Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug: LG Hamburg 708 Ns 151/06 vom LG Hamburg 708 Ns 151/06 vom AG Hamburg-St. Georg 950 Cs 2414 Js 134/06 (148/06) vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
I.
Soweit sie sich gegen das Urteil des Amtsgerichts und den die Annnahme der Berufung ablehnenden Beschluss des Landgerichts wendet, ist die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten nicht dargetan.
1. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich.
a) Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung des Amtsgerichts angreift, die Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Amtsgericht rügt und die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidungen von Amts- und Landgericht geltend macht, verkennt er den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser sichert die Möglichkeit der Einflussnahme auf das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, juris) und verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 96, 205 <216>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, juris; stRspr). Er garantiert aber weder die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. BVerfGE 76, 93 <98>) noch eine ordnungsgemäße Subsumtion und Entscheidungsbegründung (vgl. BVerfGE 65, 293 <295>) und gewährleistet erst recht nicht, dass das Gericht der Rechtsansicht des Beschwerdeführers folgt (vgl. BVerfGE 87, 1 <33>) oder antragsgemäß entscheidet.
b) Soweit der Beschwerdeführer in der Sache vorträgt, das Amtsgericht habe durch Absehen von der Vernehmung des sistierten Zeugen den Eindruck erweckt, es werde ihn freisprechen, lässt auch dieser Vortrag eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht als möglich erscheinen. Zwar verbietet die durch Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Pflicht der Gerichte, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu entscheidungserheblichen Fragen einzuräumen, "Überraschungsentscheidungen". Diese setzen allerdings voraus, dass sie sich ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Eine Überraschungsentscheidung setzt stets eine gravierende Enttäuschung prozessualen Vertrauens voraus (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, juris). Hier ist weder dargetan noch ersichtlich, dass ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter darauf hätte vertrauen dürfen, dass das Amtsgericht nach seiner Entscheidung, den sistierten Zeugen nicht zu vernehmen, den Beschwerdeführer freisprechen würde. Der Vortrag des Beschwerdeführers, er bzw. sein Verteidiger hätten die Äußerung des Gerichts, dass eine Vernehmung des sistierten Zeugen nicht mehr zwingend erforderlich sei, in diesem Sinne verstanden, lässt außer Acht, dass ein solches Verständnis aus Sicht eines gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten nicht nur nicht zwingend war, sondern nach dem vorausgegangenen Gespräch der Prozessbeteiligten über eine Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflage, der Gericht und Staatsanwaltschaft zugestimmt hätten, eher fern lag.
2. Selbst wenn man dem pauschalen Vortrag des Beschwerdeführers, das Landgericht habe in willkürlicher Form alles daran gesetzt, die Berufung nicht annehmen zu müssen, die Rüge eines Verstoßes gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG entnehmen wollte, fehlte es an der Möglichkeit eines solchen Verstoßes. Eine evidente, die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts begründende fehlerhafte Anwendung des § 313 Abs. 2 StPO durch das Landgericht ist nicht dargetan.
II.
Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts nach § 33 a StPO wendet.
1. Dieser Beschluss ist nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Die Entscheidung nach § 33 a StPO, mit der das Gericht die Durchführung eines Nachverfahrens ablehnt, schafft keine eigenständige Beschwer. Sie lässt allenfalls eine bereits eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem die gesetzlich vorgesehene, der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dienende (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 33 a Rn. 1) "Selbstkorrektur" durch das Fachgericht unterbleibt. Dies gilt auch dann, wenn sich der Vortrag des Betroffenen im verfassungsgerichtlichen Verfahren darauf stützt, das Gericht habe bei seiner Sachentscheidung nach § 33 a StPO von ihm vorgebrachte Umstände nicht genügend "verarbeitet". Auch dies hätte nur zur Folge, dass die eigentliche Gehörsverletzung unkorrigiert bliebe. Da der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren stets die Ausgangsentscheidung angreifen und auf die gerügte Gehörsverletzung hin überprüfen lassen kann, besteht kein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - Überprüfung der Entscheidung nach § 33 a StPO. Insoweit gelten keine anderen Grundsätze als diejenigen, nach denen sich die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheidungen richtet (vgl. BVerfGE 1, 322 <324 f.>; 21, 139 <143 f.>; 24, 56 <61> m.w.N.).
2. Es fehlte im Übrigen auch hier an der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung. Der Beschwerdeführer verkennt erneut den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG, wenn er eine Gehörsverletzung auf die Verweigerung der begehrten Entscheidung - Annahme der Berufung - stützt. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung, die Berufung nicht anzunehmen, Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen hätte, sind nicht ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HAAAC-47898