Finanzministerium der Landes Nordrhein-Westfalen - S 0284

Bekanntgabe von Verwaltungsakten an Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung

Soll ein Verwaltungsakt einem Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs der AO bekannt gegeben werden, so ist nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 123 AO, § 9 VwZG1 oder § 10 VwZG zu verfahren. Welche der bestehenden Möglichkeiten einer Auslandsbekanntgabe gewählt wird, ist u.a. abhängig von den gesetzlichen Erfordernissen (z.B. vorgeschriebene Zustellung nach § 309 Abs. 2 AO) und von dem Erfordernis, im Einzelfall einen einwandfreien Nachweis des Zugangs des amtlichen Schreibens zu erhalten (s.a. AEAO zu § 122 AO, Tz. 1.8.4. und Tz. 3.1.4.).

1. Bekanntgabe durch einfachen Brief, § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO können Verwaltungsakte auch außerhalb des Geltungsbereichs der AO durch einfachen oder eingeschriebenen Brief bekannt gegeben werden.

An Empfänger im Ausland können Steuerverwaltungsakte grundsätzlich durch einfachen Brief oder elektronisch bekannt gegeben werden.

Die unmittelbare postalische Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland ist völkerrechtlich nur im Verhältnis zu den Staaten zulässig, die dies gestatten. Für die Zulässigkeit reichen Völkergewohnheitsrecht oder Tolerierung einer entsprechenden Zustellpraxis durch den ausländischen Staat bereits aus; einer ausdrücklichen, völkerrechtlichen Übereinkunft bedarf es nicht.

Von der Zulässigkeit ist grundsätzlich auszugehen, dies gilt nicht für folgende Staaten:


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Ägypten
San Marino
 
Argentinien
Schweiz
 
Bulgarien
Sri Lanka
 
China
Türkei
 
Republik Korea
Ukraine
 
Kuwait
Venezuela
 
Mexiko
Zypern
 
Russische Föderation

Bei Abfassung der Rechtsbehelfsbelehrung und des Leistungsgebots ist zu beachten, dass der Verwaltungsakt nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO erst einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt – mithin sowohl die Rechtsbehelfs- als auch die Zahlungsfrist erst zu diesem Zeitpunkt beginnen. Vorgedruckte Rechtsbehelfsbelehrungen und Leistungsgebote sind erforderlichenfalls entsprechend zu ändern.

2. Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein, § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG

Da das Finanzamt im Zweifel den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat (§ 122 Abs. 2 letzter Halbsatz AO), kann es angebracht sein, den Verwaltungsakt durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zuzustellen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG).

Wegen weiterer Einzelheiten siehe AEAO zu § 122 AO, Tz. 3.1.2.

3. Zustellung durch Zustellungsersuchen, § 9 Abs. 1 Nr. 2, 3 VwZG

Ist eine unmittelbare postalische Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG nicht möglich, ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG mittels Ersuchens entweder der zuständigen Behörde des betreffenden Staates (sofern mit diesem ein Abkommen über Amts- und Rechtshilfe besteht) oder der in diesem Staat befindlichen deutschen Auslandsvertretung zuzustellen (siehe auch AEAO zu § 122 AO, Tz. 3.1.4.2.)

Länderspezifische Besonderheiten sind zu beachten (vgl. Tz. 5)

Zustellungsersuchen für Zustellungen in Länder, die in Tz. 1 nicht genannt sind, werden die Konsulate und Botschaften nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen nachkommen. Daher wird eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG nur noch dann möglich sein, wenn im Einzelfall wegen drohender Festsetzungsverjährung ein einwandfreier Nachweis des Zugangs des Verwaltungsaktes erforderlich ist oder wegen Scheiterns der Zustellung durch internationales Einschreiben mit Rückschein die Zustellung sicher zu stellen ist.

Ein nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, 3 VwZG zuzustellender Verwaltungsakt ist der Oberfinanzdirektion zur Weiterleitung an das Bundeszentralamt für Steuern vorzulegen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG).

Dabei gilt folgendes:

3.1.

In dem Ersuchen sind die besonderen Umstände für eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG darzulegen.

3.2

Dem zuzustellenden Verwaltungsakt ist ein in Maschinenschrift vollständig adressierter und mit Absender versehener Briefumschlag beizufügen.

3.3

Der vom Bundeszentralamt für Steuern im Einzelfall einzuschlagende Amts- und Rechtshilfeweg bestimmt sich u.a. nach der Staatsangehörigkeit des Empfängers. Diese ist daher der Oberfinanzdirektion regelmäßig mitzuteilen. Ist die Staatsangehörigkeit nicht zu ermitteln, muss dies angegeben werden.

3.4

Steuerbescheide müssen von der Finanzkasse abgerechnet sein und erforderlichenfalls ein Leistungsgebot enthalten. Zahlungstermine sind dabei nicht auf einen bestimmten Tag festzusetzen, sondern vom Tag der Zustellung abhängig zu machen. Z.B. ist der Fälligkeitstag für eine Einkommensteuer-Abschlusszahlung auf „einen Monat nach dem Tag der Zustellung dieses Bescheides” festzusetzen. Vorgedruckte Texte müssen erforderlichenfalls entsprechend abgeändert werden.

3.5

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist entsprechend zu erteilen. Ein bereits vorgedruckter Text muss erforderlichenfalls entsprechend abgeändert werden.

3.6

Die Zustellung eines Verwaltungsaktes an mehrere Personen (auch Ehegatten) in einer Ausfertigung ist – im Gegensatz zur Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. Tz. 1) – nicht möglich. Daher ist für jeden Zustellungsempfänger eine gesonderte Ausfertigung des Verwaltungsaktes nebst Briefumschlag erforderlich.

3.7

Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten an Angehörige des Diplomatischen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland, die sich im Ausland aufhalten (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG).

3.8

Wegen der Möglichkeit, den Steuerpflichtigen bei der Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten aufzufordern vgl. § 9 Abs. 3 VwZG.

Von dieser Möglichkeit sollte nur Gebrauch gemacht werden, wenn zu erwarten ist, dass künftig Verwaltungsakte erlassen werden, für die das Gesetz die förmliche Zustellung vorschreibt. Ansonsten ist vorrangig nach § 123 AO zu verfahren, soweit die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten für erforderlich oder zweckmäßig gehalten wird.

3.9

Eine Zustellung ins Ausland kann gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG auch in elektronischer Form erfolgen, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist (zum Begriff der „Zulässigkeit” vgl. Tz. 1).

4. Öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG

Kann ein Verwaltungsakt nicht nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO bekannt gegeben werden (vgl. Tz. 1) und ist auch eine Zustellung nach § 9 VwZG (vgl. Tz. 2,3) nicht möglich, so ist der Verwaltungsakt unter Beachtung der Grundsätze des BStBl 1973 II S. 644, öffentlich zuzustellen.

Ist die ausländische Anschrift des Steuerpflichtigen bekannt, sollte dieser nach erfolgter öffentlicher Zustellung mit einfachem Brief unter Übersendung einer Ausfertigung des öffentlich zugestellten Verwaltungsaktes von der Zustellung unterrichtet werden. Diese Benachrichtigung ist abweichend von Tz. 1 im Verhältnis zu allen Staaten zulässig, weil es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung um keinen Verwaltungsakt handelt.

5. Länderspezifische Besonderheiten (in alphabetischer Reihenfolge)

5.1. Afghanistan, Irak, Liberia, Somalia

Die Botschaften in Kabul, Bagdad, Monrovia und Mogadischu sind gegenwärtig nicht besetzt. Zustellungen sind daher zur Zeit nicht möglich.

5.2. Ägypten, Libyen, Pakistan, Rumänien

Die deutschen Vertretungen nehmen Zustellungen nur vor, wenn der Zustellungsempfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

5.3. Algerien

Die Botschaft in Algier ist derzeit nur eingeschränkt funktionstüchtig.

5.4. Bosnien-Herzegowina

Zustellungsersuchen werden von der Botschaft an das Außenministerium von Bosnien und Herzegowina übermittelt. Da sich die Verwaltungsstruktur derzeit noch im Aufbau befindet, muss mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden.

In Orte, die in den serbischen Gebieten von Bosnien-Herzegowina, der „Republik Srpska”, liegen, kann nicht zugestellt werden, weil diese Orte sich nicht unter der Kontrolle der legalen Behörden von Bosnien-Herzegowina befinden.

5.5. Bulgarien

Die Botschaft kann in eigener Zuständigkeit keine Zustellungen durchführen. Die Zustellungsempfänger werden gebeten, bei der Botschaft vorzusprechen, um die Schriftstücke gegen Unterschrift entgegenzunehmen.

5.6. Butan, Cook Inseln, San Marino, Taiwan

Mit diesen Ländern unterhält die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatischen Beziehungen. Zustellungen sind daher nicht möglich.

5.7. Finnland, Schweden:

Vorgesehen sind förmliche Zustellungen über das finnische Finanzministerium bzw. das schwedische Außenministerium. In der Praxis werden Zustellungsersuchen inzwischen jedoch den deutschen Vertretungen zugeleitet und von diesen bearbeitet.

5.8. Frankreich

Zustellungen nach § 9 VwZG in Frankreich sind nur an Zustellungsempfänger möglich, die die deutsche oder französische Staatsangehörigkeit besitzen.

Die Zustellung an andere Staatsangehörige beschränkt sich auf Schriftstücke in Beitreibungssachen (Artikel 23 DBA-Frankreich).

5.9. Italien

Die deutsche Vertretung nimmt Zustellungen nur vor, wenn der Zustellungsempfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

In anderen Fällen besteht die Möglichkeit, nach dem deutsch-italienischen Rechtshilfeabkommen über das italienische Finanzministerium zuzustellen.

5.10. Monaco

Für eine Zustellung über die monegassischen Behörden werden alle Zustellungsstücke in französischer Übersetzung benötigt.

5.11. Österreich

Bei zustellungsbedürftigen Verwaltungsakten kann das Finanzamt die zuständige österreichische Steuerbehörde unmittelbar um Zustellung ersuchen (Artikel 4 Abs. 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BStBl 1955 I S. 434, in Verbindung mit Ziff. 4 Abs. 4 der Verwaltungsanweisung zur Durchführung dieses Vertrags vom , BStBl 1958 I S. 76). Entsprechende Ersuchen sind nach dem im BStBl 1958 I S. 80/81 veröffentlichten Muster (siehe Anlage) abzufassen.

5.12. Polen

Zustellungen werden über die diplomatischen Vertretungen durch Weiterleitung an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in Polen bewirkt und können daher bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.

5.13. Schweiz, Liechtenstein

Beide Länder gewähren bei der Zustellung von Verwaltungsakten keine Amtshilfe. Deshalb dürfen die Auslandsvertretungen in Fiskalsachen keine Steuerbescheide zustellen. Zustellungen sind daher – sofern kein inländischer Empfangsbevollmächtigter benannt ist – durch öffentliche Zustellung zu bewirken.

5.14. Tschechische Republik

Die deutsche Botschaft in Prag darf in der Tschechischen Republik nur formlose Zustellungen an deutsche Zustellungsempfänger vornehmen. Auch an Zustellungsempfänger mit doppelter Staatsbürgerschaft darf nicht zugestellt werden.

Anlage

Muster für Zustellungsersuchen im Rechtshilfeverkehr mit der Republik Österreich

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Finanzministerium der Landes Nordrhein-Westfalen v. - S 0284

Fundstelle(n):
RIW 2007 S. 638 Nr. 8
StBW 2007 S. 10 Nr. 16
CAAAC-49702