Zu § 1 UStG
5. Geschäftsveräußerung
Geschäftsveräußerung im Ganzen
(1) 1Eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, wenn die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden. 2Voraussetzung dabei ist, dass eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht (, BStBl 2004 II S. 665). 3Das gilt auch dann, wenn der Erwerber mit dem Erwerb des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs seine unternehmerische Tätigkeit beginnt (vgl. Abschnitt 19 Abs. 1) oder diese nach dem Erwerb in veränderter Form fortführt, nicht jedoch, wenn er beabsichtigt, die übernommene Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln (vgl. , EuGHE I S. 14393). 4Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung kann nicht mit der Begründung verneint werden, es werde noch kein „lebendes Unternehmen” übertragen, da der tatsächliche Betrieb des Unternehmens noch nicht aufgenommen worden sei (vgl. , BStBl 2003 II S. 430). 5Eine Geschäftsveräußerung kann bei der Veräußerung z.B. an den Erwerber verpachteter Gegenstände auch vorliegen, wenn die veräußerten Gegenstände keinem gewerblichen Unternehmen dienten (vgl. , BStBl III S. 322), nicht hingegen, wenn verpachtete Gegenstände, die kein Verpachtungsunternehmen darstellen, nach Beendigung der Pacht veräußert werden (vgl. , BFH/NV S. 810, und vom , V R 45/02, BStBl II 2007 S. 61) . [1] 6Bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übereignung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch dann anzunehmen, wenn einzelne unwesentliche Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden (vgl. , BStBl 2004 II S. 626). 7Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt z.B. bei einer Einbringung eines Betriebs in eine Gesellschaft auch dann vor, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter, insbesondere auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke, nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Erwerber gewährleistet ist (vgl. , BStBl 1999 II S. 41, und vom , V R 10/01, BStBl II 2004 S. 662). 8Hiervon kann z.B. ausgegangen werden, wenn ein dem Unternehmen dienendes Grundstück für zehn Jahre mit Verlängerungsoption zur Fortführung des Unternehmens an den Übernehmer vermietet wird (vgl. a.a.O.). 9Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist ( a.a.O.). 10Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung eines Unternehmens kann auch vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung eines verpachteten Grundstücks aus unternehmerischen Gründen vorübergehend auf die Pachtzinszahlungen verzichtet wird (vgl. , BStBl II S. 849).
Wesentliche Grundlagen
(2) 1Welches die wesentlichen Grundlagen sind, richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Übereignung (, BStBl 1966 III S. 333). 2Auch ein einzelnes Grundstück kann wesentliche Betriebsgrundlage sein. 3Bei einem Herstellungsunternehmer bilden die Betriebsgrundstücke mit den Maschinen und sonstigen der Fertigung dienenden Anlagen regelmäßig die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens (vgl. , BStBl II S. 365). 4Gehören zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bzw. des Betriebs nicht eigentumsfähige Güter, z.B. Gebrauchs- und Nutzungsrechte an Sachen, Forderungen, Dienstverträge, Geschäftsbeziehungen usw., muss der Unternehmer diese Rechte auf den Erwerber übertragen, soweit sie für die Fortführung des Unternehmens erforderlich sind. 5Wird das Unternehmen bzw. der Betrieb in gepachteten Räumen und mit gepachteten Maschinen unterhalten, gehört das Pachtrecht zu den wesentlichen Grundlagen. 6Dieses Pachtrecht muss der Veräußerer auf den Erwerber übertragen, indem er ihm die Möglichkeit verschafft, mit dem Verpächter einen Pachtvertrag abzuschließen, so dass der Erwerber die dem bisherigen Betrieb dienenden Räume usw. unverändert nutzen kann (vgl. , BStBl 1969 II S. 303). 7Eine Übereignung in mehreren Akten ist dann als eine Geschäftsveräußerung anzusehen, wenn die einzelnen Teilakte in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und der Wille auf Erwerb des Unternehmens gerichtet ist (vgl. , BStBl II S. 483). 8Eine Übereignung ist auch anzunehmen, wenn der Erwerber beim Übergang des Unternehmens Einrichtungsgegenstände, die ihm bereits vorher zur Sicherung übereignet worden sind, und Waren, die er früher unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat, übernimmt (vgl. , BStBl III S. 684).
In der Gliederung des Unternehmens gesondert geführte Betriebe
(3) 1Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn er wirtschaftlich selbständig ist. 2Dies setzt voraus, dass der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet hat, der unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmens nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden ist und nach außen hin ein selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist. 3Dabei ist nicht Voraussetzung, dass mit dem Unternehmen oder mit dem in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teil in der Vergangenheit bereits Umsätze erzielt wurden; die Absicht, Umsätze erzielen zu wollen, muss jedoch anhand objektiver, vom Unternehmer nachzuweisender Anhaltspunkte spätestens im Zeitpunkt der Übergabe bestanden haben (vgl. a.a.O.). 4Soweit einkommensteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung angenommen wird (vgl. R 16 Abs. 3 EStR 2005), kann umsatzsteuerrechtlich von der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs ausgegangen werden. 5Veräußert ein Beförderungsunternehmer, der Güterbeförderungen mit mehreren Kraftfahrzeugen betreibt, einen dem Güterfernverkehr dienenden Lastzug, und verzichtet er auf die Konzession zugunsten des Erwerbers, liegt nicht die Übereignung eines in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betriebs vor (vgl. , BStBl 1967 III S. 161).
(4) 1Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist kein Verwendungsumsatz im Sinne des § 15 Abs. 2 UStG ( a.a.O.). 2Zur Vorsteuerberichtigung des Erwerbers vgl. Abschnitt 217 ff .
(5) Liegen bei einer unentgeltlichen Übertragung die Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung nicht vor, kann eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe (vgl. Abschnitt 24a) in Betracht kommen.
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
JAAAC-53796
1Das nach wie vor zitierte steht nicht im Widerspruch zu dem in Satz 10 von Abschn. 5 Abs. 1 angegebenen BFH-Urteil V R 78/03, wonach ein Verpachtungsunternehmen grundsätzlich nur dann im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen übertragen werden kann, wenn der Pachtvertrag nicht beendet wurde. Das besagt nur, dass der Verkauf verpachteter Wirtschaftsgüter eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein kann (im Urteilsfall hatte der Erwerber diese bereits vorher gepachtet), während das BFH-Urteil V R 78/03 fordert, dass bei der Veräußerung eines verpachteten Unternehmens die Pachtverträge auf den Erwerber übergehen müssen. Dies schließt die Übergabe an den bisherigen Pächter nicht aus (der Pachtvertrag endet dabei durch Konklusion, eine Verpachtung wäre aber auch durch den Erwerber möglich, sodass das Unternehmen daher fortführbar ist).