BGH Beschluss v. - 5 StR 457/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StGB § 213 1. Alt.; StGB § 50; StGB § 21; StGB § 49 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg. Aus den Gründen der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft ist die Verfahrensbeschwerde jedenfalls unbegründet, auch die insoweit nicht näher begründete Sachrüge ist unbegründet, soweit sie den Schuldspruch betrifft. Hingegen hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts tötete der Angeklagte den R. , welchen er einen Tag zuvor am Bahnhof kennengelernt und sodann in dessen Wohnung begleitet hatte, dort in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2005. Zum Tathergang hat die Kammer nicht ausschließen können, dass zunächst der unter Alkoholeinfluss regelmäßig aggressive R. den Angeklagten verbal und körperlich attackierte und dabei auch ein Messer gegen ihn richtete. Daraufhin schlug der Angeklagte mit mehreren Glasflaschen wuchtig auf den Kopf des R. , wodurch dieser benommen - und nicht ausschließbar bewusstlos - zu Boden ging. Der Angeklagte fesselte R. an Händen und Füßen, verband die Fesselstücke miteinander und wirkte mittels stumpfer Gewalt auf den Oberkörper seines Opfers ein. Er knebelte es und entschloss sich spätestens in diesem Moment zur Tötung R. s. Mit einer mindestens fünf Zentimeter langen Klinge schnitt er ihm zweimal in den Hals und stach ihm in das Herz. Diese Stich- und Schnittverletzungen führten schließlich zum Tode R. s. Sachverständig beraten, hat die Strafkammer festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat aufgrund einer hirnorganischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F07.0) in Verbindung mit einem affektiven Erregungszustand erheblich vermindert war.

Die Strafkammer hat die Tat des Angeklagten zwar als einen minder schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 213 zweite Alt. StGB angesehen und die Strafe dieser Vorschrift entnommen. Zu der Annahme eines sonstigen minder schweren Falles ist sie aber nur unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat gekommen. Dementsprechend hat sie von einer nochmaligen Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen.

2. Diese Strafrahmenwahl erweist sich als rechtsfehlerhaft.

a) Nach den Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 213 erste Alt. StGB entgegen der tatrichterlichen, allerdings nicht näher begründeten Wertung vor. Die unter Anwendung des Zweifelssatzes zugrunde gelegten auch körperlichen Attacken des Opfers unter Einsatz eines Messers stellten sich als Misshandlung des Angeklagten dar. Anhaltspunkte dafür, dass die tatauslösende Spannungssituation auch dem Angeklagten zuzurechnen gewesen wäre, liegen aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht vor. Danach besteht kein Anlass, die Tötung nicht als eine dem Zorn geschuldete Reaktion - hierfür spricht auch die Heftigkeit des Vorgehens des zur Tatzeit 60 Jahre alten, noch nie mit Gewaltdelikten strafrechtlich in Erscheinung getretenen Angeklagten - auf die vom Opfer ausgehende Provokation anzusehen. Allein die Mehraktigkeit der gegen das Opfer gerichteten Angriffe, die zeitlich unmittelbar aufeinander folgten, schließt nicht aus, dass die von der Provokation ausgelösten affektiven Vorgänge ihren nicht nur untergeordneten Einfluss verloren haben.

b) Da die Voraussetzungen des § 213 erste Alt. StGB vorliegen, ist die Strafmilderung nach dieser Vorschrift zwingend und unabhängig davon geboten, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert war (BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4). Dementsprechend stünde § 50 StGB einer weiteren Milderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht prinzipiell entgegen. Allerdings hängt die auf einer krankhaften seelischen Störung des Angeklagten beruhende hochgradige affektive Erregung mit dem Ausmaß der zur Tatbegehung eingesetzten massiven Gewalt eng zusammen. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine weitere im tatrichterlichen Ermessen stehende Strafrahmenverschiebung nicht zwingend (vgl. BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5 und 8).

Auch die übrigen benannten mildernden Faktoren könnten bei der Strafzumessung stärkeres Gewicht erhalten, da sie nicht bereits für die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 zweite Alt. StGB herangezogen worden sind.

3. Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; der Senat kann auch ausschließen, dass in der neuen Hauptverhandlung ein § 213 erste Alt. StGB entgegenstehender Sachverhalt festgestellt werden könnte. Der neue Tatrichter wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen - die allenfalls durch weitergehende widerspruchsfreie Feststellungen ergänzt werden dürfen - eine neue Strafe zu verhängen haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-33784

1Nachschlagewerk: nein