BGH Beschluss v. - VII ZB 118/06

Leitsatz

[1] Wird die Hauptsacheklage nach Ablauf der gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, jedoch vor einer Entscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO erhoben, kommt eine Entscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht.

Gesetze: ZPO § 494 a

Instanzenzug: LG Berlin 12 OH 3/03 vom KG Berlin 6 W 59/06 vom

Gründe

I.

Nach Abschluss eines selbständigen Beweisverfahrens, das die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 betrieb, ordnete das Landgericht auf Antrag der Antragsgegnerin zu 1 am an, dass die Antragstellerin bis zum (eingehend bei Gericht) Klage in der Hauptsache zu erheben habe.

Die Antragstellerin reichte am die Klage ein. Die Zustellung erfolgte erst, nachdem die Antragstellerin am den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hatte.

Bereits mit Schriftsatz vom hatte die Antragsgegnerin zu 1 beantragt, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen.

Das Landgericht hat den Antrag am wegen der inzwischen rechtshängig gewordenen Hauptsache zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

II.

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Recht eine Kostenentscheidung gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag das Hauptsacheverfahren rechtshängig gewesen sei. Werde die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, jedoch vor der Entscheidung über den Antrag nach § 494 a Abs. 2 ZPO erhoben, komme eine Entscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 494 a Abs. 2 ZPO, der dem Antragsgegner eine Handhabe geben solle, einen Vollstreckungstitel für die eigenen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu erlangen. Eine Kostenentscheidung unabhängig von der materiellen Rechtslage sei nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Antragsteller diese in der Hauptsacheklage klären lasse. Der Wortlaut des § 494 a Abs. 2 ZPO stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Denn die Bestimmung "Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach ..." könne sich sprachlich sowohl allein auf die "Anordnung" als auch auf die Anordnung fristgemäßen Handelns beziehen.

2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu 1 im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Die gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO gesetzte Frist war allerdings versäumt. Die Klage ist nicht mit der bloßen Einreichung der Klageschrift bei Gericht, sondern gemäß § 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO mit ihrer Zustellung erhoben. Zwar ist auch hier die Regelung in § 167 ZPO anwendbar (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 494 a Rdn. 4); die Zustellung der Klage ist jedoch nicht "demnächst" erfolgt, da die Antragstellerin mehrere Wochen lang mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zögerte.

b) Das Beschwerdegericht führt jedoch zu Recht aus, dass für eine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO kein Raum mehr ist, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zwischen den Parteien die Hauptsacheklage rechtshängig ist. Es folgt insofern der überwiegend in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (, BauR 2001, 1292; vom - 21 W 25/97, NJW-RR 1998, 359; Saarländisches -45, OLGR 2000, 76, jeweils m.w.N.; a. A. OLG Frankfurt, Beschluss vom - 24 W 55/00, NJW-RR 2001, 862) und der Literatur (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 494 a Rdn. 4 a; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 494 a Rdn. 5; MünchKommZPO-Schreiber, § 494 a Rdn. 4; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 494 a Rdn. 29) vertretenen Ansicht.

Der Senat hält diese Ansicht für zutreffend. § 494 a ZPO sieht einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch vor, um eine Lücke zu schließen, die sich ergeben kann, weil eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren im Regelfall nicht vorgesehen ist (vgl. für das frühere Beweissicherungsverfahren BT-Drucks. 11/8283 S. 47 f.). Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die grundsätzlich in diesem entschieden wird (, BauR 2004, 1485 = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507; vom - VII ZB 34/03, BauR 2004, 1487 = ZfBR 2004, 788 = NZBau 2005, 44; vom - VII ZB 9/03, BauR 2004, 1809 = ZfBR 2005, 53 = NZBau 2004, 674). Kommt es nicht zu einer Hauptsacheentscheidung, weil der Antragsteller nach Durchführung der Beweisaufnahme von der Einleitung des Hauptprozesses absieht, soll der Antragsgegner kostenrechtlich durch § 494 a ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt.

Maßgebend für die isolierte Entscheidung über die Kosten ist daher nicht in erster Linie die für die Erhebung der Klage gesetzte Frist, sondern das Unterlassen der Klageerhebung. Eine an die bloße Fristversäumung geknüpfte Erstattungspflicht ohne Berücksichtigung der materiellen Rechtslage ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn das Hauptsacheverfahren rechtshängig ist und dort über die Kosten unter Berücksichtigung des materiellen Rechts entschieden wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zustellung einer nicht fristgerecht erhobenen Klage noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Vorrangig ist in jedem Fall die in Anwendung materiellen Rechts ergehende Kostenentscheidung. Ein anderes Verständnis von § 494 a Abs. 2 ZPO führte dazu, dass der Richter, der über die Hauptsache zu entscheiden hat, auch entgegen der materiellen Rechtslage an eine im selbständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung gebunden wäre, die an die bloße Fristüberschreitung anknüpft.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 3357 Nr. 46
NAAAC-51430

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja