Unterschiedliche Behandlung von Rechtsanwälten und Steuerberatern durch § 3 Nr. 1 StBerG keine dem EG-Vertrag widersprechende Diskriminierung
Gesetze: StBerG § 3, StBerG § 4, StBerG § 37a, EG Art. 50, EG Art. 234
Instanzenzug:
Gründe
I. Mit Beschluss vom hat das Finanzgericht (FG) die als Prozessbevollmächtigte in dem Rechtsstreit der Herren S und B (Kläger) gegen den Beklagten (Finanzamt —FA—) auftretende Beschwerdeführerin, eine in England und Wales registrierte Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. mit Sitz in Birmingham und Niederlassungen in den Niederlanden und Belgien, als Prozessbevollmächtigte zurückgewiesen. Zur Begründung bezog sich das FG auf die bereits in einem anderen Verfahren ausgesprochene Zurückweisung, die der Senat mit Beschluss vom VII B 198/06 —und nahezu inhaltsgleich mit Beschluss vom VII B 165-167/06 (BFH/NV 2007, 785)— bestätigt hat. Zwischenzeitlich sind andere Senate des Bundesfinanzhofs (BFH) diesen Entscheidungen des erkennenden Senats gefolgt (Beschlüsse vom IX B 240/06, BFH/NV 2007, 1195, und vom X B 179/05, BFH/NV 2007, 1197).
Der gegen den Beschluss des FG eingelegten Beschwerde der Beschwerdeführerin half das FG nicht ab und legte sie dem BFH vor.
Nach einer Mitteilung des FA ist über das Vermögen eines Klägers am das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen die angefochtene Entscheidung des FG ist die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben. Das Beschwerderecht steht nicht nur den Beteiligten, sondern auch dem zurückgewiesenen Bevollmächtigten zu (vgl. , BFH/NV 1998, 998, m.w.N.).
Das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin ist auch nicht dadurch entfallen, dass das Klageverfahren bezüglich des Klägers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, unterbrochen und offen ist, ob es —sei es vom Insolvenzverwalter, vom FA oder gegebenenfalls vom Kläger selbst— aufgenommen werden wird. Denn das FG wird gegebenenfalls das Verfahren des anderen Klägers, für den die Beschwerdeführerin ebenfalls als Prozessbevollmächtigte auftritt, abtrennen und fortführen.
Die Beschwerde ist aber unbegründet.
Das FG hat die Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigte zurückgewiesen.
1. Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen steht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) erbringen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist, wie der Senat in der Entscheidung in BFH/NV 2007, 785 bereits dargelegt hat, der Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG geklärt. Das FG hat diesen Begriff zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies hatte der Senat in seinem Beschluss vom VII B 198/06, der den Beteiligten zugestellt ist, im Einzelnen geprüft. Neue Gesichtspunkte hat die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen. Da es sich bei der Subsumtion der Tätigkeiten der Beschwerdeführerin unter den Begriff der Dienstleistung (im Sinne einer zeitlich beschränkten Leistung, wie ihn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— in seinem Urteil vom Rs. C-215/01, EuGHE 2003, I-14847 vorgegeben hat) um eine Prüfung und Entscheidung im Einzelfall handelt, die den nationalen Gerichten obliegt, kommt insoweit ein Vorabentscheidungsersuchen zu der von der Beschwerdeführerin formulierten Frage, wie der Auf- bzw. Ausbau eines Kundenstammes im anderen Mitgliedstaat zu würdigen ist, nicht in Betracht.
2. In der Entscheidung in BFH/NV 2007, 785 hat der Senat auch die Auffassung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, dass das Vorhandensein eines Berufsdomizils in einem anderen Mitgliedstaat die maßgebende Voraussetzung für die Anwendung des Niederlassungsrechts sei oder dass —entsprechend umgekehrt— die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit immer dann Anwendung fänden, wenn kein Berufsdomizil im anderen Mitgliedstaat unterhalten werde. Auch insoweit ist dem Beschwerdevorbringen nichts Neues zu entnehmen.
3. Soweit die Beschwerdeführerin die Ausführungen des FG rügt, wonach ein vorübergehender Charakter ihrer inländischen Tätigkeit auch unter Umgehungs- bzw. Missbrauchsgesichtspunkten zu verneinen sei, handelt es sich um nicht entscheidungserhebliche, ergänzende Erwägungen. Auch insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen in BFH/NV 2007, 785.
4. Schließlich teilt der Senat die Zweifel der Beschwerdeführerin an der Wirksamkeit der durch das StBerG geregelten Zulassungsbeschränkungen nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH begegnet es keinen Zweifeln, dass Personen oder Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union beruflich niedergelassen sind und dort zulässigerweise geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, die aber nicht nach den §§ 3 und 4 StBerG in Deutschland zu dieser Hilfeleistung befugt sind, auf Dienstleistungen nach Art. 50 EG beschränkt werden dürfen (BFH-Beschlüsse vom VII B 330/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, und vom X B 82/03, BFH/NV 2004, 671; EuGH-Urteil in EuGHE 2003, I-14847). Dem hat der nationale Gesetzgeber mit der Regelung des § 3 Nr. 4 StBerG Rechnung getragen.
Gefestigt ist auch die Rechtsprechung, wonach die unterschiedliche Behandlung von „niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten” und „europäischen niedergelassenen Steuerberatern” durch § 3 Nr. 1 StBerG keine dem EG-Vertrag widersprechende Diskriminierung europäischer Steuerberater gegenüber europäischen Rechtsanwälten darstellt. Die Differenzierung ist im Allgemeininteresse geboten (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173, und vom 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302, BStBl II 1982, 281; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 671). Die Beschwerdeführerin hat keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Dies gilt insbesondere, soweit die Beschwerdeführerin meint, aus der BVerfG-Entscheidung vom 1 BvR 1730/02, Wettbewerb in Recht und Praxis 2006, 463 zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der alten Handwerksordnung zum Meisterzwang) die Verfassungswidrigkeit der Zulassungsbeschränkungen des StBerG herleiten zu können. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des FG Bezug; es fehlt an der Vergleichbarkeit der durch die jeweiligen Normen geregelten Lebenssachverhalte. Während nämlich Handwerker aus dem EU-Ausland keine dem deutschen Meistertitel entsprechende Qualifikationen brauchten und insoweit in eine ungleiche Konkurrenz zu den deutschen Handwerkern traten, ist die Niederlassung von Steuerberatern anderer EU-Mitgliedstaaten in Deutschland davon abhängig, dass sie eine der deutschen vergleichbare Qualifikation nachweisen (§ 37a Abs. 2 StBerG). Der Fall der vorübergehenden grenzüberschreitenden Tätigkeit, wie er im Streitfall in Rede steht, lag der Entscheidung zum Handwerksrecht nicht zu Grunde.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1717 Nr. 9
GAAAC-51308