Leitsatz
[1] a) Ob der Gläubiger, welcher den Versagungsantrag stellt, durch den Insolvenzplan wirtschaftlich benachteiligt wird, ist auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Vorbringens des Gläubigers zu beurteilen.
b) Macht der Gläubiger geltend, er sei durch den Entzug der Aufrechnungsbefugnis benachteiligt, obwohl der Insolvenzplan eine höhere Quote als das Regelverfahren erwarten lässt, muss das behauptete Ergebnis überwiegend wahrscheinlich sein.
Gesetze: InsO § 251
Instanzenzug: AG Pinneberg 71 IN 220/02 vom LG Itzehoe 4 T 219/05 vom
Gründe
I.
Die Insolvenzschuldnerin (fortan: Schuldnerin), die Restschuldbefreiung beantragt hat, ist als Zahnärztin in eigener Praxis tätig. Die weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Verwalterin) hat einen Insolvenzplan vorgelegt, nach dem alle Insolvenzgläubiger der Schuldnerin die zur Tabelle festgestellten Forderungen vollständig erlassen. Sie erhalten für die Dauer von drei Jahren "aus den erwirtschafteten Überschüssen der Praxis eine Quote ausgezahlt". Dadurch soll eine Quote von etwa 9,28 % erreicht werden, während die voraussichtliche Befriedigungsquote im Regelinsolvenzverfahren 2,77 % beträgt.
Im Erörterungs- und Abstimmungstermin regte der Vertreter des (weiteren) Beteiligten zu 1, des für die Schuldnerin zuständigen Finanzamtes, eine Änderung dahingehend an, dass er während der im Insolvenzplan vorgesehenen Wohlverhaltensperiode von drei Jahren mit Steuererstattungsansprüchen aufrechnen dürfe. Die übrigen Gläubiger widersprachen diesem Vorschlag. Der Plan wurde mit Kopf- und Summenmehrheit angenommen. Der Beteiligte zu 1 beantragte daraufhin die Versagung der Bestätigung, weil der Plan seinen Anspruch auf Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen beeinträchtige. Das Insolvenzgericht bestätigte den Plan. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beteiligte zu 1 weiterhin die Versagung der Bestätigung des Plans erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie bleibt im Ergebnis jedoch ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Steuererstattungsansprüche, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstünden, würden von der Abtretung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht umfasst. Der Insolvenzplan ohne Aufrechnungsvorbehalt stelle den Beteiligten zu 1 daher schlechter. Die Annahme einer rechtlich relevanten Schlechterstellung widerspreche jedoch dem Ziel der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger. Steuererstattungsansprüche entstünden aus der Erhebung letztlich nicht geschuldeter Steuern, auf deren Höhe das Finanzamt zudem durchaus Einfluss nehmen könne. Rechtlich geschützte Interessen des Beteiligten zu 1 würden durch den Verlust der Aufrechnungsbefugnis daher nicht verletzt.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Allerdings lässt sich mit der Begründung des Beschwerdegerichts eine zum Widerspruch gegen den Insolvenzplan berechtigende Schlechterstellung nicht verneinen.
aa) Nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Bestätigung des Insolvenzplans auf Antrag eines Gläubigers dann zu versagen, wenn dieser Gläubiger durch den Insolvenzplan schlechter gestellt würde, als er ohne den Plan stünde. Zu vergleichen sind also die Positionen des Gläubigers bei Abwicklung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der Insolvenzordnung und bei Ausführung des Insolvenzplans. Bringt der Plan für den widersprechenden Gläubiger wirtschaftliche Nachteile, hat der Widerspruch Erfolg. Die Vorschrift des § 251 InsO soll jedem Gläubiger den Wert garantieren, den seine Rechtsposition im Insolvenzverfahren noch hat (HK-InsO/Flessner, 4. Aufl. § 251 Rn. 1). Die Mehrheitsentscheidung ist keine ausreichende Legitimation dafür, dass einem einzelnen Beteiligten gegen seinen Willen Vermögenswerte entzogen werden (BT-Drucks. 12/2443, S. 211, zu § 298 RegE).
bb) Bei Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens könnte der Beteiligte zu 1 nach Aufhebung des Verfahrens (§ 200 InsO) mit den zur Tabelle festgestellten Steuerforderungen gegen Steuererstattungsansprüche der Schuldnerin aufrechnen. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, erfasst die Abtretung gemäß § 287 Abs. 2 InsO nicht den Anspruch auf Erstattung von Lohn- und Einkommensteuerzahlungen (BGHZ 163, 391, 393; , WM 2006, 539 f). In der Wohlverhaltensperiode besteht kein allgemeines Aufrechnungsverbot für die Insolvenzgläubiger. Insbesondere gilt die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht (BGHZ 163, 391, 398). Die vom Beschwerdegericht für maßgeblich gehaltenen Überlegungen dazu, ob und aus welchen Gründen Aufrechnungen in der Wohlverhaltensperiode gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger verstoßen, ändern nichts daran, dass die Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen zulässig ist. Der Insolvenzplan sieht demgegenüber den vollständigen und unbedingten Erlass der zur Tabelle festgestellten Forderung vor. Eine Aufrechnung wäre schon wegen Fehlens einer Forderung, gegen die aufgerechnet wird, ausgeschlossen.
b) Der Vortrag des Beteiligten zu 1 zu künftig entstehenden Erstattungsansprüchen der Schuldnerin genügt jedoch den Anforderungen des § 251 Abs. 2 InsO nicht.
aa) Nach § 251 Abs. 2 InsO ist der Antrag, die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, nur zulässig, wenn der Gläubiger die Verletzung seines wirtschaftlichen Interesses glaubhaft macht. Diese - an § 188 KO angelehnte - Voraussetzung soll das Insolvenzgericht davor bewahren, dass ein Antrag, der auf bloße Vermutungen gestützt wird, zu umfangreichen Ermittlungen führt (BT-Drucks. 12/2443, S. 212). Geht es - wie hier - um eine Prognose, muss die Entwicklung, die eine Benachteiligung bewirken könnte, nicht nur abstrakt möglich, sondern aufgrund konkreter Anhaltspunkte wahrscheinlicher sein als eine Nichtschlechterstellung (vgl. BT-Drucks. 14/120, S. 14 zu Art. 2 Nr. 14 EGInsO ÄndG). Der Gläubiger muss also Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Schlechterstellung durch den Insolvenzplan ergibt. Die Prüfung des Insolvenzgerichts ist auf die vom Gläubiger vorgebrachten (und glaubhaft gemachten) Tatsachen und Schlussfolgerungen beschränkt (vgl. OLG Dresden, NZI 2000, 436, 437; BayObLG NZI 2001, 145, 147; OLG Köln NZI 2001, 594, 595; Uhlenbruck/Lüer, InsO 12. Aufl. § 251 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Braun, InsO § 251 Rn. 8; Jungmann, KTS 2006, 135, 147).
bb) Der Beteiligte zu 1 hat seinen Versagungsantrag damit begründet, dass sein "Anspruch auf Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen" durch den Insolvenzplan beeinträchtigt sei. Die abstrakte Möglichkeit, durch eine künftige Entwicklung - hier: das Entstehen von Steuererstattungsansprüchen in unbekannter Höhe während der Wohlverhaltensphase - Vorteile zu erlangen, die durch den Insolvenzplan ausgeschlossen werden, reicht für die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung durch den Insolvenzplan nicht aus. In seiner Beschwerdebegründung hat der Beteiligte zu 1 sein Vorbringen dahingehend ergänzt, es sei nicht auszuschließen, dass künftig Ansprüche aufgrund Steuererstattungen entstehen könnten. Damit ist eine Benachteiligung im Sinne von § 251 Abs. 2 InsO nicht überwiegend wahrscheinlich.
Das im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholte tatsächliche Vorbringen kann nicht berücksichtigt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
SJ 2007 S. 54 Nr. 16
WM 2007 S. 902 Nr. 19
ZIP 2007 S. 923 Nr. 19
TAAAC-44501
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja