Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 25 Abs. 2 Satz 2; StPO § 356 a
Gründe
1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen die im Beschlusstenor genannten Richter ist verspätet (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) und daher schon aus diesem Grunde unzulässig. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier: nach § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH NStZ 1993, 600; BGH bei Kusch NStZ-RR 2001, 130 Nr. 4). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356 a StPO verbunden wird, der sich jedoch - wie hier (s. unten 2.) - deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt; denn § 356 a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, und hierdurch die Notwendigkeit eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu vermeiden. Dagegen dient er nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (; vgl. auch den diese Entscheidung bestätigenden ).
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Antragsteller zuvor nicht gehört wurde, kein zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen und auch sonst den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Er hat über die Revision des Angeklagten eingehend beraten; die Behauptung des Antragstellers, der Senat habe den Vortrag der Revision "nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht zur Kenntnis nehmen (wollen)", trifft nicht zu. Der Senat hat auch weder eine eigene Beweiswürdigung vorgenommen noch war es geboten, dem Beschwerdeführer vor der Entscheidung weiteres rechtliches Gehör zu gewähren. Allein die Behauptung des Antragstellers, der Senat habe seiner Meinung nach fehlerhaft entschieden, kann der Gehörsrüge nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. ).
Dennoch merkt der Senat zu den die Verfahrensrüge 2 (keine Aussageidentität) betreffenden Einwendungen des Antragstellers Folgendes an:
Die von dem - sich auf Notwehr berufenden - Antragsteller beanstandete Urteilsstelle beginnt (UA 16) mit der Feststellung, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei angegriffen worden, von keinem der vernommenen Zeugen bestätigt worden sei. Die Zeugen aus "beiden Lagern" hätten übereinstimmend bekundet, dass es zum Tatzeitpunkt (etwa gegen 1 Uhr nachts) keine tätliche Auseinandersetzung und keinen Angriff, und zwar weder auf Familienangehörige des Angeklagten noch auf den Angeklagten selbst gegeben habe. Es habe keine Situation vorgelegen, die zu der irrigen Annahme einer Notwehrsituation hätte führen können. Von der Richtigkeit dieser Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen aus dem "gegnerischen Lager" sei die Kammer überzeugt, weil sie selbst durch den Bruder des Angeklagten, den Zeugen A. El-K., bestätigt worden seien. Dieser habe eine detailreiche Aussage getätigt, "die zudem als einzige Aussage eine praktisch vollständige Aussagekonstanz im Vergleich zu seiner polizeilichen Aussage (aufweise)". Die Aussage des Zeugen widerlege die angebliche Notwehr- bzw. Nothilfesituation.
In der von der Revision angegriffenen Urteilspassage ist nicht davon die Rede, dass eine Aussagekonstanz mit dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll vorliege, sondern dass eine Aussagekonstanz "im Vergleich" zu der "polizeilichen Aussage" des Zeugen bestehe. Mittel für die Überzeugungsbildung des Schwurgerichts war somit nicht die Vernehmungsurkunde, sondern der Zeugenbeweis. Das bestritt auch die Revision nicht; denn sie teilte mit (RB S. 4, 5), dass die Urkunde im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung eingeführt worden war.
Die das eigentliche Tatgeschehen betreffenden wenigen Zeilen in dem polizeilichen Protokoll enthalten teilweise reine Wertungen. So hat der Zeuge dort angegeben, er sei "der Meinung", dass die Anderen sie weiter hätten angreifen wollen, und dass er "denke", sein Bruder habe sich verteidigen wollen. Näher ausgeführte Tatsachen, die die Wertungen des Zeugen belegen konnten - etwa Einzelheiten, wie die Standorte der Beteiligten, die Entfernungen und die Licht- und Sichtverhältnisse (vgl. UA 9, 11, 21: Dunkelheit) - sind in dem polizeilichen Protokoll nicht genannt. Da alle übrigen vernommenen Zeugen des Vorfalls eine Notwehrsituation des Angeklagten eindeutig ausgeschlossen hatten (vgl. auch UA 29), liegt es nahe, dass der Zeuge A. El-K. seine in dem Protokoll niedergelegten pauschalen und wertenden Angaben im Sinne der Feststellungen in der Hauptverhandlung konkretisiert hat und er dabei auch angab, sich in diesem Sinne schon bei der Polizei geäußert zu haben, was durch den polizeilichen Vernehmungsbeamten M. bestätigt worden sein kann (vgl. BGH StV 1987, 91; und Urteil vom - 2 StR 94/05).
Da die Revision nicht vorgetragen hatte, dass der Vernehmungsbeamte in der Hauptverhandlung nach dem Zeugen A. El-K. vernommen worden war, war die Rüge schon nicht zulässig erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Sie war aber auch unbegründet:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten, wenn sie sich - wie hier - nicht aus den Urteilsgründen selbst ergeben, für sich allein regelmäßig revisionsrechtlich unerheblich (vgl. BGHSt 17, 351; BGH NStZ 1992, 506 f.; 1995, 27, 29; 1997, 294; und Urteil vom - 2 StR 268/06). Das Herausgreifen eines Aktendetails, das im Urteil keine Stütze findet, kann ohne Kenntnis dessen, was in der Hauptverhandlung im Einzelnen geschehen ist, zu falschen Ergebnissen führen. Eine Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht widerspricht aber - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hatte - der Ordnung des Revisionsverfahrens (vgl. BGH NStZ 1992, 506, 507; 1997, 296). Der Tatrichter war auch nicht verpflichtet, etwaige Widersprüche zwischen dem Inhalt der polizeilichen Vernehmungsurkunde und der Aussage des Zeugen A. El-K. in der Hauptverhandlung im Urteil zu würdigen; denn diese konnten für alle Verfahrensbeteiligten eine solche Erklärung gefunden haben, dass für den Tatrichter kein Anlass bestand, sie als wesentliche Punkte in der Beweiswürdigung zu erörtern. Daran ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden (vgl. BGH NStZ 2006, 55, 56).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAC-57615
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