Verrechnung mit Abschlusskosten und ohne Stornoabzug sowie Zahlung des sich daraus ergebenden Betrages. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom (VersR 2003, 314), dem Kläger in belegter und prüfbarer Form Auskunft darüber zu erteilen, mit welchen Abschlusskosten (gemäß § 15 AVB) und mit welchem Abzug (gemäß § 6 Abs. 2 Ziff. b AVB) sie den Zeitwert (§ 176 Abs. 3 VVG) des Vertrages belastet habe und wie hoch der Auszahlungsbetrag ohne diese Belastungen zum gewesen wäre. Das Landgericht wies die Berufung der Beklagten zurück (VersR 2003, 1289). Auf die Revision der Beklagten hob der Senat das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück (BGHZ 164, 297).

Nach der Zurückverweisung hat der Kläger mit Schriftsatz vom erstmals beantragt, die Beklagte (auch) zur Auskunft darüber zu verurteilen, auf welchen Betrag sich die dem Lebensversicherungsvertrag zugewiesene Überschussbeteiligung zum belaufe (Antrag c). Die Beklagte hält diese Erweiterung des Auskunftsantrages für eine nicht fristgerecht eingelegte und damit unzulässige Anschlussberufung. Davon abgesehen habe der Kläger auch nach dem (NJW 2005, 2376) keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Einzelauskünfte zur Ermittlung und Verteilung des Überschusses.

In der Berufungsverhandlung hat der Kläger nur noch den Antrag zu c aus dem Schriftsatz vom gestellt. Im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seines die Überschussbeteiligung betreffenden Auskunftsbegehrens.

Gründe

Die Revision ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die mit Schriftsatz vom eingelegte, auf die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung über den Betrag der Überschussbeteiligung gerichtete Anschlussberufung des Klägers verworfen wird.

1. Das Berufungsgericht hält die Klagerweiterung für sachdienlich. Der Kläger habe aber auch nach der Entscheidung des (aaO) jedenfalls bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber keinen Anspruch auf die verlangten Auskünfte.

2. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass es sich bei der Klagerweiterung um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der vom bis zum geltenden Fassung verspätete und damit unzulässige Anschlussberufung handelt, die zu verwerfen war. Das ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. - NJW 2001, 226 unter II). Danach war im Berufungsverfahren kein Raum für eine Entscheidung über die Sachdienlichkeit der Klagerweiterung und über die materielle Berechtigung des neu geltend gemachten Anspruchs.

a) Bei dem Antrag zu c) im Schriftsatz vom handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision um eine Klagerweiterung und nicht lediglich um eine Präzisierung der bisherigen Anträge. Mit diesen Anträgen, denen das Amtsgericht stattgegeben hat, verlangte der Kläger Auskunft darüber, mit welchen Abschlusskosten gemäß § 15 AVB und mit welchem Abzug gemäß § 6 Abs. 2 lit. b AVB die Beklagte den Zeitwert (§ 176 Abs. 3 VVG) des Lebensversicherungsvertrages belastet habe und welche Höhe der Auszahlungsbetrag ohne diese (beiden) Belastungen zum gehabt hätte. Dementsprechend waren der Antrag des Klägers und der im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO (mit Recht) nur auf prüfbare und belegte Auskünfte zu den Abschlusskosten und zu dem Stornoabzug sowie die Höhe des Auszahlungsbetrages (des Rückkaufswerts ohne diese Belastungen) gerichtet. Daraus folgt, dass es bis zum Schriftsatz des Klägers vom allein um Auskunft über die Abschlusskosten nach § 15 AVB, den Stornoabzug nach § 6 Abs. 2 lit. b AVB und die Höhe des Zahlungsanspruchs ohne diese Belastungen ging, nicht aber um die Höhe der Überschussbeteiligung nach § 17 AVB und die Höhe des Zahlungsanspruchs einschließlich Überschussbeteiligung. Bei dem in § 6 Abs. 2 AVB geregelten Rückkaufswert und der in § 17 AVB geregelten Überschussbeteiligung handelt es sich nach dem Versicherungsvertrag um jeweils selbständige Ansprüche, die von unterschiedlichen tatsächlichen Voraussetzungen abhängen und die deshalb auch verschiedene Streitgegenstände darstellen.

Der in erster Instanz siegreiche Kläger kann die Klage in zweiter Instanz nur im Wege der Anschlussberufung erweitern (Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO 3. Aufl. § 524 Rdn. 12, § 533 Rdn. 3; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 533 Rdn. 9; - NJW 1999, 2118 unter I 2 a). Der neue Antrag im Schriftsatz vom ist als Anschlussberufung auszulegen, weil der Kläger damit seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, zu seinen Gunsten eine Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen (vgl. - WM 1991, 383 unter 2 b). Die Anschlussberufung konnte nach dem bis zum geltenden Prozessrecht in zulässiger Weise bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Hauptberufung eingelegt werden ( - NJW 1999, 139 unter III 2 a aa und vom - V ZR 19/92 - NJW 1994, 586 unter I 3). Nach der zum in Kraft getretenen Reform des Zivilprozessrechts hat sich das durch die Einführung einer Frist für die Anschlussberufung geändert (vgl. BGHZ 163, 324, 326 ff.).

b) aa) Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der bis zum geltenden Fassung war die Anschließung nur zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift. Dies ist durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom (BGBl. I 2198) dahin geändert worden - soweit hier von Bedeutung -, dass die Anschließung bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig ist. Insoweit ist das Gesetz ohne Übergangsregelung am in Kraft getreten. Bei fehlender Übergangsregelung erfassen Änderungen des Prozessrechts im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind daher mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht; Abweichendes kann sich auch aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts ergeben (BGHZ 114, 1, 3 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. EGZPO § 1 Rdn. 2 f.; Musielak, ZPO 5. Aufl. Einleitung Rdn. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. Einleitung Rdn. 104).

bb) Daran gemessen ist die Zulässigkeit der Anschlussberufung hier nach dem bis zum geltenden Recht zu beurteilen. Sie war demgemäß innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung einzulegen. Die Frist hatte am zu laufen begonnen und ist versäumt worden.

Der Regelung der unselbständigen Anschlussberufung in § 524 ZPO in der bis zum geltenden wie in der neuen Fassung ist generell zu entnehmen, dass für die Zulässigkeit der Anschlussberufung das Prozessrecht in der Fassung gilt, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung maßgeblich ist. Die unselbständige Anschlussberufung ist auch nach der Reform des Zivilprozessrechts kein eigenes Rechtsmittel, sondern ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb des fremden Rechtsmittels ( - NJW-RR 2005, 727 unter II 2 und 3; BGHZ 139, 12 ff.). Sie ist nicht nur hinsichtlich der Anknüpfung der Befristung in § 524 Abs. 2 Satz 2, sondern nach § 524 Abs. 4 ZPO prozessual insgesamt von der Hauptberufung abhängig (Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 524 Rdn. 27 ff.).

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 221 Nr. 3
ZAAAC-66081

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja