Verbösernde Einspruchsentscheidung nach Ergehen eines Teilabhilfebescheids
Leitsatz
Das FA ist auch dann noch zum Erlass einer verbösernden Einspruchsentscheidung gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 berechtigt, wenn es zuvor einen Änderungsbescheid erlassen hat, in dem es dem Einspruchsbegehren teilweise entsprochen, jedoch nicht in voller Höhe abgeholfen hat (sog. Teilabhilfebescheid).
Gesetze: AO 1977 § 365 Abs. 3 Satz 1AO 1977 § 367 Abs. 2
Instanzenzug: (EFG 2005, 1831) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO 1977—) stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1999 vom unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen die Einkommensteuer auf 16 058 DM fest.
Zur Begründung ihres Einspruchs reichten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Einkommensteuererklärung für 1999 und die Gewinnermittlung des Klägers für seine selbständige Tätigkeit ein. Dabei hatte der Kläger Repräsentationsaufwendungen in Höhe von 2 405,85 DM und Aushilfslöhne in Höhe von 13 340 DM als Betriebsausgaben abgezogen. Bei letzteren handelte es sich um Lohnzahlungen des Klägers an seine drei Kinder, deren Lohnsteuerkarten er beifügte. Außerdem hatten die Kläger Spenden in Höhe von 130 DM und Aufwendungen der Klägerin für eine Ausbildung zur Heilpraktikerin in Höhe von 1 800 DM als Sonderausgaben geltend gemacht.
Das FA bat die Kläger um den Nachweis der Ausbildungskosten sowie der Spenden. Die Kläger legten mit Schreiben vom eine Aufstellung der Ausbildungskosten vor. Die nach dem Inhalt des Begleitschreibens ebenfalls beigefügten Belege dazu sowie zu den Spenden waren nach einer Aktennotiz der Bearbeiterin nicht beigefügt. Auch einem Schreiben der Kläger vom , nach dem die Spendenbelege beigefügt sein sollten, waren sie nach einer Notiz der Bearbeiterin des FA nicht beigefügt worden.
Das FA setzte die Einkommensteuer in einem Änderungsbescheid vom auf 4 306 DM (2 201,62 €) herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Es hatte dabei die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit erklärungsgemäß berücksichtigt und die Spenden und Ausbildungskosten der Klägerin nicht abgezogen. In den Erläuterungen war u.a. festgestellt: „Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom ”.
Mit Schreiben vom wies das FA darauf hin, dass die Repräsentationskosten, soweit darin Bewirtungsaufwendungen enthalten seien, um die auf den Kläger entfallenden Anteile zu kürzen seien; die Aushilfslöhne seien nur abziehbar, wenn die mit den Kindern geschlossenen Arbeitsverträge rechtswirksam seien, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen und auch tatsächlich durchgeführt worden seien. Es bat um Vorlage der Arbeitsverträge. Es kündigte unter Hinweis auf § 367 Abs. 2 AO 1977 an, die bisher abgezogenen Aushilfslöhne nicht mehr anzuerkennen und den Gewinn zu erhöhen, falls keine ordnungsgemäßen Arbeitsverträge vorgelegt würden und der Einspruch nicht zurückgenommen würde. Nachdem auch nach einer Erinnerung mit Schreiben vom eine Stellungnahme der Kläger nicht eingegangen war, setzte das FA die Einkommensteuer für 1999 in der Einspruchsentscheidung vom auf 8 150 DM (4 167,03 €) herauf und wies den Einspruch im Übrigen zurück.
Die Kläger erhoben Klage und verwiesen wegen der Ausbildungskosten auf einen bereits im Vorjahr eingereichten Unterrichtsvertrag. Daraufhin erkannte das FA mit Änderungsbescheid vom die Ausbildungskosten der Klägerin als Sonderausgaben an. Im Übrigen machten die Kläger zur Begründung ihrer Klage geltend, das FA sei aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert gewesen, die im Änderungsbescheid vom getroffene Steuerfestsetzung zu ihrem Nachteil zu ändern.
Nachdem die Kläger der auf § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Aufforderung des Berichterstatters vom , die Spendenbescheinigungen und die Arbeitsverträge vorzulegen, nicht nachgekommen waren, wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit Urteil vom als unbegründet ab. Es entschied, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Kläger auf Einräumung einer Frist zur Einreichung der Arbeitsverträge sei nicht zu entsprechen gewesen, da dies zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Eine verbösernde Einspruchsentscheidung dürfe auch dann ergehen, wenn sie sich auf eine Besteuerungsgrundlage beziehe, die das FA in einem zuvor ergangenen Teilabhilfebescheid bereits entsprechend dem Einspruchsbegehren angesetzt habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1831 veröffentlicht.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision eine Verletzung formellen und materiellen Rechts. Nach § 367 Abs. 2 AO 1977 sei das FA zum Erlass einer Einspruchsentscheidung nur insoweit befugt, als der Einspruch noch nicht erledigt sei. Entgegen der Auffassung des FG sei im Streitfall eine Erledigung insoweit eingetreten, als dem Begehren auf Anerkennung der Lohnzahlungen abgeholfen worden sei.
Die Vorentscheidung verstoße außerdem gegen Treu und Glauben, weil das FA entgegen der Auffassung des FG den Anschein erweckt habe, es habe abschließend entschieden. Das Schreiben vom habe als bloßes Versehen des FA verstanden werden müssen. Dies gelte umso mehr, als das FA die überzahlten Steuern erstattet habe.
Dadurch, dass das FG ihnen, den Klägern, in der mündlichen Verhandlung keine Fristverlängerung zur Einreichung der Arbeitsverträge eingeräumt habe, habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
Die Kläger erklären, ihr Begehren wegen der nicht anerkannten Spenden von 130 DM nicht mehr weiterverfolgen zu wollen.
Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Änderungsbescheid über die Einkommensteuer für 1999 vom dahin zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um 13 340 DM gemindert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für den Abzug der Lohnzahlungen des Klägers an seine Kinder als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) nicht vorgelegen haben und das FA berechtigt gewesen sei, den während des Einspruchsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid zu Lasten der Kläger zu ändern. Das FG hat auch nicht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt.
1. Das FG hat das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der Kläger nicht dadurch verletzt, dass es ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, ihnen für die Einreichung der Arbeitsverträge eine Frist einzuräumen, nicht entsprochen hat. Der Berichterstatter hatte die Kläger mit Schreiben vom zur Vorlage der Arbeitsverträge gemäß § 79b Abs. 2 Nr. 2 FGO innerhalb von zwei Monaten aufgefordert und auf die Rechtsfolgen einer Verspätung hingewiesen. Die Kläger sind dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Eine weitere Frist für eine Stellungnahme nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hätte, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Da die Kläger auch keine Entschuldigungsgründe i.S. von § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO vorgebracht hatten, hat das FG dem Antrag auf Einräumung einer weiteren Frist für eine Stellungnahme zu Recht nicht entsprochen.
2. Die Entscheidung des FG, dass die materiellen Voraussetzungen für den Abzug der an die Kinder der Kläger gezahlten Aushilfslöhne als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) nicht vorgelegen haben, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die steuerrechtliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Eltern und ihren Kindern voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis im Voraus rechtswirksam vereinbart und so gestaltet und abgewickelt worden ist, wie dies sonst zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich ist. Denn nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Vertragsbeziehungen und die auf ihnen beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen und nicht —z.B. als Unterhaltsleistungen— dem privaten Bereich (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG) zuzuordnen sind (vgl. , BFHE 173, 140, BStBl II 1994, 298).
Die Kläger haben die schriftlichen Arbeitsverträge mit den Kindern weder im Verwaltungsverfahren noch im finanzgerichtlichen Verfahren, sondern erst im Revisionsverfahren vorgelegt. Das FG konnte daher nicht —wie für einen Betriebsausgabenabzug erforderlich— feststellen, dass die Zahlungen des Klägers an seine Kinder betrieblich veranlasst waren.
Im Revisionsverfahren können die nunmehr eingereichten Arbeitsverträge nicht mehr berücksichtigt werden. Denn der BFH ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Deshalb kann er neues tatsächliches Vorbringen und neue Beweismittel nicht mehr in seine Entscheidung einbeziehen, es sei denn, dass in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des FG zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind. Letzteres trifft hier nicht zu, da —wie oben dargelegt— das FG die Einräumung einer weiteren Frist für die Einreichung der Arbeitsverträge zu Recht abgelehnt hat.
3. Die Entscheidung des FG, eine verbösernde Einspruchsentscheidung dürfe auch dann noch ergehen, wenn sie sich auf eine Besteuerungsgrundlage eines Einkommensteuerbescheids beziehe, die das FA in einem zuvor ergangenen teilweisen Abhilfebescheid bereits entsprechend dem Einspruchsbegehren angesetzt habe, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Wortlaut der §§ 365 Abs. 3 Satz 1, 367 Abs. 2 AO 1977. Die Voraussetzungen für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung dieser Vorschriften liegen nicht vor.
a) Das FA hat den Schätzungsbescheid vom , gegen den die Kläger Einspruch (§ 357 AO 1977) eingelegt hatten, durch den Bescheid vom geändert. Nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Einspruchsverfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. Das bedeutet, dass das Einspruchsverfahren anhängig geblieben und sein Gegenstand nunmehr der Änderungsbescheid vom geworden war.
Etwas anderes hätte nur dann gegolten, wenn der Einspruch unzulässig (§ 358 AO 1977) gewesen wäre oder das FA in dem Änderungsbescheid dem Einspruchsbegehren voll entsprochen hätte. Beides trifft im Streitfall nicht zu.
aa) Bei Unzulässigkeit des Einspruchs hat die Finanzbehörde diesen zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO 1977). Die von § 367 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO 1977 geforderte Sachprüfung ist ihr in diesem Fall verwehrt. Im Streitfall haben die Kläger —wie unstreitig ist— rechtzeitig und formgerecht Einspruch eingelegt.
bb) Hat die Finanzbehörde durch den Änderungsbescheid dem Einspruchsbegehren in vollem Umfang entsprochen, dann hat sich das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt (vgl. , BFHE 103, 130, BStBl II 1972, 2, 4); einer Einspruchsentscheidung bedarf es gemäß § 367 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 nicht mehr. Im Streitfall hatte das FA dem Einspruchsbegehren der Kläger nicht in vollem Umfang entsprochen, da es die geltend gemachten Spenden und Ausbildungskosten in dem Änderungsbescheid vom nicht berücksichtigt hatte.
b) Da der Änderungsbescheid vom gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden war, war § 367 Abs. 2 AO 1977 auf ihn anzuwenden.
aa) Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Diese Vorschrift bewirkt, dass Gegenstand des Einspruchsverfahrens der angefochtene Einkommensteuerbescheid als solcher ist und dass es nicht einzelne Streitpunkte sind, auf die der Einspruchsführer sein Änderungsbegehren stützt (vgl. , BFH/NV 2000, 983, 984).
Ist Gegenstand des Einspruchsverfahrens ein Änderungsbescheid, kann die Überprüfungsmöglichkeit der Finanzbehörde zwar nach § 351 Abs. 1 AO 1977 eingeschränkt sein. Danach können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall aber nicht vor. Denn der Einkommensteuerbescheid vom , der durch den Bescheid vom geändert wurde, war nicht unanfechtbar, da er rechtzeitig mit dem Einspruch angefochten worden war. Deshalb konnte das FA den Änderungsbescheid vom gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 in vollem Umfang prüfen.
bb) Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 kann der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Der Gesetzgeber hat durch diese Regelung dem rechtsstaatlichen Grundsatz der sachlichen Richtigkeit den Vorrang eingeräumt vor dem Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. , BFHE 71, 381, BStBl III 1960, 392, 393 zu der entsprechenden Regelung in § 243 der Reichsabgabenordnung).
Im Streitfall lagen die Voraussetzungen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 vor. Das FA hatte —wie oben ausgeführt— die Aushilfslöhne zu Unrecht als Betriebsausgaben abgezogen. Es hatte die Kläger mit Schreiben vom auf die Verböserungsabsicht hingewiesen, falls keine einem Fremdvergleich standhaltenden Arbeitsverträge eingereicht würden und der Einspruch nicht zurückgenommen würde. Da die Kläger ihren Einspruch nicht zurückgenommen haben, konnte das FA den Einkommensteuerbescheid vom zum Nachteil der Kläger ändern.
c) Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Wortlaut der §§ 365 Abs. 3 Satz 1, 367 Abs. 2 AO 1977 nicht einschränkend dahin auszulegen, dass § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 dann nicht anzuwenden ist, wenn Gegenstand des Einspruchs nicht der ursprünglich mit dem Einspruch angefochtene Steuerbescheid, sondern ein während des Einspruchsverfahrens erlassener teilweiser Abhilfebescheid ist. Der während des Einspruchsverfahrens erlassene teilweise Abhilfebescheid hat nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz keine stärkere Bestandskraft als der durch ihn geänderte Bescheid (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 367 AO Tz. 47).
aa) Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG Hamburg in seinem Urteil vom VI 206/78 (EFG 1982, 283, 284), die Finanzbehörde habe mit dem Erlass eines dem Einspruch teilweise abhelfenden Änderungsbescheids das ihr in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 eingeräumte Recht der Selbstkontrolle verbraucht. Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist der Steuerbescheid und sind nicht die Besteuerungsgrundlagen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 983, 984; vom XI R 64/99, BFH/NV 2003, 183, 184). Letztere sind nach § 157 Abs. 2 AO 1977 ein nicht selbständig anfechtbarer Teil des Steuerbescheids. Hätte der Gesetzgeber eine Teilbestandskraft eintreten lassen wollen, soweit in einem während des Einspruchsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid dem Einspruch teilweise abgeholfen wird, hätte er dies ohne weiteres in § 365 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 durch eine entsprechende Einschränkung zum Ausdruck bringen können.
Der Gesetzgeber hat dort, wo er ausnahmsweise eine Teilbestandskraft während des Einspruchverfahrens herbeiführen wollte, eine ausdrückliche Regelung getroffen. So sehen § 354 Abs. 1a und § 362 Abs. 1a AO 1977 eine Teilbarkeit von steuerlichen Verwaltungsakten vor. Nach der erstgenannten Vorschrift kann auf die Einlegung eines Einspruchs verzichtet werden, soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach einem Vertrag i.S. des § 2 AO 1977 von Bedeutung sein können. Nach § 362 Abs. 1a AO 1977 kann, soweit Besteuerungsgrundlagen für derartige Verfahren von Bedeutung sein können, der Einspruch hierauf begrenzt zurückgenommen werden.
Auch § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 stützt nicht die Annahme der Kläger, ein während des Einspruchsverfahrens erlassener teilweiser Abhilfebescheid sei teilweise bestandskräftig. Nach dieser Vorschrift ruht dann, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird, das Einspruchsverfahren insoweit. Selbst wenn man dies dahin verstünde, dass eine Teilbestandskraft eintreten kann, vermöchte dies nichts daran zu ändern, dass keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein während des Einspruchsverfahrens zu Gunsten des Steuerpflichtigen gemachter Fehler der Finanzbehörde in einem Änderungsbescheid einen höheren Bestandsschutz genießen sollte als ein vergleichbarer Fehler bei der erstmaligen Veranlagung (vgl. auch Szymczak in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 367 Rz. 13/4; , EFG 1989, 18; Seitrich, Betriebs-Berater 1988, 1799, 1800).
bb) Soweit das FG Hamburg in EFG 1982, 283 zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung darauf verweist, dass der Änderungsbescheid nur insoweit streitbefangen sei, als dem Einspruch nicht abgeholfen worden sei, kommt es nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 für den Umfang der Prüfungsbefugnis der Finanzbehörde auf den Antrag des Einspruchsführers gerade nicht an.
Zwar hat der BFH in seiner früheren Rechtsprechung zu der Frage des Umfangs der Ablaufhemmung bei der Festsetzungsverjährung gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F. eine Teilbarkeit eines Steuerbescheids bejaht. Nach dieser Vorschrift lief dann, wenn ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten wird, die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Dazu hatte der BFH entschieden, dass das FA einen Steuerbescheid nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht mehr zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern dürfe, wenn dieser gegen den Bescheid Einspruch eingelegt habe; die Festsetzungsfrist werde nur im Umfang des Rechtsbehelfsantrags gehemmt (, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449; vom I R 112/97, BFHE 186, 496, BStBl II 1999, 123).
Der Gesetzgeber hatte zwischen dieser Rechtsprechung und der Verpflichtung der Finanzbehörde, die Sache im Einspruchsverfahren in vollem Umfang erneut zu prüfen und ggf. zum Nachteil des Einspruchsführers zu ändern, einen Widerspruch gesehen; wenn der Steuerpflichtige den Einspruch zur Vermeidung einer Verböserung zurücknehmen könne, sei es nicht sachgerecht, den Finanzbehörden die Möglichkeit, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen, zu beschneiden (BTDrucks 14/1514, S. 46). Er hat durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1999 vom (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) § 171 Abs. 3 AO 1977 geändert und einen Abs. 3a in § 171 AO 1977 eingefügt. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO 1977 entspricht dem bisherigen § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977. § 171 Abs. 3a Satz 2 AO 1977 bestimmt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt wird, wenn der Rechtsbehelf zulässig ist. § 171 Abs. 3a AO 1977 gilt gemäß § 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur AO 1977 für alle bei In-Kraft-Treten des StBereinG am noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen und damit auch im vorliegenden Verfahren. Der Gesetzgeber hat damit für das Einspruchsverfahren den Vorrang der sachlichen Richtigkeit vor der Rechtssicherheit unter Hinweis darauf bestätigt und erweitert, dass der Einspruchsführer die Möglichkeit hat, seinen Einspruch zurückzunehmen (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 47).
Vor diesem Hintergrund erscheint sowohl bei einem mit dem Einspruch angefochtenen Bescheid als auch bei einem zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewordenen Änderungsbescheid die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 getroffene Regelung als ein angemessener Ausgleich der gegenläufigen Interessen. In beiden Fällen hat der Einspruchführer es aufgrund des vorgeschriebenen vorherigen Hinweises auf die Verböserungsabsicht in der Hand, durch die Rücknahme seines Einspruchs den zu seinen Gunsten fehlerhaften Verwaltungsakt bestandskräftig werden zu lassen und die angekündigte Verböserung zu verhindern.
d) Ob eine Finanzbehörde unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausnahmsweise an ihre in einem teilweisen Abhilfebescheid vertretene Auffassung gebunden sein kann, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn hier war nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz für einen erhöhten Vertrauensschutz der Kläger kein Raum. Das FA hatte durch sein Schreiben vom im unmittelbaren Anschluss an den Erlass des Änderungsbescheids klargestellt, dass es die in dem teilweisen Abhilfebescheid berücksichtigten Aushilfslöhne nicht mehr anerkennen werde, wenn die Kläger nicht die entsprechenden Arbeitsverträge einreichen und wenn diese nicht einem Fremdvergleich standhalten würden. Das Vorbringen der Kläger, das Schreiben des FA vom habe als bloßes Versehen verstanden werden müssen, ist angesichts des ausdrücklichen Hinweises auf § 367 Abs. 2 AO 1977 und der Anregung, den Einspruch wegen der ggf. erforderlichen Verböserung zurückzunehmen, nicht nachvollziehbar.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 83
AO-StB 2007 S. 32 Nr. 2
BB 2007 S. 92 Nr. 2
BFH/NV 2007 S. 293 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 83 Nr. 4
DB 2007 S. 38 Nr. 1
DStR 2007 S. 23 Nr. 1
DStRE 2007 S. 188 Nr. 3
DStZ 2007 S. 58 Nr. 3
HFR 2007 S. 196 Nr. 3
INF 2007 S. 82 Nr. 3
KÖSDI 2007 S. 15392 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2007 S. 9
SJ 2007 S. 10 Nr. 5
StB 2007 S. 47 Nr. 2
StBW 2007 S. 5 Nr. 1
RAAAC-32265