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Steuerrechtliche Behandlung von standortübergreifenden ärztlichen Teilgemeinschaftspraxen

1. Ertragsteuerrechtliche Behandlung

Auf der Grundlage von § 18 Musterberufsordnung für Ärzte (in der ab gültigen Fassung) können sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen – auch beschränkt auf einzelne Leistungen – zu einer Berufsausübungsgemeinschaft, medizinischen Kooperationsgemeinschaft sowie zu Praxisverbünden oder Organisationsgemeinschaften zusammenschließen. Hiernach können Ärzte neben ihren Einzelpraxen oder Gemeinschaftspraxen standortübergreifende interdisziplinäre Teilgemeinschaftspraxen betreiben. Ein Arzt kann ggf. auch mehreren Teilgemeinschaftspraxen angehören.

Zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung derartiger Teilgemeinschaftspraxen ist nach Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder folgende Auffassung zu vertreten:

Die standortübergreifenden Teilgemeinschaftspraxen sind als Mitunternehmerschaften zu behandeln, weil die beteiligten Ärzte eine mitunternehmerische Initiative entfalten und mitunternehmerisches Risiko tragen. Es besteht in diesen Fällen auch eine gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht auf der Ebene der Partnerschaftsgesellschaft.

Die Tätigkeit der Ärzte in der Mitunternehmerschaft führt grundsätzlich zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. v. § 18 EStG. Etwas anderes gilt, sofern die Mitunternehmerschaft neben der freiberuflichen Tätigkeit auch eine schädliche gewerbliche Tätigkeit ausübt oder nicht zugelassene Ärzte als Partner beteiligt sind. In diesem Fall ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG einschlägig.

Die beteiligten Ärzte betreiben eine Partnerschaftsgesellschaft, unter der sie den Patienten gegenüber nach außen auftreten. Die erzielten Einnahmen sind zunächst solche der Gesellschaft; die daraus entstehenden Gewinne werden nach einem gesellschaftsvertraglich festgelegten Schlüssel verteilt, der sich an den jeweiligen Gesellschafterbeiträgen des einzelnen Arztes orientiert. Die Nutzung von Personal und Sachmitteln der jeweiligen Einzelpraxis für Zwecke der Teilgemeinschaftspraxis führt entsprechend dem tatsächlichen Nutzungsumfang zu Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Arztes.

Die Leistungen der beteiligten Ärzte stellen nicht – auch nicht teilweise – (gewerbliche) Vermittlungsleistungen gegenüber dem jeweils anderen Arzt oder der Partnerschaftsgesellschaft dar Vielmehr handelt es sich um Gesellschafterbeiträge an die freiberufliche Mitunternehmerschaft.

Bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, die im Rahmen der Teilgemeinschaftspraxis genutzt werden, sind folgende drei Fallgruppen zu unterscheiden, weil jedes Wirtschaftsgut nur einheitlich einem Betriebsvermögen zugeordnet werden kann:

1. Variante:

Das Wirtschaftsgut wird in vollem Umfang von der Teilgemeinschaftspraxis genutzt.

In diesen Fällen muss das Wirtschaftsgut nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zwingend dem Sonderbetriebsvermögen des betreffenden Mitunternehmers der Teilgemeinschaftspraxis zugeordnet werden.

2. Variante:

Das Wirtschaftsgut wird zu mehr als 50 % in der Einzelpraxis genutzt.

Auf Grund der überwiegenden Nutzung durch die Einzelpraxis des Arztes ist das Wirtschaftsgut insgesamt seiner Einzelpraxis zuzurechnen.

3. Variante:

Das WG wird zu mehr als 50 % in der Teilgemeinschaftspraxis genutzt.

Auf Grund der überwiegenden Nutzung durch die Teilgemeinschaftspraxis gehört das Wirtschaftsgut insgesamt zum Sonderbetriebsvermögen der betreffenden Mitunterunternehmers bei der Gemeinschaftspraxis.

Bei einer ausnahmsweise genau hälftigen Mitnutzung des Wirtschaftsguts durch beide Praxen kann aus Vereinfachungsgründen der beantragten Zuordnung des Steuerpflichtigen gefolgt werden.

Abweichend von der nur einheitlichen Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einem Betriebsvermögen sind die durch die Nutzung eines Wirtschaftsguts in mehreren Betriebsvermögen verursachten Aufwendungen jedem betroffenen Betrieb zuzurechnen. Deshalb führen die durch die Nutzung von Sachmitteln und Personal der jeweiligen Einzelpraxis für Zwecke der Teilgemeinschaftspraxis entstehende Aufwendungen einschl. Gemeinkosten und ggf. Finanzierungskosten entsprechend dem tatsächlichen Nutzungsumfang zu Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Arztes bei seiner Mitunternehmerschaft. Dies gilt grundsätzlich unabhängig vom Nutzungsumfang für Zwecke der Teilgemeinschaftspraxis.

Können die auf einen derartigen Nutzungsumfang in der Einzelpraxis angefallenen und dort zu kürzenden Aufwendungen nicht ohne weiteres ermittelt werden, sind die in gleicher Höhe als Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Arztes bei der Teilgemeinschaftspraxis zu berücksichtigenden Aufwendungen im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Die Zuordnung solcher Aufwendungen zu den Sonderbetriebsausgaben hat im Regelfall für den betroffenen Arzt keine einkommensteuerrechtliche Auswirkung, weil sowohl die Aufwandshöhe als auch die Einkunftsart hierdurch nicht berührt werden. In diesem Fall habe ich grundsätzlich keine Bedenken, wenn der vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Zuordnung seiner in der Einzelpraxis angefallenen Aufwendungen zu seinen Sonderbetriebsausgaben der Teilgemeinschaftspraxis gefolgt wird, sofern diese nicht offensichtlich unzutreffend ist.

Wegen der besonders engen und starken Verknüpfung der Einzelpraxis des Arztes mit der Beteiligung an der Teilgemeinschaftspraxis gehört seine Beteiligung an dieser Mitunternehmerschaft im Regelfall zum notwendigen Betriebsvermögen seiner Einzelpraxis.

Die vorstehenden Ausführungen gelten für einen Arzt und Mitunternehmer im Umfang des für ihn gültigen allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels bei einer Gemeinschaftspraxis in Bezug auf das Gesamthandsvermögen dieser Praxis sinngemäß, wenn er zwar an einer Teilgemeinschaftspraxis beteiligt ist, aber nicht über eine Einzelpraxis, sondern nur über die Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis verfügt. Eine Gemeinschaftspraxis kann sich nach der Musterberufsordnung der Ärzte nicht an einer Teilgemeinschaftspraxis beteiligen, sondern ausschließlich Ärzte.

2. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

Teilgemeinschaftspraxen treten üblicherweise nach außen auf, erbringen die Leistungen gegenüber den Patienten und rechnen mit ihnen selbständig ab. Deshalb ist die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft einer solchen Praxis im Regelfall zu bejahen.

Die Überlassung von Patienten und Gerätschaften sowie die ärztliche Arbeitsleistung in der Berufsausübungsgemeinschaft stellen regelmäßig lediglich Gesellschafterbeiträge dar. Weil nach den üblichen gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen die Leistungen des einzelnen Arztes ausschließlich mit der Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten wird und hierfür kein Sonderentgelt gezahlt wird, sind die Leistungen umsatzsteuerrechtlich als Gesellschafterbeiträge nicht steuerbar.

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