BFH Beschluss v. - V B 17/06

Keine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung bei Rechtsfragen zu nicht mehr geltendem Recht (hier: pauschaler Vorsteuerabzug für Reisekosten)

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStDV § 36

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für das Jahr 1996 (Streitjahr) ein pauschaler Vorsteuerabzug für Reisekosten bei ihr angestellter Monteure zusteht.

Die Klägerin, eine GmbH, befasst sich mit Industriemontagen und dem Anlagenbau. Die bei ihr im Streitjahr 1996 beschäftigten Monteure waren an ständig wechselnden Einsatzorten tätig. Das Finanzgericht (FG) hat hierzu festgestellt, dass die Monteure ihren täglichen Einsatzort unmittelbar —nicht von der Betriebsstätte der Klägerin aus— aufsuchten; es lägen keine Dienstgänge oder Dienstreisen vor; es sei vielmehr eine Einsatzwechseltätigkeit im lohnsteuerrechtlichen Sinn gegeben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) versagte im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom den von der Klägerin geltend gemachten pauschalen Vorsteuerabzug nach § 36 bis § 38 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV).

Mit ihrem Einspruch trug die Klägerin u.a. vor, jedenfalls bei einem Teil der ihren Arbeitnehmern erstatteten Reisekosten habe es sich um Reisekosten für Dienstreisen, nicht um Einsatzwechseltätigkeit gehandelt.

Der Einspruch blieb erfolglos. Im nachfolgenden Klageverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, bei den Auswärtstätigkeiten ihrer Arbeitnehmer habe es sich zwar nicht um Dienstreisen i.S. von § 36 bis § 38 UStDV gehandelt; die Unanwendbarkeit der Pauschalierungsvorschriften auf die Erstattung von Reisekosten für Einsatzwechseltätigkeiten verletze aber den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Das FG wies die Klage ab.

Gegen das ihr am zugestellte Urteil hat die Klägerin am die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die Begründung aber erst am —nach Ablauf der Begründungsfrist am — vorgelegt. Nach einem entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des Senats hat die Klägerin am per Fax wegen der Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdebegründung vorgelegt.

II. Der Senat lässt offen, ob der Klägerin wegen Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat (jedenfalls deshalb) keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen.

1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die Nichtzulassung der Beschwerde kann gemäß § 116 Abs. 1 FGO durch Beschwerde angefochten werden. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die Revision kann nicht —wie von der Klägerin in erster Linie geltend gemacht wird— zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO zugelassen werden.

a) Die Klägerin meint, die Vorentscheidung weiche von den Urteilen des (BFHE 173, 179, BStBl II 1994, 422), vom VI R 40/03 (BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074) und vom VI R 25/04 (BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791) insoweit ab, als „das FG bei Vorliegen von gleichen tatsächlichen —im bisherigen Verfahrensverlauf jedoch völlig unzureichend berücksichtigten— Gegebenheiten zu dem Schluss gelangt war, dass im Gegensatz zu den vorzitierten Entscheidungen, in denen der Gleiche den Entscheidungen zugrunde gelegte Sachverhalt zur Qualifizierung als Dienstreisen geführt hatte, vorliegend Einsatzwechseltätigkeit anzunehmen sei”.

b) Damit hat die Klägerin nicht —wie für die Darlegung einer Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich— voneinander abweichende abstrakte Rechtssätze einander gegenüber gestellt. Sie rügt vielmehr, dass das FG die drei bezeichneten BFH-Entscheidungen nicht berücksichtigt habe. Dies reicht zur Darlegung einer Divergenz nicht aus (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 558).

Überdies liegt auch keine Abweichung vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass der nach § 36 bis § 38 UStDV zugelassene Vorsteuerabzug den Dienstreisebegriff aus der Ermächtigung in § 15 Abs. 5 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) aufgreift und seine Auslegung sich nicht aus § 4 Abs. 5 Nr. 5 und § 9 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergibt (vgl. , BFHE 201, 565, BStBl II 2003, 677, unter II. 3.). Die von der Klägerin genannten Urteile sind zur Einkommensteuer ergangen; sie haben für die Gewährung des pauschalen Vorsteuerabzugs gemäß § 36 bis § 38 UStDV keine Bedeutung.

3. Ebenfalls scheidet eine Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO aus.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG nicht gegen die ihm gemäß § 76 Abs. 1 FGO obliegende Sachaufklärungspflicht dadurch verstoßen, dass es der Frage nicht weiter nachgegangen ist, ob im Streitfall Dienstreisen vorlagen. Denn nachdem die Klägerin —abweichend von ihrer Einspruchsbegründung und übereinstimmend mit der Einspruchsentscheidung des FA— im finanzgerichtlichen Verfahren bereits in der Klageschrift und auch nachfolgend selbst davon ausgegangen war, es hätten keine Dienstreisen vorgelegen, brauchte das FG den Sachverhalt in diese Richtung nicht weiter aufklären. Dementsprechend liegt auch der von der Klägerin in diesem Zusammenhang ferner gerügte Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht vor.

Überdies hatte das FG in der Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den (BFH/NV 2000, 999) hingewiesen, wonach ein pauschaler Vorsteuerabzug nach § 36 UStDV aus Belegen über Erstattungen an Arbeitnehmer für Aufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit nicht zugelassen ist. Das FG hatte damit zu erkennen gegeben, dass es —entsprechend dem Klagevorbringen— von einer Einsatzwechseltätigkeit ausging. Deshalb wäre es Sache der Klägerin gewesen, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag dahin gehend zu stellen, dass —zumindest teilweise— Dienstreisen vorgelegen hätten. Dies ist nicht geschehen.

4. Schließlich ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur wegen einer Rechtsfrage in Betracht, die im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit sind besondere Anforderungen zu stellen, wenn die angesprochene Rechtsfrage sog. ausgelaufenes Recht betrifft (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 727).

b) Die bezeichnete Rechtsfrage (Auswirkungen des BFH-Urteils in BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791 auf den Vorsteuerabzug nach §§ 36, 38 UStDV a.F.) betrifft ausgelaufenes Recht. § 36 bis § 38 UStDV wurden durch Art. 8 Nr. 1 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG) vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit Wirkung ab dem aufgehoben (vgl. Art. 18 Abs. 2 StEntlG). Seitdem ist ein pauschaler Vorsteuerabzug für Dienstreisen der Arbeitnehmer nicht mehr möglich. Es besteht deshalb grundsätzlich kein Interesse der Allgemeinheit an der von der Klägerin dargelegten Frage (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 727).

Gegenteiliges hat die Klägerin nicht —substantiiert— dargelegt. Dass wegen dieses Streitpunktes weitere Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin für die Jahre 1997 und 1998 anhängig sind, begründet kein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Rechtsfrage.

c) Überdies hat —wie ausgeführt— das zur Einkommensteuer ergangene Urteil in BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791 für den Vorsteuerabzug nach §§ 36, 38 UStDV a.F. keine Bedeutung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 282 Nr. 2
RAAAC-33438