Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn der Ersatzkäufer eine GmbH ist, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Ersterwerber ist
Leitsatz
1. Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, verbleibt dem Ersterwerber die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition auch dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen werden.
2. Tritt der Ersterwerber in einem solchen Fall bei der Beurkundung des Weiterveräußerungsvertrages als Vertreter einer Kapitalgesellschaft als Zweiterwerberin auf und ist er an dieser Gesellschaft maßgeblich beteiligt, spricht dies prima facie für ein Handeln im eigenen wirtschaftlichen Interesse.
Gesetze: GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: GrE (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit Vertrag vom von einer GmbH (Veräußerin) zwei Miteigentumsanteile an einem Grundstück, die jeweils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung (Nr. 3 und 4) verbunden waren, zu einem Kaufpreis von je 254 486,40 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte für diese Erwerbe mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von zusammen 17 814 DM fest.
Am vereinbarten der Kläger und die Veräußerin die Aufhebung des Vertrags vom . Die Veräußerin sollte die bisher gezahlten Raten zurückzahlen; die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkungen wurde bewilligt und beantragt. Mit weiterem, durch denselben Notar beurkundeten Vertrag vom erwarb die RT GmbH (T-GmbH) den Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 zum Kaufpreis von ebenfalls 254 486,40 DM. Der Kläger war an der T-GmbH zu 70 % beteiligt und handelte bei dem Grundstückskauf als ihr alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die T-GmbH war vom Kläger als Käuferin benannt worden, nachdem es ihm nicht gelungen war, einen anderen Käufer für die nur schwer absetzbare Wohnung zu finden. Die T-GmbH erwarb die Wohnung als Werkswohnung für künftige Mitarbeiter.
Dem Antrag des Klägers auf Aufhebung der Steuerfestsetzung entsprach das FA nur für die Wohnung Nr. 4, lehnte aber mit Bescheid vom den Antrag bezüglich der Wohnung Nr. 3 ab. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom zurückgewiesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Wohnung Nr. 3 ausschließlich auf Verlangen und im Interesse des Klägers an die von ihm beherrschte T-GmbH weiterveräußert worden sei. Der Kläger habe den Geschehensablauf in einer Weise beherrscht, der die ursprüngliche Verkäuferin faktisch nichts habe entgegensetzen können. Infolge der Verknüpfung des Klägers mit der T-GmbH sei diesem eine dem ersten Erwerbsvorgang immanente Rechtsposition verblieben, auf deren Grundlage er Einfluss auf die anschließende Weiterveräußerung der Wohnung an die T-GmbH habe ausüben können.
Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verkannt und zu Unrecht angenommen, ihm sei eine grunderwerbsteuerrechtlich relevante Rechtsposition verblieben, die er für die Weiterveräußerung des Grundstücks genutzt habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom in Gestalt des Änderungsbescheids vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Auffassung des FG, das eigene wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Weiterveräußerung der Wohnung Nr. 3 ergebe sich maßgeblich aus der ihm verbliebenen Rechtsposition und dem von ihm beherrschten Geschehensablauf, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Das FG hat nicht beachtet, dass die Frage, ob dem Kläger eine Rechtsposition verblieben ist, die es ihm ermöglicht hat, Einfluss auf die Weiterveräußerung zu nehmen, getrennt zu beurteilen ist von der Frage, in wessen Interesse er an der Weiterveräußerung mitgewirkt hat.
a) Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird.
„Rückgängig gemacht” ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt (vgl. z.B. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom II B 67/05, BFH/NV 2006, 615; vom II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700). Der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück einerseits und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers andererseits stehen —dem systematischen Verhältnis der Steuertatbestände des § 1 GrEStG zu der gegenläufigen Korrekturvorschrift des § 16 GrEStG entsprechend— in einem sachlichen Zusammenhang (, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413, und in BFH/NV 2006, 1700).
b) Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem „rückgängig gemachten” Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demgemäß nicht aus seinen Bindungen entlassen war.
Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer derartigen Rechtsposition in jedem Fall dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall hat der Ersterwerber die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. Denn der Veräußerer wird aus seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der Unterzeichnung des Vertrages durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist (, BFH/NV 2007, 273). Da sich diese Schlussfolgerung trotz gleicher Beweggründe der Parteien mühelos umgehen lässt, indem die Aufhebung des ursprünglichen und der Abschluss des neuen Kaufvertrages nacheinander beurkundet werden, kann der Abschluss beider Verträge in aufeinanderfolgenden Urkunden nicht anders beurteilt werden als ihre Zusammenfassung in einer.
c) Um die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auszuschließen, muss bei beiden Vorgehensweisen jedoch hinzukommen, dass der Ersterwerber die verbliebene Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat (BFH-Urteile in BFHE 202, 383, BStB1 II 2003, 770, und in BFH/NV 2006, 1700). Tritt der Ersterwerber bei der Beurkundung sowohl für sich als auch als Vertreter einer Kapitalgesellschaft als Zweiterwerberin auf und ist er an dieser Gesellschaft maßgeblich beteiligt, spricht dies prima facie für ein Handeln im eigenen wirtschaftlichen Interesse.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bezüglich der Wohnung Nr. 3 aufgrund des Ablaufs der Beurkundung des Aufhebungs- und des Weiterveräußerungsvertrages an einem Tage aus dem ursprünglichen Kaufvertrag eine Rechtsposition verblieben war, die er durch seine Mitwirkung an der Weiterveräußerung als Gesellschafter-Geschäftsführer der Zweitkäuferin verwertet hat. Offen bleibt jedoch, ob er auch in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen gehandelt hat. Zwar spricht wegen der Stellung des Klägers als maßgeblicher Gesellschafter-Geschäftsführer der Zweitkäuferin der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er im eigenen wirtschaftlichen Interesse an der Weiterveräußerung mitgewirkt hat. Die wegen der schweren Absetzbarkeit der Wohnung gescheiterten Bemühungen des Klägers, einen Dritten als Ersatzkäufer zu finden, deuten darauf hin, dass er die wirtschaftlichen Folgen des für ihn ungünstigen Erwerbs in den betrieblichen Bereich der T-GmbH verlagern wollte und dadurch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte. Da der Anscheinsbeweis widerlegbar ist, muss dem Kläger aber noch Gelegenheit gegeben werden, diesen zu entkräften. Die Sache war deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 726
BFH/NV 2007 S. 1792 Nr. 9
BStBl II 2007 S. 726 Nr. 15
DB 2007 S. 1681 Nr. 31
DStR 2007 S. 1304 Nr. 30
DStRE 2007 S. 1067 Nr. 16
HFR 2007 S. 870 Nr. 9
KÖSDI 2007 S. 15698 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2007 S. 2531
StB 2007 S. 324 Nr. 9
StBW 2007 S. 4 Nr. 16
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2007 S. 594
UVR 2007 S. 260 Nr. 9
BAAAC-50128