Ausfuhrerstattung: CMR-Frachtbrief ohne Unterschrift des Frachtführers
Leitsatz
Das Beförderungspapier ist eine Urkunde, die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt; hierfür kommt ein CMR-Frachtbrief in Betracht, wenn er nach Maßgabe des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr ausgestellt ist. Ein Frachtbrief, der die in Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens vorgesehenen Angaben nur teilweise enthält, ist jedenfalls dann kein Beförderungspapier, wenn die Unterschrift des Frachtführers fehlt.
Gesetze: VO Nr. 3665/87 VO Nr. 3665/87 Art. 16 Abs. 1VO Nr. 3665/87 Art. 18 Abs. 3VO Nr. 3665/87 Art. 47 Abs. 2VO Nr. 3665/87 Art. 48 Abs. 3 Buchst. bCMR Übereinkommen CMR Übereinkommen Art. 6
Instanzenzug:
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat im März 1999 Käse zur Ausfuhr nach Russland angemeldet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt —HZA—) hat ihr für diese Ware auf ihren Antrag einen Vorschuss auf die Ausfuhrerstattung gewährt, die je nach Bestimmungsland in unterschiedlicher Höhe festgesetzt war. Mit dem Zahlungsantrag hat die Klägerin einen CMR-Frachtbrief über den Transport der Ware bis nach Litauen vorgelegt. Über die Weiterbeförderung der Ware von Litauen nach Moskau hat sie —nach Fristverlängerungsantrag vom Februar 2000— im Juni 2000 einen Anschlussfrachtbrief vorgelegt, der jedoch in Feld 23 des CMR-Formulars keine Unterschrift des Frachtführers, sondern lediglich dessen Stempelabdruck enthielt. Den vollständig ausgefüllten Frachtbrief für diese Strecke hat die Klägerin erst im November 2000 dem HZA übergeben.
Dieses hat von ihr die Ausfuhrerstattung zuzüglich eines 15 %-igen Zuschlages wegen der fehlenden vollständigen Ausfüllung des Anschlussfrachtbriefes zurückgefordert. Die dagegen erhobene Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin müsse zwar eine Kürzung der Erstattung um 15 % zuzüglich eines 15 %-igen Zuschlages hinnehmen, weil sie den Frachtbrief Litauen-Moskau nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zwölf-Monats-Frist, sondern erst innerhalb einer daran anschließenden Sechs-Monats-Frist vorgelegt habe, ohne dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist um diese sechs Monate vorgelegen hätten. Hingegen sei der Bescheid des HZA rechtswidrig, soweit darüber hinaus die vorschussweise gewährte Erstattung zuzüglich Zuschlages zurückgefordert werde. Denn der Anschlussfrachtbrief Litauen-Moskau sei trotz unvollständiger Ausfüllung nicht zu beanstanden. In einem Beförderungspapier seien nämlich nur die Angaben von erstattungsrechtlicher Bedeutung, die für die Nämlichkeitssicherung relevant sind; das Beförderungspapier müsse folglich nicht alle im Übereinkommen vom über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr —CMR-Übereinkommen— (BGBl II 1961, 1120) genannten Angaben enthalten. Felder des Frachtbriefes, die sich wie Feld 23 mit der Unterschrift des Frachtführers allein auf diesen bezögen, seien irrelevant; sie sagten nichts über die lückenlose Beförderung der Ware bis zum Bestimmungsort aus. Entscheidend für den Nämlichkeitsnachweis sei nämlich nicht, wer die Ware zum Bestimmungsort befördert hat, sondern dass sie zum Bestimmungsort befördert worden ist. Im Übrigen ergebe sich aus weiteren Unterlagen (Feld 5 des CMR-Frachtbriefes), dass kein vernünftiger Zweifel an der Nämlichkeit der angemeldeten und der im Bestimmungsland abgefertigten Ware bestehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des HZA, zu deren Begründung das HZA auf das Urteil des Senats vom VII R 50/02 (BFHE 206, 488, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2005, 23) Bezug nimmt, wonach das von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) verlangte Beförderungspapier nach Maßgabe des CMR-Übereinkommens ausgestellt sein müsse. Dazu gehöre, dass der Frachtführer mit seiner Unterschrift in Feld 23 die Übernahme des Frachtgutes bestätige. Hingegen betrachte das HZA das Fehlen der Unterschrift des Empfängers (Feld 24 des CMR-Frachtbriefes) oder das Fehlen der Angaben zu den Beförderungskosten (Felder 19 und 28 des CMR-Frachtbriefes) als für den Erstattungsanspruch unschädlich. Eine Ersetzung der Unterschrift des Frachtführers sei nach dem CMR-Übereinkommen nur zulässig, soweit das Recht des Staates es zulasse, in dem der Brief ausgestellt worden ist; demnach wäre nur die Verwendung einer Stempelabbildung der Unterschrift des Frachtführers, nicht eines Firmenstempels zulässig gewesen (§ 408 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs —HGB—).
Das HZA rügt ferner, dass das FG zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass sämtliche in Feld 5 des CMR-Frachtbriefes aufgeführten Unterlagen (Veterinärzertifikate, Lieferschein, Rechnung und Packliste) von der Klägerin dem HZA vorgelegt worden seien; tatsächlich habe die Klägerin, was auch zulässig sei, lediglich Packlisten und das Gewichtszertifikat zusammen mit der Ausfuhranmeldung vorgelegt. Das sei anhand der Sachakten klar ersichtlich gewesen. Im Übrigen würde die vom FG befürwortete Heranziehung ergänzend vorgelegter Unterlagen anstelle entsprechender Angaben im CMR-Frachtbrief zu einer unübersichtlichen, uneinheitlichen und äußert aufwendigen Handhabung bei der Anerkennung von Beförderungspapieren führen.
Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, soweit das FG den Änderungsbescheid vom aufgehoben hat, und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des HZA zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Mängel in der Ausfüllung des CMR-Frachtbriefes beeinträchtigten nicht ohne weiteres dessen Funktion, die Beförderung der Ware zum Drittlandsempfänger nachzuweisen, sondern seien u.U. erstattungsrechtlich unwesentlich. Nach den von der Europäischen Kommission zur Anwendung der VO Nr. 3665/87 aufgestellten, vom HZA selbst vorgelegten Regeln gehörten zu den wesentlichen Kernangaben nur Angaben über Menge und Bezeichnung der Waren, die Angabe des Beförderungsmittels, des Abgangsortes und -tages sowie des Bestimmungsortes. Jedenfalls könnten darüber hinaus gehende, unwesentliche Angaben noch nach Ablauf der Fristen der Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 3 Buchst. b VO Nr. 3665/87 nachgeholt werden. Das gelte insbesondere für die Unterschrift des Frachtführers, welche nicht zu den „Kerneintragungen” gehöre, zumal sie nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 CMR-Übereinkommen grundsätzlich durch einen Stempelabdruck ersetzt werden könne, was im Streitfall geschehen sei.
Die Möglichkeit der Nachholung nach Fristablauf müsse jedenfalls in den Fällen bestehen, in denen die Zollverwaltung wie im Streitfall gegen ihre Pflichten aus § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verstoßen habe. Die Klägerin habe im Streitfall vor Ablauf der Frist des Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 darauf hingewiesen, sie habe nach ihrer Einschätzung vollständige Unterlagen vorgelegt, und das HZA gebeten, ihr mitzuteilen, wenn z.B. der Beförderungsnachweis noch fehle. Hierauf habe das HZA erst im Oktober 2000 nach Ablauf aller Fristen geantwortet und auf die fehlende Unterschrift des Frachtführers in dem Anschlussfrachtbrief hingewiesen.
II.
Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, auch soweit dieser in jenem Urteil stattgegeben worden ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist auch im Ergebnis nicht richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 206, 488, ZfZ 2005, 23 erkannt und hält daran fest, dass mit dem in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 erwähnten Beförderungspapier, dessen Vorlage nach Art. 16 Abs. 1, Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bei je nach Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen (differenzierter Erstattung) erforderlich ist, wenn der Ausführer die Zahlung einer Erstattung begehrt, eine Urkunde gemeint ist, die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt. Im grenzüberschreitenden Verkehr kommt dafür ein CMR-Frachtbrief in Betracht, wenn er nach Maßgabe des CMR-Übereinkommens ausgestellt ist. Kein Beförderungspapier i.S. der vorgenannten Vorschriften ist jedoch ein Frachtbrief, der die in Art. 6 Abs. 1 des vorgenannten Übereinkommens vorgesehenen Angaben nur teilweise enthält, jedenfalls wenn Name und Anschrift des Frachtführers oder dessen Unterschrift fehlen.
Vergeblich beruft sich die Klägerin demgegenüber auf die Hinweise der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in dem Dokument K (2000) 2255 endg. Denn abgesehen davon, dass selbst solche Hinweise nicht gegen Rechtsirrtum gefeit sind, sprechen sie vorliegend ausdrücklich davon, dass das als Beförderungspapier anzuerkennende Dokument die „zur Feststellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Transportvorganges” erforderlichen Angaben enthalten müsse. Von daher liegt die Annahme des HZA nahe, dass bei den nach vorgenannter Wendung in Klammern genannten Angaben (Menge und Bezeichnung der Waren, Angabe des Beförderungsmittels, Abgangsort und -tag sowie Bestimmungsort) als selbstverständlich unterstellt worden ist, dass diese Angaben von demjenigen beweiskräftig als richtig bestätigt werden, der für die Durchführung des Beförderungsvorgangs verantwortlich war, nämlich dem Frachtführer.
Im Streitfall hat die Klägerin keine vollständigen Beförderungspapiere fristgerecht (Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87) vorgelegt, obwohl sie die Gewährung einer Erstattung für Erzeugnisse begehrt, für die je nach Bestimmung unterschiedliche Erstattungssätze festgelegt sind. Der von der Klägerin vorgelegte CMR-Frachtbrief für die Anschlussstrecke Litauen-Moskau wird den Anforderungen an das von Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verlangte Beförderungspapier nicht gerecht. Denn nach den Feststellungen des FG enthielt dieser, so wie er dem HZA zunächst vorgelegt worden ist, keine Unterschrift des Frachtführers. Diese ist indes für die Nachweisfunktion des Frachtbriefes —anders als möglicherweise etwa Angaben über die Beförderungskosten und anders als die, wie das HZA mit Recht anmerkt, anderweit ohnehin vorzulegende Ankunftsbestätigung des Abnehmers— unverzichtbar; ohne diese wäre das Beförderungspapier nicht mehr als ein substantiierter Beförderungsplan des Versenders, anhand dessen die tatsächliche Durchführung der so geplanten Beförderung schwerlich „festgestellt” werden kann.
Selbst wenn im Streitfall die Voraussetzungen vorliegen mögen, unter denen die Unterschrift des Frachtführers durch einen Stempelabdruck hat ersetzt werden können, so ist doch nicht festgestellt und nicht einmal behauptet, dass dies in gehöriger Form, nämlich durch einen Faksimilestempel der Unterschrift des Frachtführers, geschehen wäre.
Ob eine erst nach Ablauf der in Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 festgesetzten Frist erfolgte Ergänzung des Frachtbriefes um Eintragungen, die in ihm hätten enthalten sein müssen, ungeachtet des Fristablaufs noch berücksichtigt werden kann, hat der Senat in vorgenannter Entscheidung dahinstehen lassen. Diese Frage ist indes offensichtlich zu verneinen. Das Gemeinschaftsrecht enthält differenzierte Regelungen darüber, unter welchen Umständen die Überschreitung der vorgeschriebenen Vorlagefristen entschuldigt bzw. diese verlängert werden können (vgl. Art. 47 Abs. 4 VO Nr. 3665/87). Diese Regelungen wären sinnlos, wenn ihrer ungeachtet das HZA nachträglich vorgelegte Unterlagen bei seiner Entscheidung über die Gewährung einer Erstattung berücksichtigen müsste. Überdies liegt auf der Hand, dass in einem —auch im Interesse der Exporteure— auf schnelle Abwicklung angelegten Massenverfahren aufgestellte formelle Regeln wie die, wann welche Unterlagen vorzulegen sind, grundsätzlich strikter Beachtung bedürfen und nicht etwa beiseite geschoben werden können, wenn in dem einen oder anderen Fall klar zu Tage getreten ist, dass die materiellen Erstattungsvoraussetzungen gegeben sind und nunmehr auch formgerecht nachgewiesen werden können.
Der Umstand, dass das HZA zunächst die vorgelegten angeblichen Beförderungspapiere unter den von dem erkennenden Senat für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkten nicht beanstandet hat, sondern sich dazu erst nach Ablauf der Vorlagefrist geäußert hat, rechtfertigt es nicht, der Klägerin die ihr als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung endgültig zu belassen (vgl. auch dazu schon das Urteil in BFHE 206, 488, ZfZ 2005, 23). § 25 VwVfG kommt der Klägerin nicht zugute, weil die Vorlage des Beförderungspapiers nicht im Sinne dieser Vorschrift —aus der insofern maßgeblichen Sicht des HZA— offensichtlich nur versehentlich bzw. aus Rechtsunkenntnis unterblieben ist, sondern das HZA davon ausgehen konnte, dass die mit den Vorschriften des Erstattungsrechts vertraute Klägerin das vorgelegte Papier nach Prüfung für ausreichend hielt, den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu genügen, wie es nach ihrem Klagevortrag ja auch tatsächlich der Fall war.
Der Senat kann, da die Anwendung der Vorschrift schon daran scheitert, auch in dieser Entscheidung unerörtert lassen, ob § 25 VwVfG vom HZA verlangt, die ihm eingereichten Unterlagen vor Ablauf etwaiger Fristen zu prüfen, um dem Erstattungsantragsteller ggf. eine Vervollständigung seiner Antragsunterlagen vor Fristablauf zu ermöglichen, und ob eine etwaige Verletzung sich aus § 25 VwVfG ergebender Verfahrenspflichten des nationalen Rechts dazu führen würde, dass trotz Fehlens der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Erstattungsvoraussetzungen Ausfuhrerstattung zu gewähren ist.
Der erkennende Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) besteht daher nicht (vgl. 283/81 —C.I.L.F.I.T.—, EuGHE 1982, 3415).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2802 Nr. 51
BFH/NV 2007 S. 181 Nr. 1
DStRE 2007 S. 107 Nr. 2
HFR 2007 S. 108 Nr. 2
RIW 2007 S. 73 Nr. 1
StB 2007 S. 4 Nr. 1
StBW 2007 S. 7 Nr. 1
CAAAC-31207