BGH Beschluss v. - XI ZB 6/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2

Instanzenzug: LG Konstanz 5 O 7/04 vom OLG Karlsruhe in Freiburg 9 U 186/05 vom

Gründe

Das die Klage des Klägers gegen die Beklagte, mit der er Schadensersatz aus einem verlustträchtigen Investment begehrt, abgewiesen. Die Entscheidung wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten, der Nebenintervenienten, am zugestellt.

Mit Schriftsatz vom hat der Nebenintervenient zu 2) namens des Klägers eine Berufungsschrift nebst Berufungsbegründung eingereicht, verbunden mit dem Antrag, dem Kläger "vorab" Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Nebenintervenienten zu 2) beizuordnen sowie der Bitte, nach Gewährung von Prozesskostenhilfe den Schriftsatz zuzustellen. Auf telefonische Rückfrage des Vorsitzenden am teilte der Nebenintervenient zu 2) mit Schriftsatz vom mit, dass es sich bei dem Schriftsatz vom um einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe handele, verbunden mit dem Entwurf einer Berufungsbegründung.

Mit am zugestelltem Beschluss vom bewilligte das Oberlandesgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung in eingeschränktem Umfang. Am wurde das Verfahren vom Oberlandesgericht ausgetragen, da kein Wiedereinsetzungsgesuch gestellt und die Berufung auch nicht nachgeholt worden sei. Eine entsprechende Mitteilung ging am bei den Nebenintervenienten ein. Mit Telefax vom beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungseinlegung und der Berufungsbegründung.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch den angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen und zugleich das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wenden sich die Nebenintervenienten ausschließlich dagegen, dass das Oberlandesgericht den Schriftsatz vom nicht als unbedingte Einlegung der Berufung nebst Berufungsbegründung gewertet hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufung überspannt hat.

1. Der Kläger hat die Frist zur Berufungseinlegung und zur Berufungsbegründung mit seinem Schriftsatz vom gewahrt, so dass sich die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stellt.

a) Wenn der Rechtsmittelführer einen Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit einem Schriftsatz einreicht, der - wie hier - die formalen Anforderungen einer Berufungsschrift bzw. einer Berufungsbegründung erfüllt, ist das regelmäßig als unbedingt eingelegtes Rechtsmittel zu behandeln. Die Deutung, dass der Schriftsatz zunächst nur als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemeint war, kommt nur dann in Betracht, wenn sich das entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt. Im Zweifel ist zugunsten des Rechtsmittelführers anzunehmen, dass er eher das Kostenrisiko einer ganz oder teilweise erfolglosen Berufung auf sich nimmt als von vornherein zu riskieren, dass seine Berufung als unzulässig verworfen wird, er also unbedingt Berufung eingelegt hat und sich lediglich für den Fall der Versagung von Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vorbehält (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f.; BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 25/04, FamRZ 2004, 1553, 1554; vom - XII ZB 235/05, FamRZ 2007, 895, 896, Tz. 10 und vom - XII ZB 31/07, Umdruck S. 5, Tz. 10 m.w.Nachw.).

b) Das Oberlandesgericht hat diese Rechtsprechung bei seiner Auslegung nicht beachtet. Entscheidend ist bei der Auslegung allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Berufungsgericht innerhalb der am ablaufenden Berufungsfrist erkennbar war. Spätere "klarstellende" Parteierklärungen können dabei nicht berücksichtigt werden (, NJW-RR 2000, 1590 m.w.Nachw.), so dass entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts die "Klarstellung" im Schriftsatz vom bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben hat. Der Schriftsatz vom erfüllt die formalen Anforderungen einer Berufungsschrift und -begründung (§§ 519, 520 ZPO). Er enthält die ohne Einschränkungen versehene Erklärung, dass gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt wird sowie Berufungsanträge und deren Begründung. Soweit in dem Schriftsatz ebenfalls beantragt wird, vorab über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden und erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Schriftsatz zuzustellen, spricht das nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit für eine bedingte Berufungseinlegung oder einen bloßen Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit einem Entwurf einer Berufungsschrift. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen. Der Umstand, dass der Vorsitzende des Berufungssenats nach Vorlage des Schriftsatzes vom am den Prozessbevollmächtigten des Klägers um Klarstellung gebeten hat, zeigt im Übrigen, dass auch er Zweifel daran hatte, dass es sich um einen bloßen Prozesskostenhilfeantrag handelte. Bei dieser Sachlage durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden.

2. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Fundstelle(n):
ZAAAC-63813

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein