BSG Urteil v. - B 1 KR 39/06 R

Leitsatz

1. Wechselt ein Versicherter seine Krankenkasse, so endet die Leistungszuständigkeit der abgebenden Krankenkasse auch dann mit dem Ende der Mitgliedschaft, wenn der Versicherte Krankenhausbehandlung erhält, die mit einer Fallpauschale vergütet wird (Aufgabe von = BSGE 89, 86, 87 = SozR 3-2500 § 19 Nr 4).

2. Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander unterliegen im Bereich der Sozialversicherung nicht dem Anspruch auf Prozesszinsen (Fortführung von = BSGE 49, 227 = SozR 1200 § 44 Nr 2; Abgrenzung zu = BVerwGE 114, 61).

Gesetze: SGB V § 2 Abs 2; SGB V § 13 Abs 1; SGB V § 19 Abs 1; SGB V § 39 Abs 1; SGB X § 102 Abs 1; SGB X § 105 Abs 1; SGB X § 108 Abs 2; SGB X § 111; BGB § 291; KHEntgG § 9; KHG § 16 S 1 Nr 1 F: ; KHG § 17 Abs 2a S 3; KHG § 17b; BPflV F: 09.12.997 J: 1994 § 11 Abs 1 ; BPflV J: 1994 § 14 Abs 5 S 1 Nr 1 ; BPflV F: 09.12.997 J: 1994 § 14 Abs 5 ; BPflV F: 09.12.997 J: 1994 § 14 Abs 7 ; BPflV J: 1994 § 14 Abs 5 S 1 Nr 2 ; BPflV F: 09.12.997 J: 1994 § 14 Abs 11 ; BPflV J: 1994 § 15 Abs 1 Nr 1 ; BPflV J: 1994 § 16 Abs 2

Instanzenzug: LSG Hamburg L 1 KR 23/05 vom SG Hamburg S 48 KR 180/03 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung nebst Zinsen.

Die 1982 geborene, zwischenzeitlich verstorbene J. N. (im Folgenden: Versicherte) erhielt wegen akuter myeloischer Leukämie im Universitätsklinikum E. (UKE) vom bis zur Entlassung am eine Knochenmarkstransplantation (Myeloablative Therapie mit Transplantation allogen-verwandter HLA-identischer hämatopoetischer Stammzellen; Transplantation des Spenderknochenmarks nach Abschluss der achttägigen Konditionierung). In der Konditionierungsphase werden hierzu durch eine hochtoxische Behandlung die blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks und bei späterer Fremdspende (allogene Stammzellentransplantation) auch das Immunsystem des Empfängers weitgehend ausgelöscht. Das dient dazu, dass die frischen, transplantierten Zellen ein neues, nicht mehr erkranktes Blutbildungssystem entwickeln und nicht abgestoßen werden, sondern anwachsen können. Hierfür berechnete das UKE die Fallpauschale 11.02 nach dem "Bundesweiten Entgeltkatalog für Fallpauschalen" für Krankenhäuser nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 14 Abs 4 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in Höhe von 236.685,97 DM, entsprechend 121.015,61 Euro. Während der 37tägigen Krankenhausbehandlung war die Versicherte als Familienangehörige bis zum bei der klagenden Krankenkasse (KK) und seit dem bei der beklagten KK krankenversichert. Beide KKn lehnten zunächst eine Bezahlung der Fallpauschale wegen des KK-Wechsels ab. Daraufhin sah sich die Klägerin entsprechend einer Vereinbarung der Spitzenverbände der KKn als zuständig an, bezahlte die Rechnung (August 2001) und begehrte vergeblich von der Beklagten, zunächst 36/37 der Gesamtsumme (), später () den gesamten Betrag erstattet zu erhalten. Die Klägerin berief sich darauf, die Hauptleistung der abgerechneten Fallpauschale, die Transplantation des Knochenmarks, sei erst am während der KK-Zugehörigkeit der Versicherten zur Beklagten erfolgt. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Während das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen hat (Urteil vom ), hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin 121.015,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zu zahlen: Das UKE habe die Hauptleistung der Fallpauschale 11.02 während der Mitgliedschaft der Versicherten bei der Beklagten erbracht. Entgegen der früheren, überholten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB zu zahlen (Urteil vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 105 Abs 1 SGB X. Die Definition der Fallpauschale 11.02 lege nahe, die gesamte Therapie als Hauptleistung anzusehen. Es genüge, dass Teile der Hauptleistung erbracht seien, um die Zuständigkeit der Klägerin zu begründen. Für eine Rechtsfortbildung hinsichtlich der Prozesszinsen bestehe kein Anlass.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist lediglich insoweit begründet, als das LSG die Beklagte zur Zahlung von mehr als 117.744,92 Euro (36/37 des Gesamtbetrags der Fallpauschale für 37 Tage tatsächlicher Krankenhausbehandlung) und zur Zahlung von Prozesszinsen verurteilt hat. Im Übrigen hat die Revision dagegen keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 105 Abs 1 SGB X lediglich Anspruch darauf, ihr (der Klägerin) 117.744,92 Euro zu erstatten.

1. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1 SGB X sind im genannten Umfang erfüllt. Danach ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

a) Die Klägerin hat der Versicherten Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB I; vgl dazu BSG SozR 1300 § 111 Nr 6 S 20) erbracht, indem sie die Fallpauschale bezahlte. Die Krankenbehandlung der Versicherten in Form der Krankenhausbehandlung (§ 21 Abs 1 Nr 2 Buchst d SGB I; § 39 SGB V) war der Klägerin aufgrund ihrer Zahlung zuzurechnen. Das "Erbringen" einer Leistung erfordert, dass der Leistungsträger seine Leistungspflicht für den konkreten Fall bejaht und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Leistung tatsächlich bewirkt. Erfolgt die Leistungsbewilligung wie im vorliegenden Fall erst, nachdem ein Dritter - hier ein Krankenhaus - die benötigte Sach- oder Dienstleistung bereits zur Verfügung gestellt hat, so erbringt der Sozialleistungsträger seine Leistung frühestens mit der Bewilligung (vgl BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 21). An die Stelle der Bewilligung gegenüber der Versicherten trat vorliegend die Zahlung.

b) Die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB X sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht bewusst eine vorläufige Leistung erbracht (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 39a Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG SozR 1300 § 105 Nr 1 S 2). Sie hat vielmehr nach den Feststellungen des LSG, die die Beteiligten nicht mit Revisionsrügen angegriffen haben (§ 163 SGG), in der Annahme einer eigenen Leistungspflicht die Rechnung des UKE beglichen.

c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 105 SGB X (vergleichbare Leistungspflichten der betroffenen Träger und zeitliche Kongruenz - vgl dazu BSG SozR 3-1300 § 105 Nr 5 S 15 mwN; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 19) sind erfüllt: Die Beklagte hätte der Versicherten vom 1.1. bis zum die notwendige Krankenhausbehandlung - entsprechend dem auf diesen Zeitraum entfallenden Teil der Fallpauschale 11.02 - leisten müssen. Die Beklagte hat durch die Leistung der Klägerin an die Versicherte für diese Zeit eigene Leistungen in persönlich, sachlich und zeitlich entsprechendem Umfang (kongruent) "erspart". Die Klägerin war nämlich nur für die Behandlung am , nicht aber für die Folgezeit zuständig. Die Beklagte war der für den Krankenhausaufenthalt vom 1.1. bis zum zuständige Leistungsträger. Ihre Leistungspflicht im Jahr 2001 schließt diejenige der Klägerin von vornherein aus. Die Beklagte hat der Klägerin 36/37 der Leistung "Knochenmarkstransplantation einschließlich Konditionierung" (Fallpauschale 11.02) zu zahlen, die das UKE in der Zeit vom bis erbracht hat.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 89, 86, 87 = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 S 18; BSG SozR 3-2500 § 19 Nr 3 S 12 ff) hängt die Leistungspflicht der KK für eine konkrete Behandlungsmaßnahme nicht von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ab. Nach § 19 Abs 1 SGB V erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine abweichenden Bestimmungen entgegenstehen. Es genügt danach nicht, dass im Zeitpunkt des Versicherungsfalls eine Mitgliedschaft bestanden hat, wenn sie im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung nicht mehr fortbesteht. § 19 SGB V regelt zugleich die Grenze der Leistungszuständigkeit der KK bei einem KK-Wechsel (s BSGE 89, 86, 87 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 S 18 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 19 Nr 3 S 16). Die Folge ist, dass bei einem KK-Wechsel die übernehmende KK grundsätzlich für alle Behandlungsmaßnahmen zuständig wird, die im Zeitpunkt des Übertritts noch nicht durchgeführt worden sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 19 Nr 3 S 16).

bb) Eine Ausnahme hat der Senat bisher lediglich für die Fälle anerkannt, in denen sich die vorher begonnene Behandlung mit Rücksicht auf die Art der Abrechnung als Einheit darstellt und infolgedessen einer Aufteilung der KK-Zuständigkeit entzieht (BSGE 89, 86, 88 ff = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 S 19 f; für den Fall der rechtswidrigen Vorenthaltung der Leistung ebenso BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 1 RdNr 25). Handelt es sich bei der Behandlung um eine untrennbare Einheit, für die nur eine einzige KK zuständig sein kann, so ist nach der Rechtsprechung des Senats entscheidend, in wessen Zuständigkeitsbereich die Hauptleistung erbracht worden ist (BSGE 89, 86, 90 = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 S 21). Von einer solchen untrennbaren Behandlungseinheit ist der Senat bisher bei Krankenhausleistungen ausgegangen, die - als Ausnahme vom Grundsatz der Leistungsvergütung mit tagesgleichen Pflegesätzen - mit Fallpauschalen abgerechnet werden. Der Senat hat diese Ausnahme daraus abgeleitet, dass die einschlägige BPflV den Krankenhausaufenthalt bei Fallpauschalen einschließlich aller dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt. Erst wenn der Aufenthalt die Grenz-Verweildauer überschreitet, entstehen weitere Zahlungsansprüche des Krankenhauses.

cc) Diese Rechtsprechung gibt der Senat auf. Krankenhausleistungen, die mit Fallpauschalen abgerechnet werden, sind bei einem KK-Wechsel des Versicherten nicht als eine "untrennbare Behandlungseinheit" anzusehen, sondern als teilbare Leistungen. Die Aufteilung hat ausgehend von der gesamten Zahl der tatsächlich mit der Fallpauschale abgerechneten Tage in der Weise zu erfolgen, dass die Rechnungs- und Leistungsteile bis zum letzten Tag der bisherigen Mitgliedschaft von denjenigen ab dem ersten Tag der neuen Mitgliedschaft zu trennen und mit einem entsprechenden Anteil gesondert in Ansatz zu bringen sind.

Allerdings bilden die nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglich vereinbarten Fallpauschalen für das Krankenhaus Abrechnungseinheiten, wie dies heutzutage bei den Fallpauschalen (DRGs) aufgrund von Vereinbarungen nach § 17b KHG, § 9 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz der Fall ist. Das zwingt aber nicht dazu, sie im Rechtssinne für die Frage der Leistungszuständigkeit als untrennbare Einheit anzusehen. Vielmehr ist die Leistungszuständigkeit in Abhängigkeit von der tatsächlich für die Fallpauschale in Anspruch genommenen Zahl der Krankenhaustage - pro rata temporis - zwischen den zuständigen Kostenträgern aufzuteilen. Dies ermöglicht eine gerechte, klare, verwaltungspraktikable und leicht handhabbare Lastenverteilung.

dd) Grundproblem des KK-Wechsels eines Versicherten während der mit einer Fallpauschale vergüteten Krankenhausbehandlung ist, dass es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehlt und bei der Lösung verschiedene Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einander widerstreiten. KK-Wechsel sind tagesbezogen. Die abgebende KK ist damit grundsätzlich für alle Behandlungsmaßnahmen zuständig, die bis zum Ablauf des letzten Tages der Mitgliedschaft des Versicherten bei ihr erbracht worden sind, während die übernehmende KK grundsätzlich für alle Behandlungsmaßnahmen zuständig wird, die im Zeitpunkt des Übertritts, des Beginns der neuen Mitgliedschaft, noch nicht durchgeführt worden sind. Die Leistungszuständigkeit bedeutet zugleich im Regelfall Zuständigkeit zur Leistungserbringung in Natur, als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2; § 13 Abs 1 SGB V).

Damit scheint es auf den ersten Blick nicht vereinbar zu sein, sich über mehrere Tage erstreckende Leistungskomplexe in Form von Fallpauschalen, die einheitlich abzurechnen sind, aufzuteilen. Jeder der potentiellen Schuldner, abgebende und übernehmende KK, kann einwenden, während der eigenen Leistungszuständigkeit sei die Leistung nicht vollständig erbracht worden. Das unterscheidet die Problematik von den Fällen, in denen die Hauptleistung punktuell, und sei es auch aufgrund früherer Vorarbeiten, erbracht wird, wie es etwa bei der Eingliederung von Zahnersatz der Fall ist (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 19 Nr 3 S 12 ff), auch wenn sich dort noch Nebenleistungen anschließen können. Theoretisch denkbare Folge wäre bei mehrtägigen Behandlungen, die zu Leistungskomplexen zusammengefasst sind, dass keiner der beiden Träger zu zahlen hat. Dass dieses Ergebnis untragbar ist, liegt auf der Hand: Weder der Versicherte, der ja bei beiden KKn vollen Schutz genießen soll, noch der Leistungserbringer, der seine Leistung vollständig und ordnungsgemäß erbracht hat, dürfen solche Nachteile erleiden. Dann aber kommen als zu belastende Schuldner nur die abgebende und die übernehmende KK in Betracht.

ee) Die bisherige Zuordnung der Leistungszuständigkeit zwischen den Leistungsträgern nach dem Alles- oder Nichts-Prinzip begründet im Einzelfall, aber tendenziell auch bei der Masse der Fälle in spezifischen Bereichen Lastenverschiebungen: Die abgebende KK wird auf Kosten der aufnehmenden KK regelmäßig entlastet. Diese Verschiebungen können sich - denkmöglich - auf Dauer ausgleichen, wenn die Zahl der Wechsler sie egalisiert. Das gilt nicht nur für den Wechsel Versicherter zwischen verschiedenen KKn der GKV, sondern auch bei Wechseln in und aus dem System der GKV für das Verhältnis zwischen GKV, KKn und institutionellen Kostenträgern, nicht aber notwendig für die dort betroffenen Patienten: Für Patienten können Leistungsausschlüsse eingreifen. Solche Lastenverschiebungen bedürfen einer inneren Rechtfertigung. Die Anforderungen an die rechtfertigenden Gründe sind gering, wenn - wie hier bei einem KK-Wechsel innerhalb der GKV - sichergestellt ist, dass der Versicherte und der Leistungserbringer nicht belastet werden. In solchen Fällen kann schon der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität ausreichen, um (mögliche) Lastenverschiebungen zu rechtfertigen. An einer hinreichenden Rechtfertigung fehlt es indes.

ff) Die genuine Funktion der Fallpauschalen besteht nicht darin, der Zuständigkeitsabgrenzung von Leistungserbringern zu dienen. Vielmehr schaffen Fallpauschalen ein kostentransparentes Abrechnungssystem, das ökonomisch dazu anreizt, die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus zu verkürzen. Dabei definiert der Begriff der "Hauptleistung" in § 14 Abs 5 Satz 1 Nr 2 BPflV eine Untergrenze im Sinne einer Mindestleistung, die erfüllt sein muss, um eine Fallpauschale anstelle von Regelsätzen (ggf in Kombination mit Sonderentgelten) abzurechnen. Grundsätzlich kann eine Fallpauschale erst dann abgerechnet werden, wenn die mit ihr umschriebene Leistung vollständig erbracht ist und in diesem Sinne der in der Fallpauschale bestimmte Behandlungsfall abgeschlossen ist. Eine Ausnahme hiervon schafft § 14 Abs 5 Satz 1 Nr 1 BPflV bei einer Verlegung vor Abschluss des bestimmten Behandlungsfalls, wenn eine Berechnung der Pflegesätze nach Abs 2 und 3 einen höheren Gesamtbetrag ergibt. § 14 Abs 5 Satz 1 Nr 2 BPflV verlangt aber ausnahmslos und in jedem Fall, dass die "Hauptleistung" erbracht worden ist, um eine Fallpauschale abzurechnen. Denn wenn eine Behandlung vor Erbringung der Hauptleistung beendet wird, darf die Fallpauschale nicht berechnet werden. Das ergibt sich aus dem Regelungssystem.

Nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG (in der hier maßgeblichen Fassung vom , BGBl I 1520) erlässt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Krankenhauspflegesätze, die grundsätzlich die Vergütung nach der Anzahl der Behandlungstage bemessen und für alle Benutzer einheitlich zu berechnen sind (§ 17 Abs 1 Satz 1, Abs 2 KHG). Gemäß § 17 Abs 2a Satz 3 KHG sollten die Spitzenverbände der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft erstmals für den Pflegezeitraum 1998 und bis zur Einführung des Vergütungssystems nach § 17b KHG Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung vereinbaren. Die Entgeltkataloge waren für diejenigen Krankenhausträger unmittelbar verbindlich, die Mitglieder einer Landeskrankenhausgesellschaft sind; andernfalls sind die Entgeltkataloge der Pflegesatzvereinbarung zugrunde zu legen (Satz 6). Die in der Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte galten ab als vertraglich vereinbart (Satz 7). Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (Satz 10). Die auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung erlassene BPflV hat die gesetzlichen Vorgaben unter teilweiser Wiederholung präzisiert.

Nach § 11 Abs 1 BPflV (idF des Art 1 Nr 6 Buchst a der Verordnung vom , BGBl I 2874) werden mit den Fallpauschalen die allgemeinen Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, für den ein Entgelt in Entgeltkatalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 oder § 16 Abs 2 bestimmt ist. Nach § 14 Abs 4 BPflV (idF vom , BGBl I 2874) werden Fallpauschalen für die Behandlungsfälle berechnet, die in den Fallpauschalen-Katalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 und § 16 Abs 2 BPflV bestimmt sind. Werden die mit einer Fallpauschale vergüteten Leistungen ohne Verlegung des Patienten durch mehrere Krankenhäuser erbracht, wird die Fallpauschale durch das Krankenhaus berechnet, das den Patienten stationär aufgenommen hat. Eine vorstationäre Behandlung nach § 115a SGB V ist neben der Fallpauschale nicht gesondert berechenbar; eine nachstationäre Behandlung ist gesondert berechenbar, soweit die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen die Grenz-Verweildauer nach § 14 Abs 7 Satz 1 BPflV übersteigt; dies gilt auch für eine entsprechende Behandlung von Privatpatienten als allgemeine Krankenhausleistung. Eine Fallpauschale wird nach § 14 Abs 5 BPflV (idF der Verordnung vom , BGBl I 2874) nicht berechnet, wenn

1.

der Patient vor Abschluss des bestimmten Behandlungsfalls verlegt wird, es sei denn, eine Berechnung der Pflegesätze nach den Abs 2 und 3 ergibt einen höheren Gesamtbetrag oder

2.

eine Behandlung vor Erbringung der Hauptleistung beendet wird.

Satz 1 Nr 1 gilt nicht bei Verlegungen im Rahmen einer Zusammenarbeit nach Abs 11. Werden Fallpauschalen nach Satz 1 nicht berechnet, sind die Pflegesätze nach den Abs 2 und 3 zu berechnen ...

§ 14 Abs 7 BPflV (idF der Verordnung vom , BGBl I 2874) regelt, dass wenn eine Fallpauschale berechnet wird und die Verweildauer des Patienten eine in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 und § 16 Abs 2 bestimmte Grenz-Verweildauer übersteigt, ab dem ausgewiesenen Tag die Pflegesätze nach Abs 2 berechnet werden. § 14 Abs 11 BPflV (idF der Verordnung vom , BGBl I 2874) bestimmt: "Werden die mit einer Fallpauschale vergüteten Leistungen von mehreren Krankenhäusern im Rahmen einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit erbracht und der Patient verlegt, wird die Fallpauschale von dem Krankenhaus berechnet, das die für die Fallpauschale maßgebende Behandlung erbracht hat; der Abschluss eines Vertrages ist nicht erforderlich. Die Grenz-Verweildauer nach Abs 7 gilt entsprechend für die Gesamtverweildauer des Patienten in beiden Krankenhäusern. Die Krankenhäuser vereinbaren eine Aufteilung der Fallpauschale untereinander. Kommt eine Einigung der beteiligten Krankenhäuser über die Aufteilung der Fallpauschale nicht zustande, hat das abrechnende Krankenhaus an das weiterbehandelnde Krankenhaus den Betrag nach Abs 5 Satz 4 und 5 für die Anzahl von Tagen abzugeben, die sich vom Verlegungstag bis zum aufgerundeten Mittelwert aus Grenz-Verweildauer (Abs 7) und der Verweildauer ergibt, die der Fallpauschale zugrundegelegt wurde."

Diese Bestimmungen zeigen, dass es sich bei den Fallpauschalen um einen bloßen Abrechnungsmodus handelt, der der numerischen Aufteilung - etwa bei Verlegung von Patienten - zugänglich ist. Endet die Behandlung vor Erbringung des Leistungsinhalts der Fallpauschale durch Tod, kann die Krankenhausbehandlung ggfs ebenfalls nicht mit einer Fallpauschale, sondern nur mit tagesgleichen Pflegesätzen abgerechnet werden. Der Abrechnungsmodus zwingt aber nicht dazu, eine rechnerische Gesamtleistung, die sich auf die Zeit eines KK-Wechsels erstreckt, auch hinsichtlich der Leistungszuständigkeit als Einheit zu behandeln. Vielmehr ist es rechtlich und tatsächlich - verwaltungspraktikabel - möglich, die Gesamtleistung einer mit einer Fallpauschale abzurechnenden Krankenhausbehandlung rechnerisch der Dauer der tatsächlich mit der Fallpauschale abgegoltenen Tage zuzuordnen und danach die Belastung zu berechnen, die aus der Leistungszuständigkeit der betroffenen Träger für die damit erfassten Tage resultiert.

gg) Die Zuordnung der Leistungszuständigkeit in Abhängigkeit von der Erbringung der "Hauptleistung" begründet dagegen Unklarheiten und führt zu Rechtsstreitigkeiten wie dem Vorliegenden. Sie vermag im Ergebnis dann kaum zu helfen, wenn zwei Hauptleistungsteile etwa gleich großen Umfangs unterschiedlichen Kostenträgern zuzuordnen sind.

hh) Die Aufteilung der an insgesamt 37 Tagen - vom bis - erbrachten Fallpauschale 11.02 nach den Tagen der jeweiligen Leistungszuständigkeit führt zur Belastung der Klägerin mit einem Tag (; 1/37) und der Beklagten mit 36 Tagen der Gesamtleistung (1.1. - ; 36/37). Dem entspricht die Pflicht der Beklagten, der Klägerin 117.744,92 Euro zu erstatten. Daraus erhellt zugleich, dass der Klägerin kein weitergehender Erstattungsanspruch zustehen kann, die Revision der Beklagten vielmehr in Höhe von 3.270,69 Euro Erfolg hat.

d) Der Lauf der Zwölf-Monats-Frist des § 111 Satz 1 SGB X ist gewahrt. Die Klägerin hat bei der Beklagten rechtzeitig () den ihr zustehenden Teilbetrag in Höhe von 36/37 des Gesamtbetrags geltend gemacht, nämlich nicht später als zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde. Bewirkt hat das UKE die Leistung bis zum , dem letzten Tag der mit der Fallpauschale 11.02 umschriebenen Leistung. Wie oben bereits dargelegt hat die Klägerin ihre Leistung aber erst mit Begleichung der Rechnung des UKE im August 2001 "erbracht".

2. Die Revision der Beklagten hat auch insoweit Erfolg, als das LSG die Beklagte zusätzlich zur Zahlung von Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB verurteilt hat. An einer Regelungslücke, die die entsprechende Anwendung des § 291 BGB rechtfertigen könnte, fehlt es.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gilt für Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, dass im Bereich der Sozialversicherung keine Prozesszinsen zu entrichten sind (vgl BSGE 49, 227, 229 = SozR 1200 § 44 Nr 2 mwN; BSG SozR 1200 § 44 Nr 13 S 42; BSG SozR 4100 § 56 Nr 21 S 62 mwN). Das Schweigen des Gesetzgebers zur Pflicht, Prozesszinsen zu zahlen, ist in diesem Sinne beredt. Den Ausschluss von Prozesszinsen, den die Rechtsprechung des BSG für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit als Grundsatz zugrunde gelegt hat, hat sie teilweise aus einer zu Gewohnheitsrecht verfestigten Übung bei Rechtsüberzeugung der Beteiligten unter Abgrenzung des Bereichs des allgemeinen Verwaltungsrechts abgeleitet (vgl BSGE 24, 118, 122 = SozR Nr 3 zu § 291 BGB mwN). An diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber bewusst angeknüpft. So hat er anlässlich der Einführung des Zinsanspruches für Sozialleistungsansprüche nach § 44 SGB I in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 7/868 S 30 zu § 44) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern - auch soweit sie auf der Überleitung von Ansprüchen des Berechtigten beruhen - keine Sozialleistungsansprüche im Sinne der Regelung sind.

b) Bei Einführung der Erstattungsansprüche nach dem SGB X hat die Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 4100 § 56 Nr 21 S 62) aus der amtlichen Begründung zu Verwaltungskosten und Verjährung (BT-Drucks 9/95 S 26 f) nur den Schluss für zulässig gehalten, dass eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs nicht erfolgen soll. Diese ständige Rechtsprechung des BSG hat der Gesetzgeber auch in der Folgezeit als maßgeblich zugrunde gelegt. Durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (Art 4 Gesetz vom , BGBl I 1088) hat der Gesetzgeber § 108 Abs 2 SGB X eingeführt, um die Verzinsung der Erstattungsansprüche zu regeln, die Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe gegen dritte Sozialleistungsträger haben (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 13/3904 S 48 zu Art 2a re Sp; von Wulffen in: ders, SGB X, 5. Aufl 2005, § 108 RdNr 3 mwN). Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG betont die Gesetzesbegründung (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 13/3904 S 48 zu Art 2a), dass die Verzinsungspflicht für Erstattungsansprüche (der Leistungsträger untereinander) nicht gilt, da sie sich nur auf "andere" Sozialleistungsträger bezieht. Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Entwicklung der im Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB X geregelten Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander sprechen zudem dafür, dass es sich um ein geschlossenes Regelungssystem handelt, das Ergänzungen unzugänglich ist (vgl dementsprechend BSGE 86, 78, 85 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 32).

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der 3. Senat des BSG Vergütungsforderungen zugelassener Leistungserbringer gegen KKn bei Fehlen vertraglicher Vereinbarungen nach § 61 SGB X iVm § 291 BGB Prozesszinsen unterliegen lässt (vgl zB BSG SozR 4-7610 § 291 Nr 3; - RdNr 11 mwN; zum Anspruch auf Prozesszinsen bei bereichungsrechtlichen Ansprüchen BSGE 92, 223, 231 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1) und der 6. Senat des BSG für Klagen, die nach dem anhängig werden und Ansprüche Kassenärztlicher Vereinigungen gegen KKn auf Zahlung fälliger Gesamtvergütung betreffen, den Anspruch auf Prozesszinsen bejaht (vgl BSGE 95, 141, 153 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 38 ff). Die spezifischen Gründe, die diesen Entscheidungen zu speziellen Regelungsbereichen zugrunde liegen (vgl für die Rechtsprechung des 3. Senats BSG SozR 4-7610 § 291 Nr 3 RdNr 20 ff; für den 6. Senat BSGE 95, 141, 155 f = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 44 ff), lassen sich auf das Erstattungsverhältnis zwischen Sozialleistungsträgern nach den §§ 102 ff SGB X nicht übertragen.

Angesichts der bewusst abschließenden Regelung der Erstattungsansprüche genügt allein der Hinweis des LSG auf die Neufassung des Kostenrechts im sozialgerichtlichen Verfahren zum durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG vom , BGBl I 2144) nicht, um die entsprechende Anwendung des § 291 BGB auf solche Erstattungsansprüche zu rechtfertigen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) - ausgehend von abweichenden Grundsätzen und ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur fehlenden Verzinsungspflicht bei Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB X - Prozesszinsen "für Erstattungsansprüche zwischen Jugend- und Sozialhilfeträgern" bejaht hat (BVerwGE 114, 61 ff, Leitsatz 1 = Buchholz 435.12 § 108 SGB X Nr 1), ist dies unter Berücksichtigung der aufgezeigten Rechtsentwicklung für den Bereich der Sozialversicherung ohne Belang.

3. Die Kostenentscheidung beruht unter Berücksichtigung dessen, dass die Beklagte nur hinsichtlich der Nebenforderung erfolgreich ist, auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

4. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf §§ 52 Abs 1, 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

Fundstelle(n):
QAAAC-61405