Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 356 a; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Düsseldorf III 2 Ss 23/06 - 19/06 II vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und ansonsten unbegründet.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG richtet.
1. Die Beschwerdeführerin hat versäumt, das Nachverfahren gemäß § 356 a StPO durchzuführen, und damit den Rechtsweg nicht erschöpft.
2. Die Verfassungsbeschwerde lässt zudem nicht erkennen, welche weiteren Gesichtspunkte die Beschwerdeführerin vorgetragen hätte, wenn sie von der Kontaktaufnahme zwischen Revisionsgericht und Staatsanwaltschaft frühzeitig in Kenntnis gesetzt und wenn eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt worden wäre (vgl. BVerfGE 28, 17).
II.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot liegt nicht vor.
1. Eine Verletzung des Willkürverbots ist gegeben, wenn die den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde liegende Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 80, 48 <51>; 83, 82 <84>; 86, 59 <63>; stRspr). Eine Verletzung des Willkürverbots kann unter diesen Voraussetzungen grundsätzlich auch bei der Anwendung von Verfahrensrecht - das im Übrigen verfassungsrechtlich durch die spezielleren Verfahrensgrundrechte, insbesondere der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, abgesichert ist (vgl. BVerfGE 60, 305 <309 ff.>; 107, 395 <403>) - in Betracht kommen (vgl. BVerfGE 42, 64 <73 f.>).
Ein Verstoß gegen § 349 Abs. 2 StPO kann eine Verletzung des Willkürverbots begründen, wenn das Revisionsgericht die Revision als offensichtlich unbegründet verwirft, obwohl ein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 59, 98 <101 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NStZ 2002, S. 487 <488 f.>). In diesem Fall fände eine Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft bei der Entscheidungsfindung von vornherein nicht statt; damit beruhte die auf einer unzureichenden Erkenntnisgrundlage ergehende Entscheidung auf der fehlerhaften Rechtsanwendung. Ähnlich liegt der Fall, dass die Staatsanwaltschaft erst auf "Bestellung" des Revisionsgerichts einen entsprechenden Antrag stellt, ohne eine eigene Sachprüfung vorgenommen zu haben (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NStZ 2000, S. 382; vgl. auch den von Gieg/Widmaier, NStZ 2001, S. 57 <59> geschilderten Fall einer wörtlichen Entsprechung des Verwerfungsantrags mit dem zuvor der Staatsanwaltschaft übermittelten schriftlichen "Vorvotum" des Revisionsgerichts). In diesem Fall hätte sich die Staatsanwaltschaft in Wirklichkeit keine autonome Rechtsauffassung gebildet; das Vorgehen wäre erkennbar darauf angelegt, diese gesetzlich vorgesehene Voraussetzung für das Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO zu Lasten des Revisionsführers zu umgehen.
2. Mit diesen Fallgestaltungen ist das Zustandekommen der angegriffenen Revisionsentscheidung nicht zu vergleichen. Anhaltspunkte für eine gezielte Umgehung des Verfahrens liegen hier nicht vor; allein daraus, dass das Gericht den Revisionsführer von der Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft nicht unterrichtet hat, lässt sich ein derartiger Schluss nicht ziehen. Der Vorgang ist vielmehr als Rechtsgespräch mit der Staatsanwaltschaft zu werten, mit dem Zweck, eine - eigenständige - Prüfung durch diese herbeizuführen. Die Staatsanwaltschaft hat sich - was aus den beiden Antragsschriften vom 23. März und hervorgeht - eingehend mit der zu Grunde liegenden Rechtsfrage auseinandergesetzt; auf Grund einer auf selbständiger Prüfung beruhenden Korrektur ist sie schließlich im Ergebnis zu derselben Bewertung wie das Revisionsgericht gelangt. Dass sich die Staatsanwaltschaft ungeprüft die Auffassung des Revisionsgerichts zu Eigen gemacht haben könnte, findet in den Verfahrenstatsachen keine Stütze.
Die durch das Antragserfordernis vermittelte und verfassungsrechtlich geschützte Gewährleistung, dass eine Hauptverhandlung immer dann stattfindet, wenn zwischen dem Revisionsgericht und der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob eine Revision offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerfGE 59, 98 <102>), lief damit nicht leer. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Rechtsgesprächs zwischen Revisionsgericht und Staatsanwaltschaft - jedenfalls nach Anbringung des staatsanwaltlichen Antrags - und einer daraufhin erfolgenden Antragsänderung sind auch in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, wenngleich nicht unstrittig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 349 Rn. 12; Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2003, § 349 Rn. 13; a.A. Wohlers, in: Systematischer Kommentar, StPO, Stand: September 2003, § 349 Rn. 27; jeweils m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund liegt ein Ausnahmefall, in dem die - grundsätzlich der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogene - fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO ein verfassungsrechtliches Eingreifen erforderte, weil sie nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden oder sonst schlechterdings unhaltbaren Erwägungen beruht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 1987, S. 2219 <2220> m.w.N.), nicht vor.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstelle(n):
CAAAC-32377