BFH Beschluss v. - II B 5/07

Grunderwerbsteuer bei Verschmelzungsvorgang im Konzern

Leitsatz

Bei Verschmelzungsvorgängen im Konzern ist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG anwendbar. Die Beteiligungsverhältnisse an den am Umwandlungsvorgang beteiligten Kapitalgesellschaften spielen hierbei keine Rolle. Auf einen bloßen Formwechsel ist die Vorschrift nicht anwendbar. Die gesonderte Feststellung des bei einem Umwandlungsvorgang als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzenden Grundbesitzwerts ist für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid bindend, wenn sie nicht nichtig ist. Das gilt auch bei Feststellung des Grundbesitzwerts für erbbaurechtsbelastete Grundstücke.

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3; GrEStG § 2; GrEStG § 8 Abs. 2; BewG § 148; ; BewG § 138

Instanzenzug:

Gründe

I. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom übertrug die X-GmbH ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung nach § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes auf die Z-GmbH gegen Gewährung eines Geschäftsanteils dieser Gesellschaft an die A-AG, die alleinige Gesellschafterin der X-GmbH (Verschmelzung durch Aufnahme). Zum Vermögen der X-GmbH gehörten ein unbebautes Grundstück und zwei mit Erbbaurechten belastete Grundstücke. Die Verschmelzung wurde am im Handelsregister eingetragen. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, war seinerzeit die alleinige Gesellschafterin der X-GmbH und ist aufgrund Verschmelzung deren Rechtsnachfolgerin.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nahm an, dass der Übergang des Eigentums an dem Grundbesitz aufgrund der Verschmelzung der X-GmbH auf die Z-GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliege, und setzte als Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die nach § 138 Abs. 3 und 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der im Jahr 2003 geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom (BGBl I, 2049) gesondert festgestellten Grundstückswerte an. Dem Begehren der Klägerin, für die Bemessung der Grunderwerbsteuer von den Grundstückswerten, die für die mit Erbbaurechten belasteten Grundstücke festgestellt worden waren, den kapitalisierten Wert der jährlich zu zahlenden Erbbauzinsen abzuziehen, entsprach das FA nicht. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die auf eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf . € gerichtete Klage mit der Begründung ab, die Bescheide über die Feststellung der Grundstückswerte seien als Grundlagenbescheide für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer verbindlich. Einwendungen gegen die festgestellten Grundstückswerte könnten nur im Rahmen der Anfechtung der Feststellungsbescheide erhoben werden. Auch der Einwand, die Besteuerung verstoße gegen das Übermaßverbot, sei unbegründet. Die Klägerin habe einen tatsächlich niedrigeren Wert der Grundstücke nicht nachgewiesen.

Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass zwar der Übergang von Grundstückseigentum im Rahmen von Verschmelzungen der Grunderwerbsteuer unterliege, nicht aber ein reiner Formwechsel von Rechtsträgern mit Grundbesitz. Jedenfalls bei 100%igen Beteiligungen sei die Anknüpfung der Grunderwerbsteuer an Umwandlungsvorgänge im Konzern zudem insgesamt gleichheitswidrig. Es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht vereinbar, dass bei einer Verschmelzung als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für erbbaurechtsbelastete Grundstücke nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG in der im Jahr 2003 geltenden Fassung des JStG 1997 das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses heranzuziehen sei, während nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins nicht zu den Grundstücken gerechnet werde und daher die Grunderwerbsteuer beim Kauf von erbbaurechtsbelasteten Grundstücken entsprechend niedriger ausfalle.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin dargelegten Gründe rechtfertigen keine Zulassung der Revision. Die von ihr herausgestellten Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Frage, ob die Verschmelzung einer GmbH mit Grundbesitz auf eine andere GmbH hinsichtlich des Übergangs des Eigentums an inländischen Grundstücken auf den aufnehmenden Rechtsträger ohne Rücksicht auf die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt und ob dies verfassungsgemäß ist, ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im bejahenden Sinne bereits geklärt.

a) Die Grunderwerbsteuer erfasst auch solche Rechtsträgerwechsel, die nicht Teil eines Leistungsaustausches „Grundstück gegen Entgelt” sind. Zu diesen bloßen Rechtsträgerwechseln zählten schon in vorkonstitutioneller Zeit —sogar schon in der Zeit vor dem GrEStG 1940— auch Grundstücksübergänge infolge von Umwandlungen (, BFH/NV 2005, 69). Der (BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137) seine Rechtsprechung bestätigt, dass ein Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vorliegt, wenn bei Umwandlungen kraft Gesetzes ein Eigentumsübergang an Grundstücken eintritt (ebenso , BFH/NV 2004, 1439, und , BFH/NV 2000, 1136, zur übertragenden Umwandlung einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks in eine eingetragene Genossenschaft; , BFHE 174, 185, BStBl II 1994, 866, zur Verschmelzung von Genossenschaften).

b) Soweit die Klägerin die Frage nach der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG bei Verschmelzungsvorgängen im Konzern insbesondere bei 100%igen Beteiligungen herausstellt, hat sie übersehen, dass das FG das Bestehen eines derartigen Konzerns zwischen den Alleingesellschaftern der an der Verschmelzung beteiligten GmbHs nicht festgestellt hat und bei der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache von den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen und nicht vom Sachvortrag des Beschwerdeführers auszugehen ist (, BFH/NV 2007, 857).

Davon abgesehen ist bereits geklärt, dass die Beteiligungsverhältnisse an den an einem Umwandlungsvorgang beteiligten Kapitalgesellschaften für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG keine Rolle spielen. Der Tatbestand dieser Vorschrift knüpft ausschließlich an die zivilrechtliche (sachenrechtliche) Eigentumsänderung an, die durch eine grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung weder negativ ausgeschlossen noch positiv bewirkt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 174, 185, BStBl II 1994, 866). Die zivilrechtliche Selbständigkeit der beteiligten Kapitalgesellschaften ist auch grunderwerbsteuerrechtlich zu beachten (vgl. zur auf § 1 Abs. 3 GrEStG beruhenden Steuerbarkeit einer Anteilsübertragung von einer Kapitalgesellschaft auf eine andere trotz gleicher Alleingesellschafterin , BFHE 200, 430, BStBl II 2003, 320; vgl. dazu ferner Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 1 Rz 37, m.w.N.). Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind nicht am Vermögen der Gesellschaft, sondern nur an dieser selbst beteiligt (, BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587).

c) § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ist demgegenüber auf einen bloßen Formwechsel nicht anwendbar. In einem solchen Fall ist das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „Übergang des Eigentums” nicht erfüllt, da es an einem Rechtsträgerwechsel fehlt (, BFHE 181, 349, BStBl II 1997, 661; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 1 Rz 9; Fischer, a.a.O., § 1 Rz 545 ff.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 1 Rz 14, 20). Die unterschiedliche grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Umwandlungsvorgängen, die zu einem Rechtsträgerwechsel führen, einerseits und des bloßen Formwechsels andererseits ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, wie der BFH bereits wiederholt entschieden hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1439; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 1136, und vom II B 53/00, BFH/NV 2001, 817).

Die Ausführungen der Klägerin sowie von Beuthien in Betriebs-Berater 2007, 133 geben keinen Anlass, diese Frage erneut in einem Revisionsverfahren zu prüfen. Neue und gewichtige, vom BFH noch nicht geprüfte Argumente werden nicht vorgebracht. Das Hessische FG hat sich in dem von der Klägerin angeführten Gerichtsbescheid vom 5 K 4400/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1091) mit eingehender Begründung der Rechtsprechung des BFH angeschlossen und die Steuerbarkeit des Übergangs von inländischen Grundstücken anlässlich der übertragenden Verschmelzung zweier Wohnungsbau-Genossenschaften vom ursprünglichen auf den neuen Rechtsträger und deren Verfassungsmäßigkeit bejaht (zustimmend Fumi, EFG 2006, 1094). Allein der Umstand, dass das FG die Revision gegen den Gerichtsbescheid zugelassen hat und die Revision eingelegt wurde (Az. des BFH: II R 32/06), verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

2. Die von der Klägerin herausgestellte Frage nach dem Verhältnis von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG in der im Jahr 2003 geltenden Fassung des JStG 1997, wonach bei einer Verschmelzung als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für erbbaurechtsbelastete Grundstücke das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses heranzuziehen ist, zu der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG, nach der das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins nicht zu den Grundstücken gerechnet wird, ist zwar trotz der Neufassung des § 148 BewG durch das JStG 2007 vom (BGBl I, 2878) von grundsätzlicher Bedeutung. Diese Frage könnte aber auch im Hinblick auf die von der Klägerin angeführten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte nur in einem die Feststellungsbescheide betreffenden Rechtsbehelfsverfahren, nicht aber in einem Revisionsverfahren in der vorliegenden Sache geklärt werden, und führt daher nicht zur Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 162/03, BFH/NV 2005, 224, und vom V B 5/04, BFH/NV 2005, 910).

Einer Klärung der Frage in dem gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichteten Verfahren steht § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entgegen. Danach können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.

In diesem Verhältnis von Grundlagenbescheid zu Folgebescheid stehen die Bescheide über die Feststellung der Grundstückswerte und der auf ihrer Grundlage ergangene, im vorliegenden Verfahren angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Danach wird die Steuer u.a. bei Umwandlungen aufgrund eines Bundesgesetzes nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. Die gesonderte Feststellung der Grundstückswerte beruht auf § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG i.d.F. des JStG 1997. Die Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für den Grunderwerbsteuerbescheid von Bedeutung sind. Dies trifft für die festgestellte Höhe der Grundstückswerte zu. Selbst wenn die Feststellungsbescheide rechtswidrig sein sollten, entfalten sie Bindungswirkung (, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381). Dass sie nichtig und deshalb nicht bindend seien, macht die Klägerin nicht geltend.

Die Bindung des für den Erlass eines Folgebescheids zuständigen FA an die in einem Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen hindert dieses FA an einer eigenständigen steuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts, der Gegenstand des Feststellungsbescheids ist, und insbesondere auch an einer abweichenden Entscheidung (, BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342; , BFH/NV 1999, 513). Die bindende Wirkung der festgestellten Grundstückswerte für die erbbaurechtsbelasteten Grundstücke steht danach im vorliegenden Verfahren einer abweichenden Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entgegen, wie sie die Klägerin begehrt.

Die von der Klägerin erhobenen gesetzessystematischen und verfassungsrechtlichen Bedenken ändern nichts an diesem Verhältnis der Feststellungsbescheide zum Grunderwerbsteuerbescheid. Für die Grunderwerbsteuer gilt insoweit nichts anderes als für das Verhältnis von Bescheiden zur Feststellung des Grundstückswerts als Grundlage für die Festsetzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer zum Steuerbescheid. Die Entscheidung, ob der in § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. bestimmte pauschale Wert oder —aus verfassungsrechtlichen Gründen— ein anderer, niedrigerer Wert eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks der Bemessung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu Grunde zu legen ist, ist nicht in einem gegen den Steuerbescheid gerichteten Verfahren, sondern in einem auf das Feststellungsverfahren bezogenen Rechtsbehelfsverfahren zu treffen (, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036).

3. Die Klägerin macht in der Beschwerdebegründung nicht geltend, das FG hätte das Verfahren bis zur abschließenden Entscheidung über (etwaige) noch offene Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungsbescheide über die Grundstückswerte nach § 74 FGO aussetzen müssen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 126/06, BFH/NV 2007, 1150, und vom X B 21/07, BFH/NV 2007, 1532). Auch wenn dem FG insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen sein sollte, kann dieser mangels Rüge nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 5/06, BFH/NV 2007, 479; vom XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389, und vom X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2351 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 13
UVR 2007 S. 363 Nr. 12
UVR 2008 S. 5 Nr. 1
YAAAC-61505