BGH Urteil v. - XI ZR 362/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 767; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5; ZPO § 800; BGB § 134; BGB §§ 170 ff.; BGB § 171; BGB §§ 172 ff.; BGB § 173; BGB § 780; RBerG § 1; AGBG § 3; AGBG § 9

Instanzenzug: LG Hildesheim 2 O 544/01 vom OLG Celle 4 U 105/02 vom

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bank aus einer notariellen Urkunde, soweit er daraus persönlich in Anspruch genommen wird. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger, ein damals 37 Jahre alter Vertriebskaufmann mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.331 DM, wurde im Jahr 1992 von einem Vermittler geworben, zum Zwecke der Vermögensbildung und Steuerersparnis eine Eigentumswohnung in einer noch zu errichtenden Studenten-Appartement-Wohnanlage in B. zu erwerben. Am unterbreitete er der C. Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Geschäftsbesorgerin) ein notarielles Angebot zum Abschluss eines umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb der Eigentumswohnung. Zugleich erteilte er der Geschäftsbesorgerin, die über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht verfügte, eine umfassende Vollmacht, ihn bei der Vorbereitung, Durchführung und gegebenenfalls Rückabwicklung des Erwerbs zu vertreten. Unter anderem sollte die Geschäftsbesorgerin den Kaufvertrag und die Darlehensverträge abschließen. Zudem war sie zur Bestellung der dinglichen und persönlichen Sicherheiten befugt. Der kalkulierte Gesamtaufwand für das Kaufobjekt war mit 143.283 DM ausgewiesen.

Die Geschäftsbesorgerin nahm das Angebot an und vertrat den Kläger bei der Beurkundung des notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrages am . Durch diesen Vertrag erwarb er die Eigentumswohnung zum Preis von 110.142 DM, übernahm aus einer zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) bestehenden Grundschuld einen Teilbetrag in Höhe von 143.283 DM sowie die persönliche Haftung für diesen Betrag und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. In seinem Namen schloss die Geschäftsbesorgerin mit der Beklagten am 29./ zwei Realkreditverträge über 33.141 DM und 110.142 DM. Diese enthielten in Ziffer 10.3 folgende Bestimmung:

"Sämtliche Darlehensnehmer haben sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Die Bank kann die persönliche Haftung unabhängig von der Eintragung und dem Bestand der Grundschuld sowie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das Beleihungsobjekt geltend machen."

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die notarielle Vollmacht der Geschäftsbesorgerin bei Abgabe der Unterwerfungserklärung und/oder bei Abschluss des Darlehensvertrages in Ausfertigung vorlag. Die Darlehensvaluta wurde abzüglich des vereinbarten Disagios auf Anweisung der Geschäftsbesorgerin ausgezahlt und zur Finanzierung des Erwerbs verwendet. Nachdem der Kläger seine Zinszahlungen eingestellt hatte, kündigte die Beklagte im Januar 2001 die Kredite aus wichtigem Grund. Sie betreibt nunmehr u.a. die Zwangsvollstreckung aus der persönlichen Vollstreckungsunterwerfung des Klägers.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Vollstreckungsgegenklage analog § 767 ZPO, weil es nach seiner Ansicht an einem wirksamen Vollstreckungstitel fehle. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom für unzulässig erklärt, soweit sie in das persönliche Vermögen des Klägers betrieben wird. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Gründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte könne aus der persönlichen Unterwerfungserklärung des Klägers nicht vorgehen, weil die Geschäftsbesorgerin zu deren Abgabe nicht bevollmächtigt gewesen sei. Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Auf Vertrauensschutz nach §§ 171, 172 BGB könne die Beklagte sich nicht berufen, weil diese materiell-rechtlichen Vorschriften auf die ausschließlich nach prozessualen Grundsätzen zu beurteilende Unterwerfungserklärung nicht anwendbar seien. Die Berufung auf die Nichtigkeit der Vollmacht verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, weil der Kläger zur (erneuten) Abgabe einer Unterwerfungserklärung nicht verpflichtet sei. Der mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolgte Zweck dürfe nicht unterlaufen werden. Daher könne offen bleiben, ob der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages die Vollmacht vorgelegen habe.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO (vgl. BGHZ 124, 164, 170 f.) stattgegeben hat.

1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, die der Geschäftsbesorgerin erteilte Vollmacht zur Abgabe der Vollstreckungsunterwerfungserklärung sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG unwirksam mit der Folge, dass kein wirksamer Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschaffen wurde. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag, der so umfassende Befugnisse wie hier enthält, ist nichtig (st.Rspr., vgl. BGHZ 145, 265, 269 ff.; Senat, Urteile vom - XI ZR 265/05, WM 2007, 108, 109 und vom - XI ZR 185/05, WM 2007, 110, 112 m.w.Nachw.). Die Nichtigkeit erfasst neben der umfassenden Abschlussvollmacht auch die zur Abgabe der Vollstreckungsunterwerfungserklärung erteilte Prozessvollmacht. Entgegen der Auffassung der Revision ist die unwirksame Prozessvollmacht auch nicht aus Rechtsscheingesichtspunkten in analoger Anwendung der §§ 172 ff. BGB gegenüber der Beklagten als gültig zu behandeln, weil diese Bestimmungen für die dem Geschäftsbesorger erteilte prozessuale Vollmacht nicht gelten (st.Rspr., vgl. BGHZ 154, 283, 287; Senat, Urteile vom - XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 30, vom - XI ZR 421/02, WM 2004, 372, 375 und vom - XI ZR 267/02, BKR 2004, 236, 238).

2. Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt ist es aber - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - dem Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich gegenüber der Beklagten auf die Nichtigkeit der notariellen Vollstreckungsunterwerfung vom zu berufen. Denn der Kläger ist danach gegenüber der Beklagten verpflichtet, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen (vgl. , WM 2004, 27, 30, vom - XI ZR 421/02, WM 2004, 372, 375, vom - XI ZR 226/04, WM 2006, 87, 88 und vom - XI ZR 185/05, WM 2007, 110, 113). Ein Verschulden des Klägers ist für den von der Beklagten erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht erforderlich (vgl. BGHZ 64, 5, 9).

Der Kläger hatte sich nach Ziffer 10.3 der Darlehensverträge vom 29./ gegenüber der Beklagten verpflichtet, als Sicherheit nicht nur eine Grundschuld in Darlehensgesamthöhe zu stellen, sondern sich darüber hinaus der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen, d.h. ein vollstreckbares Schuldversprechen nach § 780 BGB abzugeben. Darauf, nicht auf die im Darlehensvertrag gesondert aufgeführte und nach § 800 ZPO vollstreckbar zu gestaltende Grundschuld bezog sich auch die Vollstreckungsunterwerfungserklärung (, WM 2004, 922, 923 m.w.Nachw.). Entgegen der Auffassung des Klägers wird diese Auslegung durch den Wortlaut der Vertragsklausel ohne weiteres gedeckt und entspricht der bei derartigen Bankgeschäften schon seit Jahrzehnten üblichen, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligten Praxis, so dass die formularmäßige Verpflichtung zur Abgabe einer persönlichen Haftungsübernahme mit Vollstreckungsunterwerfung weder gegen § 3 AGBG noch gegen § 9 AGBG verstößt (siehe z.B. BGHZ 99, 274, 282; Senat, Urteile vom - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1521 und vom - XI ZR 226/04, WM 2006, 87, 88 f. m.w.Nachw.). Der Kläger hätte danach eine solche Unterwerfungserklärung unverzüglich abzugeben. Da er der Geschäftsbesorgerin eine unwirksame Vollmacht erteilt hat, müsste er die anlässlich der Beurkundung am abgegebenen vollmachtlosen Erklärungen, die der im späteren Darlehensvertrag übernommenen Verpflichtungen inhaltlich entsprachen, genehmigen und ihnen dadurch Wirksamkeit verleihen.

3. Das setzt allerdings voraus, dass die Darlehensverträge vom 29./ ihrerseits wirksam zustande gekommen sind; denn nur dann wäre eine entsprechende Verpflichtung des Klägers begründet worden. Da der Darlehensvertrag an den Rechtsfolgen der Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V. mit Art. 1 § 1 RBerG nicht teilnimmt und in dem späteren vertragskonformen Verhalten des Klägers weder eine Genehmigung des prozessualen Handelns der Geschäftsbesorgerin zu sehen ist noch die Voraussetzungen der Duldungsvollmacht erfüllt sind (vgl. , WM 2002, 1273, 1275, und vom - XI ZR 41/04, WM 2005, 786, 788), kommt es darauf an, ob der Beklagten - wie sie behauptet und unter Beweis gestellt hat - spätestens bei Abschluss des Darlehensvertrages die Vollmacht im Original oder in notarieller Ausfertigung vorlag (§ 172 BGB). Die Darlehensverträge sind auf materiell-rechtliche Willenserklärungen zurückzuführen, für die die §§ 170 ff. BGB Geltung haben, auch wenn die Bevollmächtigung der Geschäftsbesorgerin gemäß Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB nichtig ist (, WM 2005, 828, 831 und vom - XI ZR 219/04, WM 2006, 1060, 1062 m.w.Nachw.). Die Beklagte durfte auf den an die Vorlage der Vollmacht anknüpfenden Rechtsschein auch vertrauen, weil ihr der Mangel der Vertretungsmacht weder bekannt war noch sie diesen gemäß § 173 BGB kennen musste. Bei Abschluss der Darlehensverträge im Jahr 1993 entsprachen der Geschäftsbesorgungsvertrag und die zu seiner Durchführung erteilte Vollmacht einer weit verbreiteten und seinerzeit nicht angezweifelten Praxis. Den vor dem Jahr 2000 ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ließ sich nichts entnehmen, was für einen Verstoß eines umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages und der mit ihm verbundenen Vollmacht des Geschäftsbesorgers gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB gesprochen hätte (st.Rspr., vgl. etwa die Nachweise in dem Senatsurteil vom - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 75). Da das Berufungsgericht zur Vorlage der Vollmacht keine Feststellungen getroffen hat, wird es dies nachzuholen haben.

III.

Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Fundstelle(n):
ZAAAC-44042

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein