BFH Beschluss v. - VII B 67/06

Bestellung eines Beratungsstellenleiters; Übergehen eines Beweisantrags

Leitsatz

Der Nachweis der vom zukünftigen Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins hinsichtlich des Umfangs der praktischen Tätigkeit i. S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG zu erfüllenden Voraussetzungen ist durch eine schriftliche Bestätigung derjenigen Stelle zu erbringen, bei der der zukünftige Beratungsstellenleiter bisher tätig war. Eine Erklärung des zukünftigen Beratungsstellenleiters selbst ist grundsätzlich nicht ausreichend. Eine solche Erklärung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Vorlage einer Bestätigung aus vom benannten Beratungsstellenleiter nicht zu vertretenden Gründen unmöglich ist, z. B. weil sich keine Stelle bzw. Person mehr finden lässt, die zur Ausstellung dieser Bestätigung in der Lage ist. Die zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Berufsvertretungen oder auf ähnlicher Grundlage gebildeten Vereinigungen (§ 4 Nr. 7 StBerG) und die Lohnsteuerhilfevereine (§ 4 Nr. 11 StBerG) werden nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt.

Gesetze: StBerG § 23 Abs. 3; FGO § 76; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) —ein Lohnsteuerhilfeverein— zeigte im November 2004 der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion —OFD—) die Eröffnung einer Beratungsstelle und die Bestellung des Herrn P als deren Leiter an und beantragte die Eintragung der Beratungsstelle in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine. Die OFD lehnte die Eintragung der Beratungsstelle mit der Begründung ab, dass der Kläger keine Bescheinigungen bezüglich der Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) an die fachliche Qualifikation des P beigebracht habe. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1013 veröffentlichten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt. Er ist der Ansicht, dass das FG zur Frage des Umfangs der bisherigen Tätigkeit des P auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts den P als Zeugen hätte vernehmen müssen und dass Lohnsteuerhilfevereine und Berufsvertretungen hinsichtlich der fachlichen Qualifikation ihrer steuerlichen Berater in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt würden.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, da diese Zulassungsgründe jedenfalls nicht vorliegen.

1. Der im Hinblick auf die unterbliebene Vernehmung des P als Zeugen gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Eine beantragte Beweiserhebung kann das FG ablehnen, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (Senatsbeschluss vom VII B 268/01, BFH/NV 2002, 1595, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG die in das Wissen des P gestellten Tatsachen, dass dieser als Lohnsteuerberater der Gewerkschaft…über 600 steuerliche Beratungen durchgeführt, 380 Steuererklärungen für Gewerkschaftsmitglieder eingereicht und an über 70 Tagen als Ausbilder für andere Lohnsteuerberater tätig gewesen sei, als wahr unterstellt, weshalb es die beantragte Zeugenvernehmung ablehnen durfte.

Die mit der Beschwerde vertretene Ansicht, dass das FG, wenn es diese Tatsachen als wahr unterstellte, die Klage nicht hätte abweisen dürfen, beruht auf angenommenen Tatsachen, die das FG indes nicht festgestellt hat. So ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass das FG bezüglich der früheren beratenden Tätigkeit des P von einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 2 Stunden pro Beratung, 3,2 Stunden pro Steuererklärung und 8 Stunden pro Ausbildungstag ausgegangen ist. Das FG ist auch nicht —wie die Beschwerde voraussetzt— von einer neunjährigen Tätigkeit des P für die Gewerkschaft, sondern von einer zwölfjährigen Tätigkeit ausgegangen. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, wie die Beschwerde —auch bei dem von ihr angenommenen Zeitaufwand— eine Gesamt-Beratungszeit von 6 816 Stunden berechnen kann. Es ergibt sich vielmehr eine sehr viel geringere Stundenzahl, die —verteilt auf 44 Wochen und 12 Jahre— weit unter den nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG geforderten mindestens 16 Wochenstunden liegt. Deshalb ist die Folgerung des FG, mit den behaupteten Beratungstätigkeiten des P sei eine mindestens dreijährige Beratungstätigkeit von mindestens 16 Wochenstunden nicht dargetan, zumal Aufzeichnungen über seine zeitliche Inanspruchnahme nicht existierten, keineswegs ausgeschlossen, sondern vielmehr zutreffend.

Dass —wie es die Beschwerde behauptet— auch die zeitliche Verteilung der Beratungstätigkeit auf die letzten 3 Jahre in das Wissen des als Zeugen benannten P gestellt war, ergibt sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG nicht.

Dass das FG auch ohne einen ausdrücklichen Beweisantrag die Vernehmung des P als Zeugen von Amts wegen hätte anordnen müssen, ist nicht schlüssig dargelegt. Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG vom Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert u.a. Angaben, weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93). Im Streitfall ist allerdings weder mit der Beschwerde vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass P Angaben zu einer Beratungstätigkeit für Gewerkschaftsmitglieder von mindestens 16 Wochenstunden in den letzten 3 Jahren gemacht hätte oder weshalb es sich dem FG hätte aufdrängen müssen, dass P derartige Angaben würde machen können. Letzteres lag —wie ausgeführt— insbesondere in Anbetracht der bescheinigten Anzahl der verschiedenen Beratungen durch P während seiner zwölfjährigen Gewerkschaftstätigkeit nicht nahe.

Darüber hinaus konnte —nach dem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt des FG— der nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG geforderte zeitliche Umfang der praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts ohnehin nicht durch eine Vernehmung des P als Zeugen bewiesen werden, sondern hätte gemäß § 4b Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine (DVLStHV) durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden müssen.

2. Anders als die Beschwerde meint, kommt der Frage, ob der künftige Beratungsstellenleiter zum Umfang seiner früheren praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts vor Gericht als Zeuge vernommen werden kann, keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Diese Frage kann grundsätzlich nur so beantwortet werden, wie es das FG getan hat. Als Nachweis darüber, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 StBerG erfüllt sind, verlangt § 4b Abs. 2 Nr. 1 DVLStHV die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung, also —hinsichtlich des Umfangs der praktischen Tätigkeit i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG— eine schriftliche Bestätigung derjenigen Stelle, bei der der zukünftige Beratungsstellenleiter bisher tätig war. Eine Erklärung des zukünftigen Beratungsstellenleiters selbst sieht dagegen § 4b Abs. 2 Nr. 2 DVLStHV nur hinsichtlich der dort aufgeführten, die persönliche Zuverlässigkeit des Beratungsstellenleiters betreffenden Kriterien vor.

Ob ausnahmsweise auch hinsichtlich des Umfangs der praktischen Tätigkeit i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG eine Erklärung des zukünftigen Beratungsstellenleiters ausreichen kann, wenn die Vorlage der nach § 4b Abs. 2 Nr. 1 DVLStHV geforderten Bescheinigung über die praktische Tätigkeit des benannten Beratungsstellenleiters aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich ist —z.B. weil sich keine Stelle bzw. Person mehr finden lässt, die zur Ausstellung dieser Bescheinigung in der Lage ist—, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG kann im Streitfall von solchen Voraussetzungen nicht ausgegangen werden. Die Feststellungen des FG geben keinen Anlass anzunehmen, dass der Kläger in dieser Weise objektiv gehindert ist, über die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG eine Bescheinung beizubringen. Vielmehr ist es ungeklärt geblieben, weshalb die Gewerkschaft —wenn sie es könnte— eine solche Bescheinigung nicht ausstellt. Das FG konnte nach dem klägerischen Vorbringen lediglich davon ausgehen, dass die Gewerkschaft hierzu nicht in der Lage oder nicht willens ist, wobei offengeblieben ist, ob, wie es die Beschwerde selbst dargestellt hat, die Bescheinigung nur deshalb nicht erteilt worden ist, weil keine Aufzeichnungen über die zeitliche Inanspruchnahme des Klägers als Lohnsteuerberater existieren und die Gewerkschaft sich deshalb außer Stande gesehen hat, den geforderten Mindestumfang der praktischen Tätigkeit des P auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts von 16 Wochenstunden in einem Drei-Jahres-Zeitraum überhaupt festzustellen. In einem solchen Fall könnte aber —was aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG und des § 4b Abs. 2 Nr. 1 DVLStHV ohne weiteres folgt— die fehlende Bescheinigung nicht durch eine Erklärung des benannten Beratungsstellenleiters selbst ersetzt werden.

3. Dass § 4b DVLStHV auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, hat der beschließende Senat bereits entschieden (Senatsurteil vom VII R 5/94, BFHE 179, 529, BStBl II 1996, 171). Auch § 23 Abs. 3 StBerG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom VII R 22/78, BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306).

Der Beschwerde ist auch nicht in ihrer Ansicht zu folgen, dass die zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Berufsvertretungen oder auf ähnlicher Grundlage gebildeten Vereinigungen (§ 4 Nr. 7 StBerG) und die Lohnsteuerhilfevereine (§ 4 Nr. 11 StBerG) in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt würden, indem der Leiter einer Beratungsstelle die Anforderungen des § 23 Abs. 3 StBerG erfüllen müsse, und dass der Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es handelt sich bei der Befugnis dieser Vereinigungen zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nicht um gleiche Sachverhalte, die gleich behandelt werden müssten und deren unterschiedliche Behandlung durch die Vorschriften des StBerG als willkürlich anzusehen wäre. Berufsvertretungen und auf ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen dürfen nach § 4 Nr. 7 StBerG nur „im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern” Hilfe in Steuersachen leisten. Der Aufgabenbereich ist somit begrenzt und bestimmt sich nach den gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Interessen, durch die die Mitglieder der Vereinigung verbunden sind, wobei das gemeinsame Interesse weder ausschließlich noch überwiegend in der Hilfeleistung in Steuersachen bestehen darf. Zwischen diesen Interessen der Mitglieder und der Hilfeleistung in Steuersachen muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen (vgl. Senatsurteil vom VII R 146/97, BFH/NV 1999, 216). Demgegenüber ist hinsichtlich der Lohnsteuerhilfevereine zu berücksichtigen, dass ihre Beratungstätigkeit grundsätzlich allen Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Verein beitreten, zur Verfügung steht und dass der Gesetzgeber sich seinerzeit gerade hinsichtlich dieser Vereine zu einer Neuregelung und zu Anforderungen an die fachliche Qualifikation von Beratungsstellenleitern veranlasst sah, um den Schutz der Arbeitnehmer vor unseriösen Lohnsteuerhilfevereinen zu verbessern (vgl. Senatsurteil in BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306, m.w.N.). Dies stellt einen hinreichenden Differenzierungsgesichtspunkt dar, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass die fachliche Qualifikation auch nur für den Leiter der Beratungsstelle, nicht aber für ihre anderen Mitarbeiter gefordert wird. Dass die Mitglieder der Berufsvertretungen in gleicher Weise der Gefahr unseriöser Steuerberatung ausgesetzt sind, ist nicht dargelegt und dürfte auch keineswegs den Verzicht auf das Erfordernis einer fachlichen Qualifikation von Beratungsstellenleitern der Lohnsteuerhilfevereine rechtfertigen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1357 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2007 S. 1996
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2007 S. 598
EAAAC-45167