Ermittlung des Sachverhalts bei Abgrenzung des nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfreien Veräußerungsgewinns
Gesetze: FGO § 76, KStG § 8b Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitpunkt ist die Aufteilung des aus einem Verkauf diverser Beteiligungen resultierenden Veräußerungserlöses auf einerseits die inländischen und andererseits die ausländischen Beteiligungen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) veräußerte zum Oktober 1998 mit einheitlichem Kaufvertrag eine Reihe von Beteiligungen an in- und ausländischen Unternehmen an die X-KG zum Gesamtpreis von . DM. In einem Anhang zum Kaufvertrag legten die Vertragsparteien den Anteil des auf die inländischen Beteilungen entfallenden Kaufpreises auf 20,82 % fest, den ausländischen Beteiligungen ordneten sie 79,18 % des Kaufpreises zu. Die Aufteilung beruhte auf einer um Zu- und Abschläge ergänzten Ertragskapitalisierung auf fünf Jahre.
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr 1999 berechnete die Klägerin die nach § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) steuerfreien Veräußerungsgewinn hinsichtlich der ausländischen Beteiligungen anhand der vertraglichen Aufteilung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erkannte die vertragliche Aufteilung des Veräußerungserlöses im Rahmen der Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr nicht an und bewertete den auf die ausländischen Beteiligungen entfallenden Teil des Veräußerungsgewinns auf der Grundlage einer Modifikation des Stuttgarter Verfahrens mit lediglich 62,72 % (anstatt 79,18 %) des Gesamterlöses.
Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 10 K 94/05 zurückgewiesen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das Urteil und stützt ihr Begehren auf Verfahrensfehler, auf eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, weil das FG seine Überzeugung unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet hat.
Das FG ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH (vgl. , BFH/NV 2006, 1634; , BFH/NV 2007, 1104) davon ausgegangen, dass bei der Abgrenzung des zu versteuernden von dem nach § 8b Abs. 2 KStG 1999 steuerfreien Veräußerungsgewinn die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf die veräußerten Beteiligungen zugrunde zu legen ist, wenn nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer Scheinvereinbarung oder eines Gestaltungsmissbrauchs gegeben sind. Als (einzigen) Anhaltspunkt für eine solche „steuerinteressierte” Aufteilung benennt das FG sodann den Umstand, dass die X-KG nach Auskunft des FA den auf die inländischen Beteiligungen entfallenden Anteil in ihrer Bilanz mit höheren Anschaffungskosten aktiviert habe. Dass die X-KG sich gegenüber der Finanzverwaltung demnach nicht an die Kaufpreisvereinbarung halte, lasse darauf schließen, dass die im Vertrag vereinbarte Aufteilung nicht unter Bewertungsgesichtspunkten, sondern z.B. aus Gründen der Steuervermeidung vorgenommen worden sei und rechtfertige eine vom Vertrag abweichende Wertaufteilung.
Bei der Bewertung der nachvertraglichen Bilanzierung der Beteiligungen durch die X-KG als entscheidenden Beleg für einen Gestaltungsmissbrauch hat sich das FG ausschließlich auf die vom FA mitgeteilten Zahlen gestützt, ohne jedoch zu prüfen, ob die X-KG nicht möglicherweise ihrerseits einen steuerlich motivierten Grund für die Aktivierung eines höheren Betrages gehabt haben könnte. Das FG hat ohne weiteres unterstellt, dass nicht die im Kaufvertrag vorgenommene Wertung, sondern die spätere Bilanzierung durch die X-KG den marktgerechten Wert der Beteiligungen widerspiegele und folgert daraus, dass im Rahmen des Kaufvertrages sachfremde Gesichtspunkte im Vordergrund gestanden haben müssten. Damit ist das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht gerecht geworden. Denn gemäß § 76 Abs. 1 FGO ist das Gericht gehalten, den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären (vgl. , BFHE 153, 463; , Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 1187). Bei Heranziehung des nachvertraglichen Verhaltens der X-KG als allein ausschlaggebendes Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch bzw. eine Scheinvereinbarung ist es deshalb unerlässlich, sich mit den möglichen Beweggründen für den jeweiligen Wertansatz sowohl mit Blick auf die Vertragsparteien im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses als auch hinsichtlich der X-KG bei der späteren Bilanzierung zu befassen. Nur wenn sich dabei ein triftiger Anhaltspunkt für einen Gestaltungsmissbrauch oder eine Scheinvereinbarung ergibt, könnte eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Preisaufteilung gerechtfertigt sein.
2. Keiner Entscheidung bedarf, ob auch die von der Klägerin darüber hinaus noch geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben sind. Denn aufgrund des Verfahrensverstoßes würde es voraussichtlich in jedem Fall zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits kommen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2354 Nr. 12
IStR 2007 S. 867 Nr. 23
YAAAC-62153