BGH Beschluss v. - VII ZR 230/06

Leitsatz

[1] a) Wendet sich der auf Zahlung von Werklohn verklagte Auftraggeber nicht gegen die fehlende Prüfbarkeit einer Rechnung, so findet im Prozess die Klärung statt, ob die Werklohnforderung begründet ist. Voraussetzung für den Erfolg der Klage ist, dass die Werklohnforderung schlüssig dargelegt ist. Bedarf es dazu einer neuen, an den vertraglichen Voraussetzungen orientierten Abrechnung, so ist diese vorzulegen.

b) § 142 ZPO dient nicht dazu, einer Partei die Darlegungslast dadurch zu erleichtern, dass das Gericht eine Ausforschung betreibt. Das Gericht ist deshalb nicht gehalten, auf den Vortrag einer Partei, weiterer, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführender Vortrag befinde sich in bei ihr und bei dem Prozessgegner verfügbaren Aktenordnern, die Vorlage dieser Akten anzuordnen.

Gesetze: ZPO § 142; VOB/B § 14

Instanzenzug: LG Frankfurt/Main 3/1 O 172/04 vom OLG Frankfurt/Main 5 U 70/06 vom

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt Restwerklohn in Höhe von 491.021,48 €, die Beklagte macht widerklagend eine Überzahlung von 90.335,26 € geltend.

Die Klägerin war auf einem Bauvorhaben der Beklagten als Nachunternehmer für die P. H. AG eingesetzt. Nachdem diese insolvent geworden war, wurde die Klägerin mit Restarbeiten für den Rohbau beauftragt. Die Klägerin erstellte ihre Schlussrechnung über die im Vertrag vorgesehenen und nachträglich beauftragten Leistungen überwiegend auf der Grundlage von Stundenlohnabrechnungen. Die Beklagte hat die Rechnung geprüft und Kürzungen vorgenommen. Diese hat sie zu überwiegendem Teil darauf gestützt, dass die Klägerin zum großen Teil vertragswidrig Stundenlohn in Rechnung gestellt habe, außerdem seien überhöhte Einheitspreise eingesetzt worden. Darüber hinaus hat die Beklagte Kürzungen in Höhe von 111.717,97 € vorgenommen, weil ein Teil der abgerechneten Leistungen nicht erbracht, nicht beauftragt oder jedenfalls nicht nachvollziehbar berechnet sei. Weiterhin hat die Beklagte die Rechnung gekürzt wegen Doppelabrechnungen, überhöhter Zuschläge für Arbeiten an Samstagen, Sonn- und Feiertagen, unberechtigter Einstellung einer Vergütung für das Aufstellen und Vorhalten von (Arbeits-) Gerüsten bis zur Höhe von 2 m und für Aufsichtsstunden sowie wegen eines Gewährleistungseinbehalts und der Kosten einer Bauwesenversicherung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin zur Zahlung von 83.521,87 € verurteilt. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

II.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Klage in Höhe eines Betrages von 39.202,57 € abgewiesen und der Widerklage stattgeben worden ist. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

1. Die Angriffe der Beschwerde gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klage sei unbegründet, soweit die Klägerin vertragswidrig nach Stundenlohn abgerechnet habe, zeigen keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO auf.

a) Wie auch die Beschwerde nicht verkennt, hat die Beklagte den Einwand fehlender Prüfbarkeit der Rechnung nicht erhoben. Die Werklohnforderung der Klägerin war deshalb fällig. Das Berufungsgericht hatte zu prüfen, ob die Forderung der Klägerin begründet ist (vgl. , BGHZ 157, 118, 126; Urteil vom - VII ZR 173/03, BauR 2004, 1937 = NZBau 2005, 40 = ZfBR 2005, 56; Urteil vom - VII ZR 50/04, BauR 2006, 517 = NZBau 2006, 179 = ZfBR 2006, 239; Urteil vom - VII ZR 316/03, BauR 2006, 678 = NZBau 2006, 231 = ZfBR 2006, 335).

Die Klägerin hat entgegen ihrer in der Berufung noch vertretenen Auffassung keinen Anspruch darauf, dass ihre Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird, wenn ihre Rechnung nicht den vertraglichen Voraussetzungen entspricht. Rügt der Auftraggeber die fehlende Prüfbarkeit der Rechnung nicht, findet eine endgültige Klärung der Werklohnforderung in dem anhängigen Prozess statt. Die Rechtslage entspricht dann derjenigen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach dem die Erteilung einer prüfbaren Rechnung keine Fälligkeitsvoraussetzung ist (, BGHZ 157, 118, 126). Voraussetzung für den Erfolg der Klage ist, dass die Werklohnforderung schlüssig dargelegt ist. Bedarf es dazu einer neuen, an den vertraglichen Voraussetzungen orientierten Abrechnung, so ist diese vorzulegen.

b) Unbegründet ist die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe unter Verkennung dieser Rechtsprechung nicht die Schlüssigkeit des Klagevorbringens, sondern lediglich die Prüfbarkeit der Rechnung geprüft. Das Berufungsgericht hat die Schlüssigkeit des Klagevorbringens geprüft und verneint. Es hat eine an den vertraglichen Voraussetzungen orientierte Abrechnung und damit eine schlüssige Darlegung der Forderung nach Einheitspreisen vermisst.

Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe die Prüfung unterlassen, ob der gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B geforderte, vertragswidrig nach Stundenlohn berechnete Werklohn sich auf der Grundlage der so genannten Einheitspreisliste als berechtigt erweise, geht ins Leere. Eine solche Prüfung hat die Beklagte bereits vorgenommen. Sie hat die nach Stundenlohn abgerechneten Leistungen nach den vertraglichen Voraussetzungen berechnet und in die Rechnung eingestellt. Dazu hat sie, soweit möglich, die Mengen auf der Grundlage der ihr überreichten Abrechnungsunterlagen ermittelt und die Einheitspreise wegen veränderter Leistungen angepasst. Die Klägerin hat jedoch diese Berechnung nicht akzeptiert. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, die Grundlagen für eine andere Berechnung vorzutragen. Dazu gehört eine Darstellung der Mengen und des auf der vertraglichen Grundlage unter Berücksichtigung der darzustellenden Mehr- oder Minderkosten neu berechneten Einheitspreises.

Das Berufungsgericht war entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht gehalten, von der Beklagten die Vorlage der Ordner anzufordern, aus denen sich Angaben zu den Leistungen ergeben sollen. Das Gericht kann zwar gemäß § 142 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und sonstige Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Diese Regelung dient jedoch nicht dazu, einer Partei die Darlegungslast dadurch zu erleichtern, dass das Gericht eine Ausforschung betreibt (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 142 Rdn. 1 m.w.N.). Das Gericht ist deshalb nicht gehalten, auf den Vortrag einer Partei, weiterer, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführender Vortrag befinde sich in bei ihr und bei dem Prozessgegner verfügbaren Aktenordnern, die Vorlage dieser Akten anzuordnen. Wenn die Klägerin meinte, ihr Vortrag könne prozessual zulässig durch Vorlage der Ordner untermauert werden, so hätte sie diese vorlegen können. Dass sie dazu in der Lage war, ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom und vom .

c) Nicht nachvollziehbar ist dem Senat die Rüge, das Berufungsgericht habe fehlerhaft den Werklohn nicht gemäß § 287 ZPO geschätzt. Eine solche Schätzung hat bereits die Beklagte vorgenommen und für die Klägerin in Ansatz gebracht. Es ist deshalb auch nicht richtig, dass die Klägerin für die nach Stundenlohn abgerechneten Leistungen keinerlei Vergütung erhält.

Unbegründet ist die Rüge, der Klägerin sei der Rechtsschutz verweigert worden, weil ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, eine den vertraglichen Anforderungen entsprechende Schlussrechnung vorzulegen. In ihrem letzten Schriftsatz vom hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Schlussrechnung in diesem Prozess nicht mehr vorlegen werde. Sie hat vielmehr weiterhin gemeint, das Gericht müsse aufgrund der nicht vorgelegten Unterlagen Beweis über die Forderung erheben. Das Berufungsgericht war, nachdem es und das Landgericht auf die Unrichtigkeit dieser Auffassung hingewiesen hatten, nicht gehalten, die mündliche Verhandlung nach Widerruf des Vergleichs wiederzueröffnen, um der Klägerin weitere Gelegenheit zur ausreichenden Darlegung ihres Anspruchs zu geben.

2. Zu Recht rügt die Beschwerde als einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, das Berufungsgericht sei ohne entsprechenden Parteivortrag zu ihrem Nachteil davon ausgegangen, Leistungen im Umfang von netto 111.717,97 € seien ebenfalls vertragswidrig im Stundenlohn abgerechnet worden.

Es geht insoweit um Leistungen, die die Beklagte als nicht erbracht oder als nicht beauftragt gerügt hat. Aus diesem Grund und auch wegen einer nicht nachvollziehbaren Darstellung der Leistungen in den Rechnungspositionen hat sie die für diese Leistungen in Ansatz gebrachte vollständige Vergütung gekürzt. In der Summe geht es um Kürzungen in Höhe von netto 111.717,97 €. Keine der Parteien hat behauptet, dass diese Leistungen nach Stundenlohn abgerechnet worden sind oder, soweit das geschehen ist, nicht nach Stundenlohn hätten abgerechnet werden dürfen. Aus den vorgetragenen Rechnungspositionen ergibt sich zudem ohne weiteres, dass eine Vielzahl der Kürzungen in Positionen erfolgt sind, die nach Mengen abgerechnet worden sind. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht nicht nur verfahrensfehlerhaft, sondern auch unter Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör übergangen.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist aufzuheben, soweit es auf diesem Verstoß beruht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klage insoweit Erfolg hat. Allerdings wird das Berufungsgericht zunächst zu prüfen haben, inwieweit ein Vergütungsanspruch wegen der gekürzten Positionen schlüssig dargelegt ist. Nur soweit das der Fall ist, bedarf es der Beweisaufnahme darüber, ob und in welchem Umfang die Leistungen erbracht oder beauftragt worden sind. Sind Leistungen nicht beauftragt, kommt ein Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 oder 3 VOB/B in Betracht.

Die fehlerhaft beschiedene Forderung von 111.717,97 € netto wirkt sich wie folgt auf die Abrechnung aus:

Auszugehen ist von einem Betrag von 1.380.877,78 € netto. Dazu sind hinzufügen 111.717,97 €, das sind 1.492.595,75 €. Zuzüglich 16 % Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag von 1.731.411,07 €. Dieser Betrag ist um 0,3 % für die Bauwesensversicherung zu vermindern (5.194,23 €) und um weitere 5 % Gewährleistungssicherheit (86.570,55 €). Es ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.639.646,29 €. Die Beklagte hat 1.600.443,72 € gezahlt. Es bleibt eine mögliche Restforderung der Klägerin von 39.202,57 €.

3. Das Berufungsgericht hat hingegen nicht gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verstoßen, soweit es die sonstigen Kürzungen der Beklagten für berechtigt gehalten hat. Das Urteil ist nicht dahin zu verstehen, dass sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt hat. Es hat ihn vielmehr im Anschluss an die mit der Berufung nicht angegriffene Begründung des Landgerichts ebenfalls für unschlüssig gehalten.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der weiteren Nichtzulassungsbeschwerde wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO).

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1393 Nr. 20
RAAAC-51433

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein