BGH Beschluss v. - II ZB 7/06

Leitsatz

[1] a) Das Registergericht darf wegen eines im Inland gegen den - dem Geschäftsführer einer GmbH gleichstehenden - director einer englischen Private Limited Company durch vollziehbare Entscheidung der Verwaltungsbehörde verhängten Gewerbeverbots (§ 6 Abs. 2 Satz 4 GmbHG) die beantragte Eintragung einer Zweigniederlassung der Limited in das Handelsregister verweigern.

b) Eine derartige Ablehnung der Eintragung der Zweigniederlassung der Limited im Inland verstößt weder gegen die 11. (Zweigniederlassungs-) Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 (89/666/EWG) noch - nach Maßgabe des sog. Vier-Kriterien-Tests - gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 43, 48 EG.

Gesetze: GmbHG § 6 Abs. 2 Satz 4; EG Art. 43; EG Art. 48

Instanzenzug: LG Mühlhausen HK T 7/05 vom OLG Jena 6 W 693/05 vom

Gründe

I. Die Beteiligte wurde durch Gesellschaftsvertrag vom als Private Limited Company (Ltd.) gegründet und am im Registrar of Companies for England and Wales unter der Company No. 5. eingetragen. Der Gegenstand der Gesellschaft ist mit "Hochbau aller Art" bezeichnet; zum alleinigen director wurde P. I. bestellt. Diesem wurde durch - seit Mai 2004 - bestandskräftigen und vollziehbaren Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom nach § 35 GewO die selbständige Ausübung des Gewerbes "Maurerhandwerk" sowie jede andere selbständige Gewerbeausübung und jede Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragter Person - ausgenommen die Tätigkeit als handwerklich-technischer Betriebsleiter in einem Arbeitnehmerverhältnis - untersagt.

Am meldete die Beteiligte beim Handelsregister des Amtsgerichts Mühlhausen die Eintragung einer Zweigniederlassung in Deutschland mit Geschäftsräumen in N. an. Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Erwägung abgelehnt, dass eine Umgehung der für den director der Beteiligten bestehenden Gewerbeuntersagung vermieden werden müsse. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde mit gleichlautender Begründung zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte weitere Beschwerde möchte das Oberlandesgericht zurückweisen, sieht sich daran aber durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom (RIW 2001, 863) gehindert. Es hat sie deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (vgl.Thüringer OLG, DB 2006, 720).

II. Die Vorlagevoraussetzungen sind gemäß § 28 Abs. 2 FGG gegeben. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in dem angeführten Beschluss die Ansicht vertreten, dass dem director der inländischen Zweigniederlassung einer wirksam gegründeten Auslandsgesellschaft eine inländische Gewerbeuntersagung registerrechtlich nicht entgegengehalten werden könne. Von dieser obergerichtlichen Rechtsprechung würde das vorlegende Oberlandesgericht mit seiner beabsichtigten Entscheidung abweichen.

III. Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Registergericht hat durch den angefochtenen Beschluss mit Recht die Eintragung einer Zweigniederlassung der Beteiligten in das Handelsregister abgelehnt, da deren allein benannter Vertretungsberechtigter gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 GmbHG aufgrund vollziehbarer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde nicht Geschäftsführer sein kann.

1. Die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung - zu der auch die Beteiligte als Private Limited Company englischen Rechts gehört (vgl. Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 12 Rdn. 11) - unterliegt den Regelungen der §§ 13 d, 13 e und 13 g HGB; dabei verweist § 13 g Abs. 3 HGB hinsichtlich der erforderlichen Angaben ergänzend auf § 10 Abs. 1 und 2 GmbHG. Danach sind unter anderem die Personen der Geschäftsführer anzugeben, wobei § 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG selbstverständlich voraussetzt, dass der benannte Geschäftsführer die persönlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GmbHG erfüllt. Diesen Anforderungen wird der director P. I. aufgrund der gegen ihn ergangenen gewerberechtlichen Untersagungsverfügung nicht gerecht.

2. Etwas anderes gilt für diesen dem Geschäftsführer einer inländischen GmbH gleichstehenden director der Beteiligten (vgl. dazu Wachter, ZNotP 2005, 122, 129) auch nicht unter Berücksichtigung des § 13 g Abs. 2 Satz 2 HGB.

a) Allerdings lässt sich aus dem Wortlaut dieser Regelung nicht eindeutig ableiten, ob durch den fehlenden Verweis auf § 8 Abs. 3 GmbHG für Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften nur die Einreichung einer entsprechenden Versicherung wegfallen sollte oder ob auch jene Umstände als solche, deren Nichtvorliegen nach § 8 Abs. 3 GmbHG versichert werden müsste, bei einem Geschäftsführer einer Auslandsgesellschaft ohne Relevanz bleiben sollen.

b) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg lässt sich aber den Gesetzesmaterialien zu § 13 g Abs. 2 Satz 2 HGB nicht etwa entnehmen, dass der Gesetzgeber dieser Regelung eine solche Reichweite beimessen wollte, dass Personen, die nicht Geschäftsführer einer deutschen GmbH sein könnten, gleichwohl als director einer Limited mit Hilfe einer inländischen Zweigniederlassung ihre Geschäfte im Inland betreiben dürften (vgl. Just, EWiR 2006, 17, 18; gegen die Zulässigkeit der Bestellung grundsätzlich auch: Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff aaO § 12 Rdn. 22; ähnlich Kindler in MünchKommBGB, 4. Aufl. IntGesR Rdn. 558) und das Registergericht trotz positiver Kenntnis von der fehlenden Eignung eines Geschäftsführers einer ausländischen Gesellschaft die Eintragung einer Zweigniederlassung vorzunehmen hätte.

Fest steht insoweit lediglich, dass der Gesetzgeber § 8 Abs. 3 GmbHG bewusst von der Verweisung in § 13 g Abs. 2 Satz 2 HGB ausgenommen hat, weil diese Vorschrift nicht für Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften passe. Deren Bestellung beurteile sich nach dem jeweiligen ausländischen Recht, so dass von solchen Geschäftsführern nicht verlangt werden könne zu versichern, dass keine Umstände vorlägen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 GmbHG entgegenstehen (BT-Drucks. 12/3908, S. 18 unter Verweisung auf S. 17 zur AG; BR-Drucks. 619/92, S. 49, 53). Dabei ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber als Leitbild seiner Regelung jene ausländische Gesellschaft vorgeschwebt hat, die im Ausland mit ausländischem Führungspersonal gegründet wird und dort auch eine tatsächliche Hauptniederlassung unterhält. Nachhaltige Kenntnisse der inländischen Rechtslage in Bezug auf Bestellungshindernisse von Geschäftsführern inländischer Gesellschaften können bei diesem Personenkreis nicht vorausgesetzt werden, so dass ausländischen, mit dem Recht des Gründungsstaates vertrauten Geschäftsführern schon faktisch eine wahrheitsgemäße Versicherung nur erschwert möglich wäre. Zudem müsste im Einzelfall von dem ausländischen Geschäftsführer geprüft werden, ob Umstände, die nach der dortigen Rechtsordnung seiner Bestellung zum Geschäftsführer nicht entgegenstanden, trotzdem zu einem Bestellungsverbot nach deutschem Recht führen könnten. Von diesen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Versicherung wollte der Gesetzgeber die Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften freistellen, ohne hierdurch aber gleichzeitig das Registergericht von der Prüfung und Berücksichtigung eventueller Bestellungshindernisse - auch ohne das Vorliegen einer Versicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG - zu entbinden (vgl. OVG Münster, BB 2005, 2259, 2260).

Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber sich bewusst von der bis dahin geltenden herrschenden Meinung (vgl. insbesondere BayObLG, WM 1986, 557) distanziert hat, die auch von dem ausländischen Geschäftsführer eine Versicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG im Falle einer vermuteten Scheinauslandsgesellschaft verlangt hatte. Auch bei den Geschäftsführern solcher Scheinauslandsgesellschaften richtet sich deren Bestellung nämlich ausschließlich nach dem jeweiligen ausländischen Recht als Gesellschaftsstatut, so dass für ihre Bestellung als Geschäftsführer die inländische Vorschrift des § 6 Abs. 2 GmbHG von vornherein keine Rolle spielen kann. Die Gesetzesbegründung beschränkt sich indessen lediglich auf diesen Gesichtspunkt der mangelnden Einschlägigkeit inländischer Bestellungsverbote bei einer Geschäftsführerbestellung nach ausländischem Recht, ohne sich mit der weitergehenden bereits damals aufgeworfenen Problematik (vgl. BayObLG aaO S. 1559) auseinanderzusetzen, dass es nicht rechtens sein könne, dass eine im Inland vom Geschäftsführeramt ausgeschlossene Person über eine Zweigniederlassung einer (Schein-)Auslandsgesellschaft ihre Geschäfte im Inland weiter betreibt. Insbesondere ist der Gesetzgeber somit nicht der weiteren Anwendbarkeit von § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG auf den für eine inländische Zweigniederlassung vertretungsbefugten director einer Limited entgegengetreten.

3. Für das inländische Registerverfahren und damit die Eintragung einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft in das Handelsregister gilt deutsches Recht (vgl. Klose-Mokroß, DStR 2005, 971, 972; ebenso für das Recht der inländischen Zweigniederlassung: Wachter aaO S. 137). Dabei ist zwar hinzunehmen, dass eine Person, der die Leitung einer inländischen Kapitalgesellschaft untersagt wäre, als director die Geschäfte einer englischen Limited führt. Dies findet seine Grenze jedoch dann, wenn die mit einem inländischen Bestellungsverbot belegte Person durch Eintragung einer Zweigniederlassung als Geschäftsführungsorgan im Handelsregister ausgewiesen werden soll. Hinsichtlich der Zweigniederlassung mangelt es nämlich bereits an einer wirksamen Geschäftsführerbestellung, da die zwingenden Ausschlussgründe des § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG eine solche verhindern (so zutreffend Ulmer in Ulmer, GmbHG § 8 Rdn. 35; Hommelhoff/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff aaO § 6 Rdn. 12).

4. Eine derartige Verweigerung der Eintragung des mit einem inländischen Bestellungsverbot Belegten als Geschäftsführungsorgan einer Zweigniederlassung im Inland verstößt auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 43, 48 EG oder die Elfte Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 (89/666/EWG - Zweigniederlassungsrichtlinie).

a) Insoweit spricht vieles dafür, der Beteiligten bereits die Berufung auf ihre europarechtliche Niederlassungsfreiheit wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen.

Ein Rechtsmissbrauch der Niederlassungsfreiheit wird von weiten Teilen des Schrifttums und der obergerichtlichen Rechtsprechung dann angenommen, wenn - wie hier - ein Inländer, dem ein bestimmtes Gewerbe untersagt ist, sich einer (Schein-)Auslandsgesellschaft und deren Zweigniederlassung bedienen will, um der ihm untersagten Tätigkeit im Inland dennoch nachgehen zu können (vgl. KG, GmbHR 2004, 116, 119; OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849, 851; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht § 7 Rdn. 51; Kindler aaO Rdn. 558; Klose-Mokroß aaO S. 1015; Knapp, DNotZ 2003, 85, 89; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff aaO § 12 Rdn. 22; Wachter aaO S. 130); dem entspricht es, dass auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinen zur Niederlassungsfreiheit ergangenen Urteilen regelmäßig betont hat, dass sich eine Gesellschaft im Falle des Missbrauchs nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen könne (vgl. Urt. v. , ZIP 2003, 1885 - Inspire Art; v. , ZIP 1999, 438 - Centros).

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, den Vortrag der Beteiligten, I. wolle das Geld zur Abtragung aufgelaufener Außenstände nicht in einem schlecht bezahlten Arbeitsverhältnis, sondern aufgrund eigener wirtschaftlicher Betätigung verdienen, ihm sei gerade wegen § 35 GewO keine andere Möglichkeit geblieben, als eine Gesellschaft in ausländischer Rechtsform zu gründen, bereits als Überschreitung der Grenze zur missbräuchlichen Berufung auf die europarechtliche Niederlassungsfreiheit zu bewerten.

Letztlich kann der Senat dies aber offen lassen, weil auch dann, wenn der Beteiligten der Missbrauchseinwand nicht entgegengehalten werden könnte, ein etwa in der Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung der Beteiligten im Handelsregister liegender Eingriff in die nach Artt. 43 und 48 EG grundsätzlich gewährleistete Niederlassungsfreiheit jedenfalls gerechtfertigt ist.

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. z.B. EuGH - Inspire Art - aaO Tz. 133).

aa) In der Ablehnung der Eintragung ihrer Zweigniederlassung ist keine Diskriminierung der Beteiligten gegenüber einer vergleichbaren inländischen Gesellschaft zu sehen. Zwar wird die Eintragung der Zweigniederlassung einer inländischen Gesellschaft regelmäßig nicht daran scheitern, dass sich deren alleiniger Geschäftsführer einem Bestellungsverbot ausgesetzt sieht, da in diesem Fall bereits zuvor die Eintragung der Gesellschaft verweigert worden wäre. Eine Schlechterstellung der Beteiligten als ausländischer Gesellschaft kann - selbst wenn das konkrete Scheitern ausschließlich mit der Eintragung der Zweigniederlassung typischerweise nur bei einer solchen Auslandsgesellschaft auftreten wird - hierin dennoch nicht gesehen werden, weil es in beiden Fällen jedenfalls nicht zur Eintragung der Zweigniederlassung kommt.

bb) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind primärrechtlich weder geregelt noch begrenzt. Die Mitgliedstaaten besitzen insoweit einen gewissen Spielraum, um Schutzanliegen zu definieren (vgl. Eidenmüller aaO § 3 Rdn. 22). Dabei sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses unter anderem die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, der Gläubiger- und Minderheitenschutz, der Verbraucherschutz, aber auch die Lauterkeit des Handelsverkehrs anerkannt (vgl. EuGH - Inspire Art - aaO Tz. 135, 140; Mankowski, ZVI 2006, 45, 47; Streinz/Müller-Graff, EUV/EGV 2003, Art. 43 Rdn. 76; zum Gläubigerschutz als zentraler Zielrichtung des § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG: vgl. auch BT-Drucks. 8/1347 S. 27, 31). Diese beachtlichen Gründe des Allgemeininteresses werden hier in zulässiger Weise durchgesetzt, wenn durch die Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung der Beteiligten vermieden wird, dass deren director im Widerspruch zur dem bestandskräftigen und vollziehbaren Hoheitsakt der gewerberechtlichen Untersagung offiziell als Unternehmensverantwortlicher auf dem inländischen Markt (wieder) tätig werden darf.

cc) Die Maßnahme der Nichteintragung ist auch - insbesondere zur Erreichung eines Gläubigerschutzes und zur Wahrung der Einheit der inländischen Rechtsordnung - geeignet, da ohne die Eintragung im Handelsregister der Beteiligten und damit deren alleinverantwortlichem director ein geschäftliches Tätigwerden im Inland zumindest erschwert wird.

dd) Der Erforderlichkeit einer Nichteintragung der Zweigniederlassung der Beteiligten kann nicht das sog. Informationsmodell des EuGH entgegengehalten werden (EuGH - Inspire Art - aaO Tz. 135), nach dem bereits der ausländische Gesellschaftszusatz ausreichen soll, um einen - potentiellen - Gläubiger zur Einholung weitergehender Informationen zu veranlassen. Unabhängig davon, ob dieses Informationsmodell uneingeschränkt Geltung beanspruchen könnte (kritisch Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Goette, DStR 2005, 197, 198; Lieder, DZWiR 2005, 399, 402), würde es auch im vorliegenden Fall versagen, da die Eintragung eines directors trotz einer gegen ihn bestehenden Untersagungsverfügung bei demjenigen, der Einsicht in das Handelsregister nimmt, gerade keinen weiteren Informationsbedarf, sondern sogar den gegenteiligen Eindruck hervorruft, dass es mit dem eingetragenen director - auch in Bezug auf seine persönliche Zuverlässigkeit - alles seine Richtigkeit habe.

Der Erforderlichkeit der genannten Maßnahme steht ferner nicht etwa unter dem Blickwinkel des milderen Mittels entgegen, dass auch nach englischem Recht gegen einen unzuverlässigen Geschäftsführer vorgegangen werden könnte. Eine derartige disqualification order wäre zwar - trotz erheblicher Unterschiede hinsichtlich der Voraussetzungen wie auch der Wirkungen (vgl. dazu Fleischer, WM 2004, 157, 160 f.; Lanzius, ZInsO 2004, 296, 299) - in diesem Zusammenhang der gegen den director der Beteiligten ausgesprochenen Gewerbeuntersagung mindestens vergleichbar. Wie § 35 GewO ist indessen auch der in England und Wales geltende Companies Directors Disqualification Act 1986 (CDDA) öffentlich-rechtlicher Natur und daher nur im jeweiligen Geltungsland anzuwenden (vgl. Lanzius aaO S. 299). Das deutsche Registergericht kann sich daher nicht eigenständig auf die Regelungen des CDDA stützen, sondern könnte allenfalls eine Anregung an die englischen Behörden weiterleiten, die ein inländisches Fehlverhalten eines Geschäftsführers auch zur Grundlage einer dortigen disqualification order machen könnten (Lanzius aaO S. 299; Wachter aaO S. 130). Dieser alternative Weg würde aber kein milderes Mittel gegenüber einer Versagung der Eintragung der Zweigniederlassung darstellen, da im Falle einer disqualification order durch ein englisches Gericht der director nicht nur - wie hier - im Inland, sondern zusätzlich auch noch im Gründungsstaat "inhabil" wäre - was eine nicht nur auf die inländische Zweigniederlassung begrenzte, sondern die gesamte Gesellschaft umfassende Handlungsunfähigkeit zur Folge hätte.

Schließlich steht der Berechtigung eines Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit auch nicht entgegen, dass der EuGH in der Centros-Entscheidung (aaO Tz. 38) ausgesprochen hat, selbst die Bekämpfung von Betrügereien rechtfertige nicht die Verweigerung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft. Jener Gesichtspunkt mag in der der Centros-Entscheidung zugrunde liegenden Fallkonstellation einer Niederlassungsbeschränkung infolge der Pflicht zur Aufbringung eines Mindesthaftkapitals als angemessen erscheinen; er würde jedoch nicht den Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation gerecht werden. Denn hier wäre nach Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister von vornherein absehbar, dass die Ordnungsbehörde gegenüber dem director die erlassene, bestandskräftige Untersagungsverfügung durchzusetzen hätte, wodurch die Zweigniederlassung sogar handlungsunfähig würde. Denn unabhängig davon, was handelsregisterrechtlich gilt, greifen zumindest die öffentlich-rechtlichen Instrumentarien zur Unterbindung der Tätigkeit unzuverlässiger Gewerbetreibender gegenüber dem director der Beteiligten ein (OVG Münster aaO S. 2260).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BB 2007 S. 1640 Nr. 31
BB 2007 S. 1861 Nr. 35
DB 2007 S. 1518 Nr. 27
DNotZ 2008 S. 70 Nr. 1
DStR 2007 S. 1356 Nr. 31
GmbH-StB 2007 S. 241 Nr. 8
GmbHR 2007 S. 870 Nr. 16
NJW 2007 S. 2328 Nr. 32
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2007 S. 2457
RIW 2007 S. 612 Nr. 8
SJ 2007 S. 41 Nr. 24
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2007 S. 677
WM 2007 S. 1334 Nr. 28
ZIP 2007 S. 1306 Nr. 28
KAAAC-49585

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja