Durch Zöliakie bedingte Diätkosten keine außergewöhnliche Belastung, Zöliakie als Krankheit; Verbot der Benachteiligung Behinderter
Leitsatz
1. Aufwendungen für Diätverpflegung sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG und der Entstehungsgeschichte der Ausschlussnorm ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar (Bestätigung der Rechtsprechung). Dies gilt auch für Sonderdiäten, die —wie z.B. bei der Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)— eine medikamentöse Behandlung ersetzen.
2. Gegen das gesetzliche Verbot der Berücksichtigung von Aufwendungen für Diätverpflegung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gesetze: EStG § 33 Abs. 2 Satz 3GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG Art. 3 Abs. 1GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), , , ,
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Gründe
I.
Streitig ist, ob Diätaufwendungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die an Zöliakie leidet, als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Bei Zöliakie handelt es sich um eine die Verdauung beeinträchtigende Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, die möglicherweise auf einen Enzymmangel zurückzuführen ist. Ursache ist die Unverträglichkeit des in vielen Getreidearten (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer) vorkommenden Klebeproteins Gluten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) treten unbehandelt schwere Darmschädigungen und chronisch wässrige Durchfälle auf, die u.a. zu lebensbedrohlichen Wasser- und Elektrolytverlusten, Anämie und bösartigen Tumoren führen können. Für den Betroffenen ist als womöglich einzige, jedenfalls im Vordergrund stehende Therapiemaßnahme eine lebenslange glutenfreie Ernährung unerlässlich.
Zu den zu vermeidenden glutenhaltigen Nahrungsmitteln gehören z.B. alle handelsüblichen Teig- und Backwaren, kohlenhydrathaltige Wurstwaren und fertige Soßen, Suppen usw. Erlaubt sind spezielle aus Reis, Mais, Buchweizen, Hirse, Kartoffeln oder Sojabohnen gefertigte Back- und Teigwaren. Ebenfalls unproblematisch sind Gemüse, Früchte, Milch und Milchprodukte, Eier, Fette, reine Wurstwaren und Fisch. Inzwischen gibt es ein großes Angebot an glutenfreien Spezialprodukten, die das Einhalten einer entsprechenden Diät erleichtern.
Mit dem Einspruch gegen den im Schätzungswege ergangenen Einkommensteuerbescheid für 1996 machte die im Jahre 1951 geborene Klägerin Mehraufwendungen für Diätverpflegung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Höhe der Aufwendungen von 3 192 DM (266 DM/Monat) ermittelte sie aus der Differenz der durchschnittlichen Gesamtmehrbelastung und des durchschnittlichen Aufwands für spezielle Diätprodukte, gemessen bei verschiedenen Probandenhaushalten. Als Grundlage diente die Veröffentlichung einer Untersuchung zweier Universitäten. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) führte unter Bezugnahme auf das (BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110) aus, mit der im Jahre 1974 eingefügten Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe der Gesetzgeber unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, Aufwendungen für Diätverpflegung ausnahmslos von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung auszuschließen.
Das FG wies die Klage ab. Diätkosten seien nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, auch wenn sie mit einer Krankheit im Zusammenhang stünden, ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werde und die Diätkost eine medikamentöse Behandlung ersetze (BFH-Urteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110).
Das Abzugsverbot für Diätaufwendungen sei durch das Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) vom (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530, 539) in das EStG eingefügt worden. Der Gesetzgeber habe sich dabei für ein ausnahmsloses Abzugsverbot für Diätaufwendungen ausgesprochen (BTDrucks 7/1722, S. 11, und BTDrucks 7/2180, S. 20). Auch bei der glutenfreien Ernährung handele es sich um eine Diätverpflegung. Als eine Hauptform der Diät gelte auch eine langzeitige Sonderdiät mit Anpassung an ständige Leiden, z.B. Zöliakie. Offen bleiben könne, ob bei der Zöliakie eine lebenslange Diät mit glutenfreier Nahrung im Vordergrund der Therapie stehe oder gar nur die einzige wirksame Therapiemaßnahme darstelle. Denn der Gesetzgeber habe insoweit —auch aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität— ein uneingeschränktes Abzugsverbot für erforderlich gehalten.
Die gesetzlich angeordnete Nichtberücksichtigung der Aufwendungen sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie halte sich im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, so misslich das für den Betroffenen im Einzelfall auch sein möge. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber davon abgesehen habe, in solchen Fällen einen Sonderbetrag in die Ermittlung des von der Steuer freizustellenden Existenzminimums einzubeziehen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG.
Sie sei seit 1975 aufgrund eines Anfallleidens (Epilepsie) anerkannt schwerbehindert, die Zöliakie sei 1993 diagnostiziert worden. Diese sei bei der erneuten Antragstellung zur Feststellung nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes mit angegeben. Mit Bescheid vom habe das zuständige Amt für Familie und Soziales als Behinderungen eine seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven und Muskelreizerscheinungen, Entkalkung des Knochens (Osteoporose), Entzündung des Dünndarms und Schilddrüsenüberfunktion festgestellt. Ihr, der Klägerin, sei ein Grad der Behinderung von 50 v.H. zuerkannt worden. Die Zöliakie sei nicht ausdrücklich in dem Bescheid erwähnt. Es müsse daher offen bleiben, ob das Amt fälschlicherweise den Punkt „Entzündung des Dünndarms” der Zöliakie zugeordnet habe. Fälschlicherweise deshalb, weil sie neben der Zöliakie an einem chronischen Reizdarm leide. Sie sei aufgrund ihrer vielfachen Erkrankungen mit Rentenbescheid vom als erwerbsunfähig eingestuft worden. Neben der Zöliakie bestünden bei ihr eine Sojaallergie, eine Laktoseintoleranz sowie Medikamentenallergien und -unverträglichkeiten. Der chronische Reizdarm werde höchstwahrscheinlich durch weitere Lebensmittelallergien verursacht. Die Schilddrüsenüberfunktion habe sich zwischenzeitlich zu einer chronischen Schilddrüsenentzündung, mithin zu einer Autoimmunerkrankung entwickelt. Die mittlerweile festgestellte chronische Gastritis sei ebenfalls eine Autoimmunerkrankung. Daneben bestünden ein chronisches Schmerzsyndrom bei Therapieresistenz bzw. Medikamentenunverträglichkeit und Hinweise auf eine Kollagenose. Das Krankheitsbild sei als „Vollallergie bei Zöliakie” zu bezeichnen.
Das Abzugsverbot für die Diätaufwendungen in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG verletze das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), weil es wesentlich Ungleiches gleich behandele. So unterscheide das Gesetz nicht zwischen Behinderten, die aufgrund ihrer Behinderung eine medizinisch indizierte, lebensnotwendige Diät einhalten müssten, und Nichtbehinderten, die zwar eine Diät einhielten, aber nicht aufgrund einer medizinischen Indikation, sondern aus persönlichen oder sonstigen Gründen. Vielmehr würden beide Gruppen unter dem Aspekt „Diätaufwendungen” rechtlich gleich behandelt. Sie, die Klägerin, gehöre zur Vergleichsgruppe der Behinderten.
Qualität und Quantität der Auswirkungen einer Zöliakie auf alle Lebensbereiche des Betroffenen bestimmten sich nach der als Therapie notwendigen Diät. Die Diät, von der keine, auch nicht die geringste Abweichung erlaubt sei, wirke sich erheblich auf alle Lebensbereiche aus. Es gebe weder Heil- noch Hilfsmittel, die eine Heilung ermöglichten oder auch nur zu einer Linderung der Funktionsbeeinträchtigung führten. Nur die Einhaltung einer glutenfreien Diät gewährleiste dem Betroffenen eine im Rahmen der Erkrankung „normale” Gesundheit und ggf. das Überleben.
Wenn der Tatbestand einer Norm behinderte und nichtbehinderte Normadressaten gleich behandle, die (Rechts-)Folge der Norm (also der tatbestandlichen Gleichbehandlung) jedoch eine Diskriminierung der behinderten Normadressaten wegen ihrer Behinderung sei, dann sei auch eine Gleichbehandlung von Behinderten und Nichtbehinderten eine Benachteiligung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Vorliegend sei eine Diskriminierung und damit eine Benachteiligung von Behinderten gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gegeben. Denn Nichtbehinderte seien nicht gezwungen, zur Lebenserhaltung eine Diät einzuhalten. Träfen sie die Entscheidung zur Einhaltung einer Diät aus Gründen, die nicht medizinisch indiziert seien, so nähmen sie den mit der Diät ggf. verbundenen finanziellen Aufwand, der über den Aufwand für eine normale Ernährung hinausgehe, freiwillig in Kauf. Übersteige die Belastung ihre finanziellen Möglichkeiten, so könnten sie jederzeit die Diät beenden und zu einer normalen Ernährung zurückkehren.
Die Argumentation des BFH in seiner Entscheidung in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110 sei nicht überzeugend. Der BFH habe die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift u.a. damit begründet, dass die Diätverpflegung nicht nur an die Stelle einer medikamentösen Behandlung trete, sondern auch an die Stelle üblicher Nahrungsmittel. Auf deren Verzehr und Beschaffung seien aber alle Steuerpflichtigen angewiesen. Diese Argumentation lasse außer Acht, dass es nicht um die Aufwendungen für die Verpflegung selbst gehe, sondern nur um die Differenz, die durch eine Diät im Verhältnis zu einer normalen Verpflegung entstehe. Die Entscheidung des (BFH/NV 2004, 187) befasse sich nicht mit einer Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da die dortigen Kläger nicht Träger dieses Grundrechts gewesen seien.
Die infolge der zöliakiebedingten Diät entstehenden Mehrkosten Behinderter seien unmittelbare Krankheits-/Behinderungskosten. Sie dienten zwar nicht der Heilung der Krankheit/Behinderung, weil dies nicht möglich sei, sie linderten das Leiden jedoch und machten es erträglich. Allein die Diät schaffe zunächst und erhalte dann einen körperlichen Zustand, der dem Behinderten ein halbwegs normales Leben ermögliche. Bei den Krankheits-/Behinderungskosten prüfe der BFH grundsätzlich auch nicht die den Umständen entsprechende Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten.
Der Gesetzgeber habe ferner gegen das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, da er wesentlich Gleiches ungleich behandele. Eine Differenzierung zwischen Kranken, deren Therapie in einer Diät bestehe, und Kranken, die durch sonstige Arznei- und Hilfsmittel therapiert würden, sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Schließlich greife die Vorschrift in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, denn zum Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit gehöre die Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne. Durch die Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG könnten krankheitsbedingte Mehraufwendungen, die grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar seien, nicht steuermindernd geltend gemacht werden. Da die unmittelbaren Krankheitskosten der Klägerin jedoch die ihr gemäß § 33 Abs. 3 EStG zumutbare Belastung überschritten, gefährde und schädige dies ihre Gesundheit in der Weise, dass sie die überobligatorische Belastung anderweitig beschaffen müsse und —wenn ihr dies nicht möglich sei— die lebensnotwendige Diät nicht einhalten könne.
Die Klägerin beantragt, das Urteil der Vorinstanz sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom insoweit zu ändern, als die Aufwendungen für die von der üblichen Ernährungsweise abweichende Kostform bei der Zöliakie in Höhe von 3 192 DM als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Hilfsweise beantragt die Klägerin, gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Fragen vorzulegen, ob § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG mit Art. 3 Abs. 3 Satz 3 GG, mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die von der Klägerin geltend gemachten Mehraufwendungen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Der ausnahmslose Ausschluss von Diätaufwendungen gilt auch für die durch die Zöliakie bedingten Verpflegungsmehraufwendungen. Gegen den Ausschluss bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, können nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
a) § 33 EStG dient —im Wesentlichen in Ergänzung zu §§ 10, 32a Abs. 1 EStG— dazu, sicherzustellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt. Die Vorschrift will Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher als im Normalfall liegt (, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und dient damit dem Gebot der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit (Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33 EStG Rz 1).
aa) Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die nicht nur einer Minderheit entstehen, werden daher von § 33 EStG nicht erfasst (, BFH/NV 2005, 1287). Außerdem fallen nur solche Aufwendungen unter § 33 EStG, die existenziell erforderlich sind und weder vom Grundfreibetrag noch durch den Sonderausgabenabzug oder andere Abzugsbeträge erfasst werden. Dies können grundsätzlich nur solche Aufwendungen sein, die bereits ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und insofern nur einer Minderheit entstehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom III R 63/85, BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894).
Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten, z.B. in Ballungsgebieten und ländlichen Gemeinden, sind grundsätzlich unbeachtlich.
bb) Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen (BFH-Urteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110). Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff der Krankheit einen anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen „in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen” beeinträchtigt, so dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf.
cc) Zöliakie ist eine Krankheit in diesem Sinne, so dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Arzneimittel, soweit es sie gibt, grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können, wenn ihre Zwangsläufigkeit oder Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist. Fraglich ist allerdings, ob glutenfreie Spezialprodukte oder gar glutenfreie „normale” Nahrungsmittel als Arzneimittel und damit als typische und unmittelbare Krankheitskosten angesehen werden können. Der Senat kann diese Frage aber offen lassen, da Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
b) Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Diätkosten nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG und der Entstehungsgeschichte der Ausschlussnorm ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, auch wenn sie mit einer Krankheit im Zusammenhang stehen, ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen wird und die Diät —wie im Streitfall— eine medikamentöse Behandlung ersetzt.
aa) Unter Diät ist die auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie kann in der Einschränkung der gesamten Ernährung in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen (s. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Krankenkost/Diät). Zu den Diätformen gehören nicht nur kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten z.B. bei Gicht und Zuckerkrankheit, sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit Anpassung an ständige Leiden, z.B. Zöliakie (Der Gesundheitsbrockhaus, 3. Aufl. 1984, Stichwort: Diätformen).
bb) Der Wille des Gesetzgebers zum umfassenden Ausschluss der Diätverpflegungsaufwendungen in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ist im Gesetzgebungsverfahren klar zum Ausdruck gekommen (, BFH/NV 2001, 188). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah zunächst Ausnahmen vom Abzugsverbot für krankheitsbedingte Diätmehraufwendungen bei Zuckerkrankheit und Multipler Sklerose vor (BTDrucks 7/1470, S. 281). Der Bundesrat (BTDrucks 7/1722, S. 11) und ihm folgend der federführende Finanzausschuss des Deutschen Bundestages (BTDrucks 7/2180, S. 20) hielten aber die Beschränkung auf diese beiden Ausnahmen für mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar und sprachen sich deshalb für ein ausnahmsloses Abzugsverbot aus, das dann mit dem EStRG in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG eingeführt wurde.
Zuckerkrankheit und Multiple Sklerose sind Erkrankungen, die in ihrer Schwere einer Zöliakie vergleichbar sein dürften. In beiden Fällen sind die erkrankten Menschen zur Linderung ihres Leidens auf Diätverpflegung angewiesen, so dass die entsprechenden Aufwendungen für die Diätverpflegung —wie andere Krankheitskosten auch— aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110). Gleichwohl ist ihre steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen. Die Vorschrift enthält insoweit eine Einschränkung der regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Krankheitskosten; auf die Schwere der Krankheit kommt es dabei nicht an (, juris).
cc) Nach ständiger Rechtsprechung sind Diätaufwendungen auch dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn sie nicht nur neben, sondern anstelle von Medikamenten zur Linderung der Krankheit benötigt werden, d.h. wenn die Diätverpflegung an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, so bedauerlich dies im Einzelfall für den Steuerpflichtigen auch sein mag. Denn für die steuerliche Behandlung dieser Verpflegungskosten kann es keinen Unterschied machen, ob zusätzlich noch Aufwendungen für Medikamente anfallen oder nicht (Senatsurteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110).
Das Abzugsverbot nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG gilt auch dann, wenn die Diät —wie im Streitfall— aufgrund ärztlicher Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt wird und damit im medizinischen Sinne Medikamentencharakter aufweist (so zutreffend , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1990, 356).
c) Aufgrund des Ausschlusstatbestandes in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG sind daher die von der Klägerin aufgrund der Zöliakie geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
2. Gegen das gesetzliche Verbot der Berücksichtigung von Diätverpflegungskosten in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Senatsurteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110). Die Vorschrift ist selbst dann nicht verfassungswidrig, wenn —wie im Streitfall— die Diät an die Stelle medikamentöser Behandlung tritt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 187). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen (s. ).
a) Die Vorschrift verstößt nicht gegen den durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom (BGBl I 1994, 3146) neu in das GG eingefügten Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, der die Benachteiligung Behinderter verbietet. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG räumt nach Wortlaut, Systematik und Zweck dem Behinderten nur ein subjektives Abwehrrecht gegen Benachteiligungen, aber grundsätzlich keinen Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen im Vergleich zu Nichtbehinderten ein (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 187; Osterloh in Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 3 Rz 305; Gubelt in von Münch, Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl., Art. 3 Rz 104 b; Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Komm. z. GG, Art. 3 Rz 174 f.). Benachteiligung bedeutet nachteilige Ungleichbehandlung; Behinderte werden z.B. benachteiligt, wenn ihre Lebenssituation im Vergleich zu derjenigen nichtbehinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offen stehen (, BVerfGE 99, 341, BGBl I 1999, 699). Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Verbot einer Benachteiligung wegen Behinderung nicht geeignet, originäre Leistungsansprüche im Sozialrecht zu begründen (, SozR 3-7833, § 6 Nr. 16, und vom B 11 AL 60/01 R, SozR 3-5765, § 9 Nr. 2).
Eine nachteilige Gleichbehandlung wird dagegen von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht erfasst; die Vorschrift differenziert insoweit auch nicht zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, so dass aus ihr keine Benachteiligung bzw. Diskriminierung von Behinderten abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das BVerfG (Kammerbeschluss des , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1989, 152) den Wegfall der Pauschbeträge für Diätverpflegung durch das EStRG verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat.
Ob Diätaufwendungen neben dem Behindertenpauschbetrag nach § 33b EStG geltend gemacht werden können (vgl. Anm. k zum BFH-Urteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110, Finanz-Rundschau —FR— 1992, 82) oder erst durch § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ausgeschlossen werden, ist nicht Gegenstand dieser Revision.
b) Das ausnahmslose Abzugsverbot gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Ungleichbehandlung zwischen Diätaufwendungen und unmittelbaren Krankheitskosten sachlich gerechtfertigt ist und auch nicht gegen den Grundsatz der Leistungsfähigkeit verstößt.
aa) Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Kranken, die durch eine Diät und Kranken, die durch Arznei- und Hilfsmittel therapiert werden, ist sachlich gerechtfertigt. Nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber gehalten, (nur) wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Dabei kommt dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu (vgl. Urteil des FG Köln in EFG 1990, 356). Das BVerfG kann nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden und dem Gesetzgeber erst entgegentreten, wenn für eine Differenzierung keine sachlich einleuchtenden Gründe erkennbar sind, so dass die Regelung als willkürlich beurteilt werden muss (, BVerfGE 51, 295, 300).
Im Gesetzentwurf sind sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung typischer und unmittelbarer Krankheitskosten und Diätaufwendungen aufgeführt (BTDrucks 7/1470, S. 281): häufige ungerechtfertigte Inanspruchnahme nach den Erfahrungen mit den Diätpauschalen (Missbrauchsabwehr, vgl. Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach —HHR—, § 33 EStG Rz 208), mögliche Einsparungen durch die Diät wegen moderner Lebens- und Essgewohnheiten und schließlich Inkaufnahme gewisser Mehrbelastungen in Sonderfällen, da zwangsläufige unterschiedliche Lebenshaltungskosten anderer Art, z.B. Wohnungsmiete, Kleidung, Heizung, die u.U. viel schwerwiegender sein können, ebenfalls nicht ausgeglichen werden können. Auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ist die Ungleichbehandlung gerechtfertigt (vgl. Keßler, LSW, Heft 8/92, BFH-aktuell Gruppe 3, S. 3872, Kurzfassung in juris).
bb) Es ist von Verfassungs wegen auch nicht geboten, die krankheitsbedingten Mehraufwendungen für die Diät bei der Ermittlung des Existenzminimums zusätzlich zu berücksichtigen. Individueller Sonderbedarf ist grundsätzlich nicht bei der Ermittlung des von der Steuer freizustellenden Existenzminimums zu berücksichtigen, da bei allen Steuerpflichtigen gleichermaßen die existenznotwendigen Mindestaufwendungen typisierend anzusetzen sind (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 187; , BFH/NV 2002, 781; , Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst —DStRE— 2003, 278; vgl. auch , BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, 181).
Zwar wird im Rahmen der Sozialhilfe krankheits- oder behinderungsbedingter Aufwand für eine kostenaufwendige Ernährung in angemessener Höhe berücksichtigt (§ 30 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch —SGB XII—). Dies bedeutet aber nicht, dass bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Existenzminimums jede sozialrechtliche Zusatzleistung mitberücksichtigt werden muss und umgekehrt (vgl. auch BSG-Urteil in SozR 3-7833, § 6 Nr. 16). Im Übrigen ist nach den grundlegenden Ausführungen des BVerfG (in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174) —lediglich— das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs an öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen zu belassen. Nach den Feststellungen des FG verfügte die Klägerin aber über Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von etwa 50 000 DM/Jahr, so dass eine Existenzbedrohung auch unter Berücksichtigung von sozialhilferechtlich zu berücksichtigenden Diätmehraufwendungen nicht anzunehmen ist. Aus diesem Grund verstößt die Nichtabziehbarkeit der Diätaufwendungen auch nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit); die Klägerin ist wie andere Steuerpflichtige gehalten, ihre finanziellen Möglichkeiten nach Prioritäten einzusetzen.
cc) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschlusstatbestand von Diätmehraufwendungen in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ergeben sich auch nicht mit Rücksicht auf das dem Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit, wonach die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist (vgl. , BVerfGE 68, 287, 310).
Zwar hat das BVerfG in seinem Kammerbeschluss in HFR 1989, 152 ausdrücklich offen gelassen, ob tatsächlich entstandener, unvermeidbarer Mehraufwand für Diätverpflegungen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip steuerlich jedenfalls nicht vollständig unberücksichtigt bleiben darf (ebenso Kanzler in HHR, § 33 EStG Rz 208 a.E.). Der Kammerbeschluss lässt aber erkennen, dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Eigenbehalt möglich bleibt, der im Streitfall mit einem Betrag in Höhe der geltend gemachten Mehraufwendungen von 3 192 DM/Jahr (= 266 DM/Monat) noch nicht überschritten wird. Der Senat kann es daher dahinstehen lassen, ob und ggf. ab welcher Höhe Diätmehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden müssen.
dd) Der Senat verkennt nicht, dass die Entscheidung für die zwingend auf eine Sonderdiät angewiesenen Steuerpflichtigen wie die Klägerin eine gewisse Härte bedeutet, die der Gesetzgeber aber in Kauf genommen hat. Die gesetzgeberische Entscheidung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass aus den abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen von vornherein Kosten auszuscheiden sind, die typischerweise die Lebensführung mit sich bringt oder die im Hinblick auf die allgemeine Lebensführung nicht ungewöhnlich sind (Brockmeyer, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 214, 216 f.; Senatsurteil in BFH/NV 2005, 1287, und in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774). Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen eben auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten sind dabei grundsätzlich unbeachtlich (Senatsurteil vom III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, indem er zutreffend auf zwangsläufige, auch größere Unterschiede in den Lebenshaltungskosten hinweist (s. BTDrucks 7/1470, S. 281). Es gehören nicht nur Kosten für den Erwerb „normaler” glutenfreier Nahrung zu den Lebenshaltungskosten, sondern auch Substitute. Der Senat teilt deshalb ebenso wie im Fall der Neurodermitis (Senatsurteil in BFHE 165, 531, BStBl II 1992, 110) nicht die hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, da auch im Streitfall die Diätverpflegung nicht nur an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, sondern auch an die Stelle üblicher Nahrungsmittel.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 880
BB 2007 S. 2166 Nr. 40
BFH/NV 2007 S. 2176 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2176 Nr. 11
BStBl II 2007 S. 880 Nr. 18
DB 2007 S. 2406 Nr. 44
DStRE 2008 S. 82 Nr. 2
EStB 2007 S. 401 Nr. 11
FR 2008 S. 242 Nr. 5
GStB 2007 S. 45 Nr. 12
HFR 2007 S. 1201 Nr. 12
KÖSDI 2007 S. 15734 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2007 S. 3405
SJ 2007 S. 6 Nr. 21
StB 2007 S. 401 Nr. 11
StBW 2007 S. 4 Nr. 21
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2007 S. 711
CAAAC-58395