Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 95b Abs 3 Satz 1; SGB V § 76 Abs 1 Satz 2
Instanzenzug: SG Hannover S 35 KA 535/05 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung kieferorthopädischer Leistungen, die nach einem Zulassungsverzicht erbracht worden sind.
Die Klägerin war als Kieferorthopädin in Hildesheim zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Sie verzichtete - wie zahlreiche andere Kieferorthopäden in Niedersachsen - zum auf ihre Zulassung. Das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des zu 1. beigeladenen Landes stellte mit Bescheid vom auf der Grundlage von § 72a Abs 1 SGB V fest, dass in den Planungsbereichen Landkreis Hannover, Landkreis Cuxhaven und Landkreis Hildesheim insgesamt jeweils mehr als 50 % aller dort niedergelassenen Kieferorthopäden in einem mit anderen Zahnärzten abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hatten. Infolgedessen sah das Ministerium die kieferorthopädische Versorgung in diesen Planungsbereichen ab dem nicht mehr als sichergestellt an. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wurde angeordnet.
Nach ihrem Verzicht auf die Zulassung behandelte die Klägerin ab Juli 2004 weiterhin Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen. Sie stellte der beklagten Ortskrankenkasse für die am durchgeführte Erstbehandlung des bei dieser Kasse familienversicherten S. K. den Betrag von 27,39 Euro in Rechnung. Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit der Begründung ab, es handele sich um vorbereitende Maßnahmen, die nicht berechnungsfähig seien.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27,39 Euro zu verurteilen. Sie hat die Auffassung vertreten, auch nach Rückgabe ihrer Zulassung sei sie auf der Grundlage des § 95b Abs 3 SGB V zur Behandlung von Versicherten der Krankenkassen berechtigt und dürfe auch Patienten behandeln, die nicht schon vor ihrem Zulassungsverzicht in ihrer Behandlung gewesen seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, aus § 95b Abs 3 SGB V ergebe sich keine Berechtigung von Kieferorthopäden, die in einem mit anderen Berufskollegen abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hätten, auch nach Wirksamwerden des Verzichts Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen zu dem 1,0-fachen Satz der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu behandeln. Eine solche Behandlungsberechtigung bestehe vielmehr in entsprechender Anwendung von § 76 Abs 1 SGB V nur dann, wenn eine notfallähnliche Situation vorliege. Das sei bei der Aufnahme der Behandlung von S. K. nicht der Fall gewesen. In Hildesheim und im Umkreis von 50 km um Hildesheim herum hätten in hinreichender Zahl zugelassene Kieferorthopäden zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestanden (Urteil vom ).
Mit ihrer Sprungrevision macht die Klägerin geltend, aus § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V ergebe sich ein eigener Status derjenigen Zahnärzte, von denen das zuständige Ministerium festgestellt habe, dass sie in einem mit anderen Zahnärzten abgestimmten Verfahren und Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hätten. Dieser Status habe zum Inhalt, dass die betroffenen Zahnärzte bzw Kieferorthopäden im Interesse der Versorgung der Patienten weiterhin berechtigt seien, Versicherte der Krankenkassen zahnärztlich bzw kieferorthopädisch zu behandeln. Aus solchen Behandlungen erwüchsen den Zahnärzten Vergütungsansprüche, die unmittelbar gegen die Krankenkassen zu richten seien. Soweit das SG angenommen habe, diejenigen Kieferorthopäden, die in einem mit anderen Berufskollegen abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet hätten, könnten nur in einer notfallähnlichen Situation iS des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Anspruch genommen werden, sei das unzutreffend. Der in § 95b SGB V abschließend geregelte Sonderfall der Behandlung durch Ärzte bzw Zahnärzte, die in einer abgestimmten Aktion auf ihre Zulassung verzichtet hätten, unterscheide sich von der Notfallsituation iS des § 76 SGB V. Der Gesetzgeber habe mit § 95b Abs 3 SGB V eine Regelung für ein unwiderleglich vermutetes Systemversagen bei Kollektivverzicht geschaffen, sodass im Einzelfall nicht mehr dargelegt werden müsse, dass es zu Versorgungslücken gekommen sei. Die vom SG befürchtete Besserstellung der Zahnärzte, die in einer kollektiven Aktion auf ihre Zulassung verzichtet haben, gegenüber denjenigen, die im System verblieben seien, bestehe nicht. Die Anspruchsberechtigung nach § 95b Abs 3 SGB V bleibe nur solange erhalten, wie die vertragszahnärztliche Versorgung nicht durch zugelassene Vertragszahnärzte sichergestellt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - einen Betrag in Höhe von 27,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet, kieferorthopädische Behandlungen zu vergüten, die Zahnärzte, die in einem mit anderen Berufskollegen abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung verzichtet hätten, erst nach Wirksamwerden ihres Verzichts begonnen hätten. § 95b SGB V regele nicht, unter welchen Voraussetzungen solche Zahnärzte von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch genommen werden könnten. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen lasse sich aus § 95b Abs 3 SGB V kein eigenständiges Dauerleistungsverhältnis zwischen den Krankenkassen und dieser Zahnarztgruppe herleiten. Mit dem Verzicht auf die Zulassung endeten grundsätzlich alle vertragszahnärztlichen Rechte und Pflichten der betreffenden Zahnärzte. Sie könnten von den Versicherten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur noch in Anspruch genommen werden, soweit ein Notfall iS des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V vorliege. Für diesen Fall normiere § 95b Abs 3 SGB V abweichend von den sonst üblichen Vergütungsbeziehungen einen eigenständigen Vergütungsanspruch des Zahnarztes gegen die Krankenkasse des Versicherten. Eine Notfallsituation habe bei der hier betroffenen Behandlung nicht vorgelegen. Das nehme die Klägerin für sich auch nicht in Anspruch. Darüber hinaus dürften Zahnärzte, die durch ihren Verzicht das System der vertragszahnärztlichen Versorgung gezielt gefährdet hätten, vergütungsrechtlich nicht privilegiert werden. Das wäre hier aber der Fall. Denn die von der Klägerin mit 27,39 Euro berechneten Leistungen wären auf der Grundlage der Abrechnung nach Ziff Ä1 des Bewertungsmaßstabes für vertragszahnärztliche Leistungen (Bema-Z) lediglich mit 6,86 Euro vergütet worden, weil insoweit andere Berechnungsvorgaben maßgeblich seien.
Die zu 2. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) hält § 95b SGB V wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit für verfassungswidrig. Die in § 95b Abs 3 SGB V normierte Einschränkung des ungehinderten und vollständigen Verzichts auf den Vertragsarztstatus sei als Eingriff in die Berufswahlfreiheit im Ergebnis nicht zu rechtfertigen.
Das zu 1. beigeladene Land hält an seiner dem Bescheid vom zugrunde liegenden Rechtsauffassung fest, dass die Klägerin durch den kollektiv abgesprochenen Verzicht ihre vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt habe, und ist der Auffassung, ein Vergütungsanspruch stehe ihr nicht zu.
Die zu 3., 4., 5., 6. und 7. beigeladenen Krankenkassen bzw Krankenkassenverbände schließen sich der Auffassung der Beklagten an, ohne selbst Anträge zu stellen. Die Beigeladene zu 8. äußert sich nicht.
II
Die Revision der Klägerin ist in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin der von ihr geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zusteht.
Als Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs kommt allein § 95b Abs 3 SGB V in Betracht. Die Vorschrift lautet: "Nimmt ein Versicherter einen Arzt oder Zahnarzt in Anspruch, der auf seine Zulassung nach Absatz 1 verzichtet hat, zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit befreiender Wirkung an den Arzt oder Zahnarzt. Der Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse ist auf das 1,0fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte oder der Gebührenordnung für Zahnärzte beschränkt. Ein Vergütungsanspruch des Arztes oder Zahnarztes gegen den Versicherten besteht nicht. Abweichende Vereinbarungen sind nichtig."
Die Voraussetzungen der Vorschrift sind nicht erfüllt. Die Klägerin gehört zwar zu dem dort angesprochenen Personenkreis, weil sie zum auf ihre Zulassung in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten iS des § 95b Abs 1 SGB V verzichtet hat. Dazu hat das beigeladene Land Niedersachsen mit bindendem Bescheid des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit vom festgestellt, dass jeweils mehr als 50 % der in den genannten Planungsbereichen niedergelassenen Zahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum verzichtet haben und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab dem nicht mehr sichergestellt ist (vgl zur Situation in Niedersachsen Andrés, BKK 2004, 312 und Schinnenburg, MedR 2005, 26). Nach den Feststellungen des SG haben sich acht von elf Kieferorthopäden im Kreis Hildesheim an der abgesprochenen Verzichtsaktion beteiligt. Die Klägerin stellt im Übrigen selbst nicht mehr in Abrede, dass damit die Voraussetzungen für den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen nach § 72a Abs 1 SGB V im Planungsbereich Kreis Hildesheim vorgelegen haben.
Die Klägerin ist jedoch, was ihren auf § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V gestützten Zahlungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse ausschließt, nicht "von einem Versicherten in Anspruch genommen" worden. Eine "Inanspruchnahme" iS des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V liegt nur dann vor, wenn der Versicherte berechtigt war, sich von dem aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Zahnarzt zu Lasten einer gesetzlichen Krankenkasse behandeln zu lassen. Denn nur eine berechtigte Inanspruchnahme eines Leistungserbringers kann eine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse auslösen. War eine solche Berechtigung nicht gegeben, besteht weder ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Zahnarztes gegen die Krankenkasse nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V noch ein Vergütungsanspruch des Zahnarztes gegen den Versicherten. § 95b Abs 3 SGB V befasst sich nach Wortlaut, systematischer Stellung der Vorschrift und Zweck der Regelung nur mit den vergütungsrechtlichen Beziehungen in solchen Behandlungsfällen, in denen ein Versicherter einen in einer abgestimmten Aktion aus der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Leistungserbringer berechtigterweise in Anspruch genommen hat, weil anders eine vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nicht in angemessener Zeit und mit zumutbarem Aufwand zu erreichen war. Die Vorschrift enthält hingegen keine Aussagen darüber, wann ein Versicherter einen iS des § 95b Abs 1 SGB V ausgeschiedenen Zahnarzt in Anspruch nehmen darf. Allein dieses Verständnis des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V entspricht Regelungsinhalt und Regelungsabsicht der Vorschrift.
Ärzte, die aufgrund eines Zulassungsverzichts aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden sind, dürfen grundsätzlich Versicherte der Krankenkassen nicht mehr zu deren Lasten behandeln. Die Berechtigung eines Arztes zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung setzt gemäß § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V seine Zulassung oder Ermächtigung voraus. Die Zulassung bewirkt gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung und damit die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung endet gemäß § 95 Abs 7 Satz 1 SGB V ua mit dem Wirksamwerden eines Verzichts. Die Vorschriften gelten nach § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V für Zahnärzte entsprechend, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist, was hier nicht der Fall ist. Damit können vertragszahnärztliche Leistungen einschließlich solcher der Kieferorthopädie nur Zahnärzte erbringen, die zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen oder ermächtigt sind, von der Sondersituation angestellter Ärzte abgesehen. Dem entspricht es, dass die freie Arztwahl der Versicherten gemäß § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V auf die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen oder anderweitig einbezogenen Leistungserbringer beschränkt ist. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die Inanspruchnahme durch die Versicherten. So muss, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, ein Versicherter nach einem Zulassungsverzicht seines behandelnden Zahnarztes eine bereits begonnene kieferorthopädische Behandlung grundsätzlich bei einem anderen zugelassenen Zahnarzt fortsetzen (BSGE 77, 227, 229 f = SozR 3-2500 § 29 Nr 3 S 12 f).
Die Begrenzung der Leistungserbringer auf solche, die zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen oder ermächtigt sind, gilt uneingeschränkt für die Durchführung von Behandlungen im Rahmen der Gewährung von Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V), grundsätzlich aber auch dann, wenn sich Versicherte für die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 1 SGB V entscheiden. Nach dem bis Ende 2003 geltenden Rechtszustand waren auch diejenigen Versicherten, die nach § 13 Abs 2 SGB V aF Kostenerstattung wählen konnten, darauf beschränkt, zugelassene Ärzte oder Krankenhäuser in Anspruch zu nehmen (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 7). Durch Art 1 Nr 4 Buchst a des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom (BGBl I, 2190) ist die Option der Kostenerstattung allen Versicherten eröffnet worden. § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V bestimmt aber, dass "nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden dürfen". Damit soll es den Versicherten "in Ausnahmefällen" möglich sein, nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen (Begr des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 80 zu Art 1 Nr 4 Buchst a DBuchst aa). Dies gilt allerdings nicht für solche Ärzte, die unter den Voraussetzungen des § 95b Abs 1 SGB V auf die Zulassung verzichtet haben. Denn nach § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom , BGBl I, 378; früher eingefügt als Satz 2 des § 13 Abs 2 SGB V durch Art 1 Nr 1 Buchst a des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom , BGBl I, 1520) ist die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V im Wege der Kostenerstattung ausgeschlossen.
Festzuhalten bleibt damit, dass nicht zugelassene Leistungserbringer nicht berechtigt sind, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen im Wege der Naturalleistung zu behandeln. Darüber hinaus dürfen Ärzte, die im Rahmen eines kollektiven Verzichts auf ihre Zulassung verzichtet haben, gemäß § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V von Versicherten auch nicht im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 1 SGB V in Anspruch genommen werden - von Ausnahmefällen abgesehen, auf die noch einzugehen sein wird.
Die Vorschrift des § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V ist Bestandteil eines in den Grundzügen durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz - (<GSG> - vom , BGBl I, 2266) zum in das SGB V aufgenommenen Regelungskonzepts, mit dem der Gesetzgeber Vorkehrungen für den Fall getroffen hat, dass Leistungserbringer in einem abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung verzichten. Er hat damit auf die Situation reagiert, dass insbesondere Vertragszahnärzte im Zuge der Verabschiedung des GSG im Jahre 1992 in Aussicht gestellt hatten, im Rahmen abgesprochener Aktionen auf ihre Zulassung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verzichten, um damit Versorgungsengpässe herbeizuführen, die das System der vertragszahnärztlichen Versorgung gefährden sollten (Nachweise zu einem Ende 1992 angedrohten "Ärztestreik" über die sog "Korbaktion" bei Klückmann in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB V, K § 72a RdNr 2-5, K § 95b RdNr 2). Der Gesetzgeber hat zum Schutz vor solchen Aktionen und zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung verschiedene Einzelregelungen erlassen, die in einem engen systematischen Zusammenhang stehen (vgl Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 76 zu <§ 13> und S 94 zu <§ 95b>; Zipperer, NZS 1993, 95, 99). Zunächst wird in § 95b Abs 1 SGB V normiert, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten. In der Begründung zu dieser Vorschrift wird ausgeführt, die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems sei in Frage gestellt und eine - zumindest kurzzeitige - Unterversorgung vorprogrammiert, wenn Vertragsärzte in großer Zahl zum gleichen Zeitpunkt das vertragsärztliche System verließen (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 zu <§ 95b>). Die kurzzeitige Unterversorgung ist nach Beurteilung des Gesetzgebers auch von den verzichtenden Vertragsärzten gewollt. Es sei gerade Ziel der Gemeinschaftsaktion, gemeinsam eine Abkehr vom Abrechnungsmodus des vertragsärztlichen Systems und eine privatärztliche Abrechnung mit den Versicherten zu erreichen. Zudem sei der kollektive Verzicht rechtsmissbräuchlich, weil ihn der verzichtende Vertragsarzt in der Erwartung erkläre, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer nicht ohne ihn auskommen und er werde deshalb weiterhin von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - dann allerdings zu den von ihm gewünschten Bedingungen - in Anspruch genommen werden. Der innere Vorbehalt der Endgültigkeit des Verzichts mache ihn zusätzlich pflichtwidrig (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 zu <§ 95b>).
An diese Bewertung des kollektiven Zulassungsverzichts hat der Gesetzgeber verschiedene Rechtsfolgen geknüpft. Zunächst ist in § 72a Abs 1 SGB V geregelt, dass über den kollektiven Verzicht ein feststellender Bescheid der Aufsichtsbehörde zu ergehen hat, damit für alle Beteiligten Klarheit darüber besteht, ob der Sicherstellungsauftrag in bestimmten Planungsbereichen auf die Krankenkassen übergegangen ist. Dieser Übergang erfolgt, wenn in einem Zulassungsbezirk oder einem regionalen Planungsbereich mehr als 50 % der niedergelassenen Vertragsärzte im Rahmen einer Absprache nach § 95b Abs 1 SGB V auf ihre Zulassung verzichten.
An den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen aufgrund einer entsprechenden Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB V knüpft die erste Sanktionsregelung des § 95b Abs 2 SGB V an. Dort ist normiert, dass Vertragsärzte, die in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung verzichtet und damit bewirkt haben, dass der Sicherstellungsauftrag in ihrem Planungsbereich auf die Krankenkassen übergegangen ist, eine erneute Zulassung frühestens nach Ablauf von sechs Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erhalten können. Weiterhin ist zur Regelung der Übergangssituation nach Übernahme der Sicherstellungsverantwortung durch die Krankenkassen in § 72a Abs 3 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen mit Ärzten oder Zahnärzten, die nach § 95b Abs 1 SGB V kollektiv auf ihre Zulassung verzichtet haben, Sicherstellungsverträge nach § 72a Abs 3 Satz 1 SGB V nicht abschließen dürfen.
Mögliche Rechtsbeziehungen zwischen den pflichtwidrig ausgeschiedenen Leistungserbringern und den Versicherten sowie deren Krankenkassen werden durch die hier umstrittene Vorschrift des § 95b Abs 3 SGB V geregelt. Diese soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass Vertragsärzte den mit einem kollektiven Verzicht verfolgten Zweck nicht auf Kosten der Versicherten und des Systems der GKV erreichen können. Der "kollektiv" ausgeschiedene Vertragsarzt bleibt dem Vertragsarztsystem kraft Gesetzes zumindest insoweit "verhaftet", als er die Behandlung eines Versicherten nur mit dem Einfachsatz nach der jeweils einschlägigen privatärztlichen Gebührenordnung vergütet erhält und ihm ausschließlich ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse eingeräumt wird. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, Pflichtverstöße gegen die Regeln dürften nicht auch noch durch eine unbegrenzte Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw GOZ belohnt werden (Begr des Gesetzentwurfs zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 95 zu <§ 95b>).
Diese Vergütungsregelungen greifen auch dann ein, wenn in einem bestimmten Planungsbereich der Sicherstellungsauftrag nicht nach § 72a Abs 1 SGB V auf die Krankenkassen übergegangen ist, weil die Grenze von 50 % ausgeschiedener Leistungserbringer nicht erreicht worden ist. Das Gesetz bindet die Anwendbarkeit des § 95b Abs 3 SGB V allein an den abgesprochenen Verzicht und nicht an die weitere Voraussetzung, dass gerade im Planungsbereich des betroffenen (Zahn-)Arztes mehr als 50 % der (Zahn-)Ärzte nach Absprache aus der Versorgung ausgeschieden sind. Auch die Bewertung des kollektiven Verzichts als pflichtwidrig iS des § 95b Abs 1 SGB V hängt nicht davon ab, dass ein solcher Verzicht zur Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB V führt. Dementsprechend schließt § 72a Abs 3 Satz 3 SGB V den Abschluss von Einzelverträgen mit allen Leistungserbringern aus, die nach § 95b Abs 1 SGB V ausgeschieden sind, ohne dass es auf die Situation im Planungsbereich des einzelnen (Zahn-)Arztes ankommt. Soweit die gegenteilige Auffassung (Hess in: Kasseler Kommentar, § 95b SGB V, Stand 2000, RdNr 5) damit begründet wird, die von der Vergütungsbegrenzung betroffenen Ärzte seien sonst nicht eindeutig feststellbar, trifft das nicht zu. Ob ein Arzt oder Zahnarzt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf seine Zulassung oder Vollermächtigung verzichtet hat, steht fest. Behandelt ein Leistungserbringer nach diesem Zeitpunkt noch Versicherte und liquidiert er in der von § 95b Abs 3 SGB V bezeichneten Form gegenüber deren Krankenkassen, macht er selbst deutlich, dass er in seiner Person die Voraussetzungen des § 95b Abs 1 SGB V als gegeben ansieht.
Aus den aufgezeigten Einzelregelungen ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber damit gerechnet hat, dass in bestimmten Situationen die kollektiv verzichtenden Ärzte oder Zahnärzte aus tatsächlichen Gründen nicht ausnahmslos gehindert werden können, ihr Ziel zu erreichen, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem System der vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Versorgung zu behandeln. Das beruht darauf, dass die Krankenkassen gerade für spezialisierte ärztliche oder zahnärztliche Leistungen nicht stets in der Lage sein werden, kurzfristig Leistungserbringer in hinreichender Anzahl durch Verträge nach § 72a Abs 3 SGB V zur Behandlung der Versicherten zu gewinnen. Das könnte insbesondere in solchen Bereichen der Fall sein, in denen Krankenhäuser und Krankenhausärzte die Behandlungen, die bisher von den kollektiv verzichtenden Ärzten bzw Zahnärzten durchgeführt worden sind, nicht übernehmen können. Das gilt auch für die hier betroffenen Leistungen der Kieferorthopädie. Die entsprechenden Behandlungen werden nahezu ausschließlich im ambulanten Sektor erbracht, sodass in stationären Einrichtungen (Zahnkliniken) nur unzureichende Kapazitäten zur Verfügung stehen, um kurzfristig die große Zahl insbesondere der Kinder und Jugendlichen, die eine kieferorthopädische Behandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigen, zu übernehmen. In Niedersachsen haben die Krankenkassen dementsprechend Mitte 2004 versucht, kieferorthopädische Behandlungen in Krankenhäusern mit mund-kiefer-gesichts-chirurgischen Abteilungen anzubieten, die dazu (auch) ausländische Kieferorthopäden eingestellt haben (Andrés, BKK 2004, 313). Zudem stellt sich bei der kieferorthopädischen Behandlung das Problem längerer Behandlungszyklen, sodass der Gesetzgeber damit rechnen musste, dass Versicherte versuchen würden, ungeachtet des Verzichts des behandelnden Zahnarztes auf die Zulassung die Fortsetzung der Behandlung durch diesen Zahnarzt zu erreichen (vgl dazu bereits BSGE 77, 227 = SozR 3-2500 § 29 Nr 3).
Der Gesetzgeber war aber bestrebt, die im Rahmen eines Kollektivverzichts ausgeschiedenen Leistungserbringer nur in dem absolut unvermeidbaren zeitlichen und quantitativen Umfang weiter an der Versorgung der Versicherten mitwirken zu lassen. Den dargestellten gesetzlichen Vorschriften für die Bewältigung der Folgen eines sog Kollektivverzichts ist auf dem Hintergrund der in der Gesetzesbegründung niedergelegten Regelungsabsicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass es dem Gesetzgeber fern gelegen hat, über § 95b Abs 3 SGB V einen Dauerstatus derjenigen Vertragsärzte bzw Vertragszahnärzte zu schaffen, die durch den kollektiven Verzicht ihre vertragsärztlichen Pflichten verletzt haben. Deshalb kann der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom (L 3 KA 90/05; hierzu das Urteil vom heutigen Tag B 6 KA 38/06 R) nicht gefolgt werden, dass Zahnärzte, die in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verhalten auf ihre Zulassung verzichtet haben, grundsätzlich so lange zur Behandlung von Versicherten der GKV berechtigt, aber auch verpflichtet seien, bis ihre freigewordenen Vertragszahnarztsitze wieder besetzt sind.
Eine Behandlungsberechtigung kollektiv ausgeschiedener Leistungserbringer im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung besteht - wie bereits im Einzelnen ausgeführt - von vornherein nicht. Sie ergibt sich auch nicht aus § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift regelt lediglich den Fall, dass Versicherte tatsächlich einen (Zahn-)Arzt, der nach § 95b Abs 1 SGB V im Rahmen einer abgestimmten Aktion auf seine Zulassung verzichtet hat, in Anspruch nehmen und sie hierzu berechtigt waren. In dieser Situation soll in erster Linie der Versicherte davor geschützt werden, diesem (Zahn-)Arzt gegenüber zur Honorierung privatzahnärztlicher Leistungen verpflichtet zu sein, ohne gewiss zu sein, diese Kosten von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Zu der Frage, in welchen Situationen Versicherte berechtigt sind, (Zahn-)Ärzte, die nach § 95b Abs 1 SGB V auf ihre Zulassung verzichtet haben, in Anspruch zu nehmen, verhält sich die Vorschrift nicht. Die Versicherten dürfen diese Leistungserbringer deshalb nur unter den Voraussetzungen in Anspruch nehmen, unter denen sie sich nach den allgemeinen Regeln des Krankenversicherungsrechts von Nichtvertragsärzten behandeln lassen dürfen. Insofern kommen - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - zunächst die Bestimmungen über die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten in Notfällen (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V) zur Anwendung.
Unabhängig vom Vorliegen einer Notfallsituation dürfen Versicherte der Krankenkassen zudem nicht zugelassene Ärzte und Zahnärzte unter den Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V in Anspruch nehmen. Diese sind ua gegeben, wenn eine Krankenkasse eine von ihr geschuldete unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Die Anforderungen für die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten zu Lasten der Krankenkasse hat das BSG dahin verallgemeinert, dass die Vorschrift einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewährt, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1 RdNr 12). Eine derartige, vereinfacht als "Systemversagen" beschriebene Lage kann eintreten, wenn Ärzte oder Zahnärzte in einer Region in der von § 95b Abs 1 SGB V bezeichneten Form aus der Versorgung ausscheiden und die Krankenkassen in den vom Kollektivverzicht betroffenen Leistungsbereichen ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht umgehend nachkommen können.
Abweichend von der in § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V geregelten Rechtsfolge, die in einem Rechtsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse auf Erstattung der für die Behandlung aufgewandten Kosten besteht, tritt in dem Fall, in dem der Versicherte berechtigterweise einen (Zahn-)Arzt in Anspruch genommen hat, der iS des § 95b Abs 1 SGB V auf seine Zulassung verzichtet hat, gemäß § 95b Abs 3 SGB V ein Vergütungsanspruch des (Zahn-)Arztes gegen die Krankenkasse an die Stelle des Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind jedoch in beiden Konstellationen identisch. Entscheidend ist danach, dass für den Versicherten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme eines iS des § 95b Abs 1 SGB V aus der Versorgung ausgeschiedenen (Zahn-)Arztes bestand, um in angemessener Zeit und mit zumutbarem Aufwand versorgt zu werden. Nur wenn das der Fall war und die Krankenkasse ihrerseits dem Versicherten keine Behandlungsalternativen hat aufzeigen können, steht dem (Zahn-)Arzt der in § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V näher beschriebene Anspruch zu.
Das Ineinandergreifen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die ausnahmsweise zulässige Inanspruchnahme eines nicht (mehr) zugelassenen Leistungserbringers nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V und der Rechtsfolgen des § 95b Abs 3 SGB V in vergütungsrechtlicher Hinsicht gewährleistet den vom Gesetz gewollten Schutz der Versicherten und ermöglicht den Krankenkassen die Bewältigung der schwierigen Lage nach einem Kollektivverzicht einzelner Arzt- oder Zahnarztgruppen. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist ein Versicherter, der nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch nehmen will, gehalten, sich bei seiner Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems zu erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1 RdNr 11). Dieser Weg ist auch dann geboten, wenn Ärzte oder Zahnärzte einer bestimmten Behandlergruppe unter den Maßgaben des § 95b Abs 1 SGB V auf ihre Zulassung verzichtet haben. Teilt die Krankenkasse in einer entsprechenden Situation einem Versicherten mit, gegen die Inanspruchnahme eines aus der vertragszahnärztlichen Versorgung pflichtwidrig ausgeschiedenen (Zahn-)Arztes bestünden keine Bedenken, kann sich dieser Versicherte ohne eigenes wirtschaftliches Risiko in die Behandlung dieses Arztes bzw Zahnarztes begeben. Nach § 95b Abs 3 Satz 3 SGB V treffen ihn keine Zahlungsverpflichtungen; abweichende Vereinbarungen sind nach § 95b Abs 3 Satz 4 SGB V nichtig und belasten den Versicherten deshalb nicht.
Demgegenüber steht die Annahme des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom (L 3 KA 90/05), über die Vergütungsregelung des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V könne eine dauerhafte Behandlungsberechtigung der nach § 95b Abs 1 SGB V ausgeschiedenen Zahnärzte zumindest für den Zeitraum bis zur "Nachbesetzung ihrer freigewordenen Vertragszahnarztsitze" geschaffen werden, im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben über den Ausschluss der sog Kollektivverzichtler aus der Behandlungsberechtigung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen. Zudem sprechen gegen diese Auffassung weitere Gesichtspunkte. So wäre zunächst die zeitliche Begrenzung des vom LSG angenommenen "Sonderstatus" auf der Grundlage des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V ungewiss. Das LSG differenziert bei seiner Anwendung des § 95b Abs 3 SGB V nicht nach der Versorgungslage im jeweiligen Planungsbereich. Wenn ein Zahnarzt in einem nicht unterversorgten Bereich iS des § 95b Abs 2 SGB V auf seine Zulassung/Ermächtigung verzichtet hat, wird sein Vertragszahnarztsitz möglicherweise überhaupt nicht "nachbesetzt" im Sinne der Rechtsprechung des LSG. Solange dies nicht zu einer Unterversorgung (§ 100 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 SGB V) führt, ist das unproblematisch. In der Konsequenz der Auffassung des LSG könnten die ausgeschiedenen Zahnärzte dann Versicherte auf unbegrenzte Zeit zu den Vergütungssätzen des § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V behandeln, ohne an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilzunehmen. Das sieht die gesetzliche Regelung gerade nicht vor.
Unhaltbare Konsequenzen ergäben sich weiterhin auch dann, wenn sich tatsächlich Zahnärzte für eine Zulassung in dem betroffenen Planungsbereich interessierten, wie sich gerade am Beispiel der Kieferorthopädie aufzeigen lässt. Solange die etablierten, mit den Versicherten und ihren Angehörigen in Kontakt stehenden zahnärztlichen Praxen trotz Zulassungsverzichts fortbestehen, ihr Behandlungsangebot offenhalten und von den Krankenkassen honoriert werden müssen, werden sich zulassungswillige Zahnärzte überlegen müssen, ob sie vertragszahnärztliche Praxen am gleichen Ort mit Aussicht auf Erfolg betreiben können. Die aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Zahnärzte, die tatsächlich in ihren Praxen weiterhin Behandlungen der Versicherten der Krankenkassen anbieten, hätten keinerlei wirtschaftlichen Anreiz, diesen für sie besonders günstigen Status, der im Ergebnis zu einer Privilegierung führt, zu beenden. Sie erhielten nach der Vorstellung des LSG Niedersachsen-Bremen eine Vergütung auf der Basis des 1,0-fachen Satzes der GOZ auf Dauer, unterlägen aber weder der Wirtschaftlichkeitsprüfung noch den Vorschriften über die Punktwertdegression bei Überschreiten bestimmter Punktmengen, nicht den qualitativen Vorgaben für die Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen und bei pflichtwidrigem Verhalten auch nicht der Disziplinargewalt der KZÄV; denn nach § 95 Abs 3 Satz 3 SGB V sind die vertragszahnärztlichen Regeln für sie nicht mehr verbindlich. Des Weiteren wäre die Höhe ihres Vergütungsanspruchs unabhängig davon, wie sich die vertragszahnärztliche Gesamtvergütung entwickelt und welche Maßnahmen die KZÄV ergreift oder ergreifen muss, um die gleichmäßige Verteilung der Gesamtvergütung auf alle betroffenen Zahnärzte einschließlich der Fachzahnärzte für Kieferorthopädie zu sichern (vgl dazu zuletzt BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23). Selbst die Vergütung auf der Basis des 1,0-fachen Satzes der GOZ kann schließlich - wie die Beklagte näher dargelegt hat - günstiger sein als die Vergütung auf der Grundlage des Bema-Z, was insbesondere auf der anderen Form von Pauschalhonorierungen für kieferorthopädische Behandlungen im Bema-Z in Relation zur GOZ beruht.
Das LSG Niedersachsen-Bremen stellt diese systemwidrigen Rechtsfolgen nicht in Abrede, sondern weist lediglich darauf hin, dies alles sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen und er habe es in Kauf genommen. Dies trifft indessen schon im Ansatz nicht zu. Es gibt weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung irgendeinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, auf der Grundlage der allein den Schutz der Versicherten bezweckenden Vergütungsregelung des § 95b Abs 3 SGB V könne eine Dauerbehandlungsverpflichtung und -berechtigung der infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens aus dem vertragszahnärztlichen Versorgungssystem ausgeschiedenen Ärzte begründet werden. Die Verwerfungen, von denen das LSG annimmt, der Gesetzgeber habe sie in Kauf genommen, ergeben sich überhaupt erst, wenn dem LSG im Ausgangspunkt hinsichtlich der Annahme einer zeitlich weitgehend unbegrenzten Behandlungsberechtigung gefolgt wird. Wird die Regelung des § 95b Abs 3 SGB V zutreffend lediglich als eine isolierte Vergütungsregelung für den - möglicherweise unvermeidlichen - Fall berechtigter Leistungsinanspruchnahme der aus dem vertragszahnärztlichen System ausgeschiedenen Zahnärzte verstanden, stellen sich die vom LSG als zwangsläufig eingeschätzten Verwerfungen von vornherein nicht ein.
Das soeben aufgezeigte Regelungskonzept des § 13 Abs 3 und des § 95b Abs 3 SGB V, das den Schutz der Versicherten im Falle eines gruppenbezogen abgesprochenen Zulassungsverzichts gewährleistet und eine Privilegierung der pflichtwidrig aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Leistungserbringer vermeidet, ist mit dem GG vereinbar. Der abweichenden Auffassung der zu 2. beigeladenen KZÄV (ebenso Schinnenburg, MedR 2005, 26, 29) folgt der Senat nicht. Die Begrenzung der von der Krankenkasse geschuldeten Vergütung auf das 1,0-fache des Gebührensatzes von GOÄ und GOZ ist eine Regelung der Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Diese ist verfassungskonform, weil sie einem wichtigen Gemeinwohlbelang dient, zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele erforderlich und insgesamt verhältnismäßig ist.
Die Regelung soll in erster Linie dazu beitragen, Ärzte und Zahnärzte von einem pflichtwidrigen, organisierten Verzicht auf ihre Zulassung iS des § 95b Abs 1 SGB V abzuhalten. Ein derartiger kollektiver Zulassungsverzicht erschüttert die Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung, deren Sicherstellung in sachlicher wie in finanzieller Hinsicht ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht ist (dazu näher BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 132 ff). Gerade weil ein kollektiv abgesprochener Verzicht die Versorgung gefährden und uU zumindest für eine begrenzte Zeitspanne auf die Mitwirkung der kollektiv ausscheidenden Leistungserbringer nicht verzichtet werden kann, erschien dem Gesetzgeber eine Begrenzung der von den Krankenkassen zu zahlenden Vergütung für nach dem Wirksamwerden des Verzichts erbrachte Leistungen unvermeidlich. Ohne eine entsprechende Regelung hätten die betroffenen Ärzte nach den Bestimmungen von GOÄ und GOZ gegenüber ihren Patienten privat liquidieren können (Klückmann in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB V, K § 95b RdNr 24), und diese hätten sich auf der Grundlage des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V um die Erstattung der Kosten bei der Krankenkasse bemühen müssen. Eine dauerhafte Berechtigung zur Privatliquidation auf diesem Niveau hätte massive Anreize für einen Ausstieg aus dem System der vertragsärztlichen Versorgung gesetzt. Wenn der Gesetzgeber die Vergütung auf die in GOÄ und GOZ normierte Mindestmarge des 1-fachen des Gebührensatzes begrenzt, welcher gemäß § 11 Abs 1 GOÄ für ärztliche Leistungen zugunsten bestimmter öffentlicher Leistungsträger vorgesehen ist, wird einerseits eine (noch) hinreichende Vergütung gewährt, andererseits werden jedoch alle Anreize vermieden, sich auf Dauer für die gesetzlich nicht vorgesehene Rolle eines aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen, aber weiter an dieser Versorgung mitwirkenden Arztes zu entscheiden.
Soweit die Beigeladene zu 2. der Auffassung ist, § 95b Abs 3 SGB V erschwere den Ausstieg eines Zahnarztes aus der vertragszahnärztlichen Versorgung unangemessen, ist das nicht zutreffend. Die Vorschrift greift nur ein, wenn ein vom Gesetzgeber als pflichtwidrig bewerteter kollektiver Zulassungsverzicht vorangegangen ist. Sie betrifft typischerweise Ärzte und Zahnärzte, die sich zunächst als zugelassene Leistungserbringer eine Praxis mit einem Patientenstamm aus Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen aufgebaut haben, und die in der Erwartung, dieser Patientenstamm werde ihnen auch nach dem abgesprochenen Zulassungsverzicht erhalten bleiben, diesen Schritt vollziehen. Zwischen dieser Gruppe und den Ärzten, die sich von vornherein nur als Privatärzte niederlassen oder individuell auf die Zulassung verzichten, bestehen Unterschiede von solchem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist (Art 3 Abs 1 GG).
Im Übrigen trifft die Auffassung der zu 2. beigeladenen KZÄV nicht zu, Ärzten und Zahnärzten müsse es möglich sein, sich vollständig von den Vorgaben und - aus ihrer Sicht - Restriktionen des Krankenversicherungssystems zu lösen. Das Gegenteil ergibt sich seit Jahrzehnten aus der Rechtsprechung des BSG zur Vergütung von Notfallbehandlungen durch Nichtvertrags(zahn)ärzte. Diese erfolgt über die K(Z)ÄV nach den Regeln und auf dem Niveau der vertrags(zahn)ärztlichen Honorierungsbestimmungen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5). Davon kann sich kein (Zahn-)Arzt lösen. Wenn die begrenzte Einbeziehung aller niedergelassenen (Zahn-)Ärzte in vertrags(zahn)ärztliche Regelungen unabhängig davon zulässig ist, ob diese jemals vertrags(zahn)ärztlich tätig waren, kann es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, (Zahn-)Ärzte, die die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung pflichtwidrig verlassen haben, vergütungsrechtlich im Rahmen einer Nachhaftung an vertrags(zahn)ärztliche Vergütungsregelungen zu binden. Der Gesetzgeber hat den ihm im Rahmen der Regelung der Berufsausübung nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG zustehenden Gestaltungsspielraum nicht verletzt, soweit er im Zuge der Regelung der Folgen eines kollektiven Zulassungsverzichts den Schutz der Patienten vor hohen Zahlungsverpflichtungen und den Schutz der Krankenkassen vor Zahlungen für die Versorgung ihrer Versicherten zusätzlich zur Gesamtvergütung höher bewertet als das Interesse der in einer Gruppenabsprache aus der Versorgung ausgeschiedenen (Zahn-)Ärzte daran, Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen wie Privatversicherte behandeln und entsprechend liquidieren zu dürfen.
Nach den aufgezeigten Grundsätzen steht der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nach § 95b Abs 3 Satz 1 SGB V nicht zu. Es ist weder vom SG festgestellt noch sonst ersichtlich, dass für die Erstbehandlung des Versicherten S. K. im April 2005 in Hildesheim bzw im Umkreis dieser Stadt zur Behandlung geeignete und bereite zugelassene oder ermächtigte Zahnärzte bzw Kieferorthopäden nicht zur Verfügung gestanden haben und der Versicherte deshalb nach Rücksprache mit seiner Krankenkasse die Klägerin berechtigterweise in Anspruch genommen hat. Diese Voraussetzungen des "Systemversagens" iS des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V müssen in jedem einzelnen Behandlungsfall geprüft werden und vorliegen. Für die Annahme eines "Systemversagens" ist demgemäß nicht ausreichend, dass in einem Planungsbereich eine Unterversorgung bei kieferorthopädischen Leistungen besteht. Auch die Feststellung des zu 1. beigeladenen Landes gemäß § 72a Abs 1 SGB V, dass im Planungsbereich Hildesheim ab die kieferorthopädische Versorgung nicht mehr sichergestellt sei, bewirkt nicht, dass in dem Planungsbereich generell von einem "Systemversagen" bei der kieferorthopädischen Versorgung ausgegangen werden kann. Eine solche Feststellung hat lediglich den Übergang des Sicherstellungsauftrags von der KZÄV auf die Krankenkassen zur Folge und stellt diesen ein eigenständiges Instrumentarium zur Gewährleistung der Sicherstellung zur Verfügung (§ 72a Abs 2 bis 5 SGB V). Nur soweit und solange den Krankenkassen gleichwohl die Sicherstellung der Versorgung für einen bei ihr um Gewährung von ärztlicher Behandlung als Naturalleistung nachsuchenden Versicherten im Einzelfall tatsächlich nicht möglich ist, sind die Voraussetzungen des "Systemversagens" gegeben und damit der Versicherte berechtigt, einen Leistungserbringer gemäß § 95b Abs 3 SGB V in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin hat im Übrigen das Vorliegen eines Systemversagens im Falle des Versicherten S. K. auch nicht vorgetragen, sondern sich auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen allein darauf berufen, ihre Behandlungsberechtigung bestehe trotz ihres Verzichts uneingeschränkt fort. Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, s dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
OAAAC-64696