Lohnsteuereinbehalt für Lohnzahlungen Dritter; Rabatte des Arbeitgebers als geldwerter Vorteil
Leitsatz
Ein Arbeitgeber muss den von einem Dritten im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn selbst dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, wenn der Dritte in die Zahlung nur als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist und der Arbeitgeber selbst der den Arbeitslohn Zahlende bleibt. Der Dritte - hier: nahe stehende Gesellschaft - ist nicht Leistungsmittler, wenn er eigene Verpflichtungen aus den mit den Arbeitnehmern abgeschlossenen Kaufverträgen erfüllt, nicht aus Anlass eines Auftrags des Arbeitgebers, sondern auf entsprechende Nachfrage der Arbeitnehmer tätig wird, der Arbeitgeber über das Ob und den Umfang der von seinen Arbeitnehmern getätigten Käufe nicht informiert ist und weder rechtlich noch tatsächlich eine Handhabe hat, auf die zwischen seinen Arbeitnehmern und der nahe stehenden Gesellschaft abgeschlossenen Kaufverträge einzuwirken. Nach der Grundnorm des § 8 Abs. 2 EStG sind in Übereinstimmung mit dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers nur insoweit als geldwerte Vorteile zu erfassen, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt.
Gesetze: EStG § 38; EStG § 42d; EStG § 8; EStG § 19
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist die Verpflichtung der Arbeitgeberin zum Lohnsteuereinbehalt, soweit ihre Arbeitnehmer Einkaufsrabatte von der Arbeitgeberin nahestehenden anderen Gesellschaften erhielten.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Fotolabor. A war an der Gesellschafterin der Klägerin, der C-AG, mit 33,67 % beteiligt. Weiter war er atypisch still an der Klägerin beteiligt. Die Geschäftsführung der Klägerin oblag der A-C Stiftung, deren alleinvertretungsberechtigter Vorstand A war.
A war weiter an den zur B Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften beteiligt. Das waren im Einzelnen die D-KG, die E-KG, die F-KG sowie die G-KG. A war an diesen Unternehmen jeweils als Kommanditist zu 100 % oder zu 98 % beteiligt. An den Verwaltungsgesellschaften der drei erstgenannten Kommanditgesellschaften war er zu 100 % beteiligt. Weiter hielt die F-KG 66,67 % der G-KG.
Die für den Zeitraum bis durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung stellte fest, dass den Arbeitnehmern der Klägerin bei dem Erwerb von Waren der sog. B-Gruppe Preisvorteile durch Dritte —den zu der B-Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften— in Höhe von insgesamt xxx.xxx DM eingeräumt worden waren. Die Preisvorteile wurden gewährt, wenn sich die Arbeitnehmer der Klägerin durch Firmenausweis oder Stempelkarte ausgewiesen hatten oder wenn sie als deren Mitarbeiter bekannt waren.
Weiter stellte die Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass die Arbeitnehmer der Klägerin beim Pförtner der Klägerin Filme erworben hatten und der Kaufpreis dafür vom Gehalt der jeweiligen Arbeitnehmer einbehalten worden war. Auf Grundlage der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem entsprechend der unverbindlichen Preisempfehlung kalkulierten Ladenverkaufspreis ermittelte die Außenprüfung insoweit Preisvorteile in Höhe von xx.xxx DM. Im sodann ergangenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid wurden dafür allerdings nur noch Preisvorteile in Höhe von x.xxx DM zugrunde gelegt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte mit Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom die Lohnsteuer-Nachforderungsbeträge in Höhe von . DM fest. Darin enthalten waren die hier streitigen Beträge in Höhe von . DM zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.
Mit dem im Ergebnis erfolglosen Einspruch wandte sich die Klägerin nur noch gegen die ab entstandenen Lohnsteuer-Nachforderungen.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1287 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des und die Einspruchsentscheidung des Revisionsbeklagten vom aufzuheben und die durch Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom nachgeforderten Beträge in Höhe von . DM Lohnsteuer zuzüglich Annexsteuern um . DM Lohnsteuer zuzüglich Annexsteuern auf . DM zuzüglich Annexsteuern herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war die Klägerin nicht verpflichtet, Lohnsteuer für Vorteile aus dem verbilligten Wareneinkauf ihrer Arbeitnehmer bei Unternehmen der B-Gruppe einzubehalten. Soweit das FG lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile der Arbeitnehmer der Klägerin aus den Filmverkäufen angenommen hat, tragen die hierzu getroffenen Feststellungen des FG diese Entscheidung nicht.
1. a) Der Arbeitgeber haftet nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erheben, sofern der Lohn vom Arbeitgeber gezahlt wird. Arbeitslohn, der nicht vom Arbeitgeber gezahlt wird, unterliegt nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen nur dann dem Lohnsteuerabzug, wenn er im Rahmen des Dienstverhältnisses üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlt wird.
b) Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin nicht verpflichtet, für die Vorteile, die ihren Arbeitnehmern aus den verbilligten Einkäufen bei Unternehmen der B-Gruppe zuflossen, Lohnsteuer nach § 38 Abs. 3 EStG einzubehalten, so dass auch eine Haftung dafür nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG ausscheidet.
Soweit den Arbeitnehmern der Klägerin Preisvorteile bei Einkäufen in Geschäften der zu der B-Gruppe gehörenden Unternehmen eingeräumt worden waren, hat nicht die Klägerin selbst als Arbeitgeberin solchen Arbeitslohn in Form von Rabatten gewährt, sondern Dritte. Die Klägerin musste nicht für solche von Dritten eingeräumte Vorteile Lohnsteuer einbehalten.
aa) Diese Vorteile in Form von Preisnachlässen der Unternehmen der B-Gruppe sind der Klägerin nicht als sog. unechte Lohnzahlung eines Dritten wie eigene Lohnzahlungen zuzurechnen. Ein Arbeitgeber muss zwar den von einem Dritten im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn selbst dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, wenn der Dritte in die Zahlung nur als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist und der Arbeitgeber selbst der den Arbeitslohn Zahlende bleibt (vgl. zuletzt , BFHE 212, 568, BStBl II 2006, 668; vom VI R 81/02, BFH/NV 2007, 426). Im Streitfall liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Unternehmen der B-Gruppe für die Klägerin in dieser Weise tätig geworden sind. Denn die Unternehmen erfüllten eigene Verpflichtungen aus den mit den Arbeitnehmern der Klägerin abgeschlossenen Kaufverträgen. Sie wurden nicht aus Anlass eines Auftrags der Klägerin, sondern auf entsprechende Nachfrage der Arbeitnehmer der Klägerin tätig. Die Klägerin war über das Ob und den Umfang der von ihren Arbeitnehmern getätigten Käufe nicht informiert und hatte weder rechtlich noch tatsächlich eine Handhabe, auf die zwischen ihren Arbeitnehmern und den Unternehmen der B-Gruppe abgeschlossenen Kaufverträgen einzuwirken. Insoweit fungierten die Unternehmen der B-Gruppe weder als Kasse noch als Beauftragte der Klägerin.
bb) Eine Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt der Klägerin für die von den Unternehmen der B-Gruppe gewährten Rabatte folgt auch nicht aus § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. Denn ungeachtet der Frage, ob solche Rabattgewähr üblicherweise gezahlter Arbeitslohn i.S. des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG darstellen könnte, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass derartige Drittlöhne dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber nur insoweit unterliegen, als der Arbeitgeber über deren Höhe in Kenntnis gesetzt wird, etwa indem er in den Zahlungsvorgang eingeschaltet oder durch seine Arbeitnehmer über derartige Zuflüsse unterrichtet war (vgl. , BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323; in BFHE 212, 568, BStBl II 2006, 668; vom IX R 82/98, BStBl II 2006, 669, mit Hinweis auf die ab 2004 geltende neue Rechtslage, jeweils m.w.N.). Das war bei den Käufen der Arbeitnehmer der Klägerin in Geschäften der zu der B-Gruppe rechnenden Unternehmen offensichtlich nicht der Fall.
2. a) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen, Tantiemen und anderen Bezügen auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG benennt die geldeswerten Güter oder Vorteile (Einnahmen, die nicht in Geld bestehen), nämlich „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge”. Hierzu gehören auch geldwerte Vorteile etwa in Form von durch den Arbeitgeber gewährten Preisnachlässen.
Nach der Grundnorm des § 8 Abs. 2 EStG sind in Übereinstimmung mit dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers nur insoweit als geldwerte Vorteile zu erfassen, wie der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt (vgl. , BFHE 213, 484, BStBl II 2006, 781; vom VI R 41/02, BFH/NV 2006, 2202).
b) Gemessen daran hält die Vorentscheidung revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit das FG lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile aus den Filmverkäufen angenommen hat. Die tatsächlich getroffenen Feststellungen des FG tragen nicht seine Würdigung und Entscheidung, dass die Klägerin an ihre Arbeitnehmer Filme zu Preisen abgegeben hatte, die unter den günstigsten Marktpreisen lagen.
Das FG stützt seine Feststellungen auf die Ermittlungen des Beklagten im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung. Danach lagen die tatsächlichen Verkaufspreise der durch den Pförtner der Klägerin an ihre Arbeitnehmer abgegebenen Filme unter den Preisen, die als unverbindliche Preisempfehlungen angegeben waren. Die Vorinstanz ist allerdings nicht weiter den schon im Einspruchsverfahren vorgebrachten und im Klageverfahren weiter substantiierten Einwendungen der Klägerin nachgegangen, nach denen die angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen nicht den Marktpreisen entsprochen hätten, so dass allein auf dieser Grundlage keine lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteile angenommen werden könnten. Die Klägerin hat anhand von Beispielen konkret vorgetragen, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen nicht den Marktpreisen entsprochen hätten, dass Filme von Mitbewerbern zu solchen Preisen verkauft worden seien, wie sie die Klägerin auch gegenüber ihren Arbeitnehmern abgerechnet habe, sowie, dass die Preise der Klägerin von Mitbewerbern teilweise auch unterschritten worden seien.
Wenn angesichts dessen die Vorinstanz dennoch „aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Aktenlage” die Überzeugung gewonnen hatte, dass ein geldwerter Vorteil in Höhe der Differenz zwischen dem Verkaufspreis durch den Pförtner und der unverbindlichen Preisempfehlung bestanden habe, bringt sie damit zwar eine subjektive Gewissheit des Tatrichters über einen entscheidungserheblichen Sachverhalt zum Ausdruck. Diese Würdigung bindet das Revisionsgericht aber nur, wenn sie auf logischen, einsichtigen, den Denkgesetzen entsprechenden und von den Tatsachenfeststellungen getragenen nachvollziehbaren Erwägungen beruht. Fehlt die nachvollziehbare Ableitung der Folgerungen aus den tatsächlichen Feststellungen, so liegt entweder ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht zu beachten ist, oder ein gleichermaßen beachtlicher Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO (vgl. , BFH/NV 1995, 572; vom IX R 30/00, BFH/NV 2004, 1382; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 15).
Im Streitfall fehlt es an einer solchen nachvollziehbaren Ableitung. Im Prüfungsbericht selbst ist zu dieser Frage textlich überhaupt nichts ausgeführt und in der Zusammenfassung der Ergebnisse nur der Betrag von x.xxx DM enthalten, ohne dass dieser näher erläutert wäre oder sich ansonsten ergibt, wie dieser Betrag ermittelt wurde. Tatsächlich festgestellt scheint nur, dass die Verkaufspreise unter den angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen gelegen haben. Angesichts des Vorbringens der Klägerin und des gerichtsbekannten Umstandes, dass unverbindliche Preisempfehlungen den Marktpreis nicht stets zutreffend abbilden, fehlt es im Streitfall an einer nachvollziehbaren Ableitung der Feststellung, dass die unverbindliche Preisempfehlung den Marktpreis im Sinne des günstigsten Preises am Markt tatsächlich zutreffend wiedergibt. Insoweit war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die im Ergebnis fehlenden Feststellungen zu den tatsächlichen Marktpreisen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Feststellungslast dafür, dass ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil vorliegt, als steuerbegründendes Merkmal beim FA liegt. Schließlich sind auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die Voraussetzungen für die besondere Rabattbewertung nach § 8 Abs. 3 EStG vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2202). Auch diese Feststellungen werden ggf. im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1851 Nr. 10
DStRE 2007 S. 1295 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 14
VAAAC-53150