BFH Beschluss v. - VII B 252/05

Keine Stromsteuervergünstigung für Abwasseraufbereitung

Gesetze: StromStG § 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein Abwasserreinigungsverband, dessen Mitglieder mehrere Gemeinden sind. Seine Aufgabe besteht darin, das verschmutzte Wasser von Industrie- bzw. Gewerbebetrieben und von über 14 000 Einwohnern, einschließlich des in das Abwassersystem eingeleiteten Regen- und Grundwassers, mittels verschiedener Methoden und unter Einsatz von chemischen Zusätzen zu reinigen und das auf diese Weise gereinigte Wasser wieder dem Wasserkreislauf zuzuführen. Dabei entstehen jährlich ca. 1 000 Tonnen gepresster Schlamm, der als Kompost und Düngemittel vermarktet und u.a. an Landwirte und Gärtnereien verkauft wird. Die Einnahmen aus diesem Geschäft betragen jährlich ca. 100 000 DM. Ausweislich der Ansätze im Haushaltsplan 1999 beliefen sich die veranschlagten Betriebskosten auf ca. 749 000 DM, die Kapitalkosten auf ca. 700 000 DM.

Den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom gemäß § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom (BGBl I S. 378) lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) mit der Begründung ab, dass das Unternehmen des Klägers nicht zum Produzierenden Gewerbe gehöre. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Abwasseraufbereitung nicht zum verarbeitenden Gewerbe i.S. von Abschnitt D der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 1993 (WZ 93) —Klassifikation der Wirtschaftszweige— gehöre. Unter Anwendung der Vorbemerkungen 3.1. und 3.3. der Klassifikation der Wirtschaftszweige und § 15 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) stelle der Dienstleistungsbereich, nämlich die Abwasserbeseitigung, aufgrund der Höhe der erzielten Erlöse die Haupttätigkeit dar, die dem Abschnitt O, Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen, Abwasser- und Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung, Kompostierungsanlagen (Unterklasse 90.00.4 der Klassifikation der Wirtschaftszweige) zuzuordnen sei. Der ganz überwiegende Teil der Wertschöpfung des Gesamtbetriebes des Klägers stamme somit aus dem Dienstleistungsbereich. Bei dieser Betrachtung sei unerheblich, ob das Unternehmen des Klägers aus ökologischen Gesichtspunkten eine Förderung verdiene. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe, sei die Verweisung in § 9 Abs. 3 StromStG und § 15 Abs. 1 Satz 2 StromStV auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere verletze sie nicht das Bestimmtheitsgebot.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Tätigkeit des Klägers unter den Begriff eines Unternehmens i.S. von § 2 Nr. 3 StromStG falle und ob das dort benannte Tatbestandsmerkmal „Unternehmen des Produzierenden Gewerbes” auf einen Teil der Wasserversorgungswirtschaft beschränkt sei oder die gesamte Wasserversorgungswirtschaft umfasse. Der gesamte Wasserkreislauf sei einheitlich zu behandeln. Bei der Tätigkeit des Klägers überwiege die Aufbereitung von Grund- und Oberflächenwasser zu Wasser von Trinkqualität. Zweifelsfrei stehe fest, dass der Kläger Grund-, Quell- und Oberflächenwasser aufbereite und durch Leitungen an den Naturkreislauf verteile. Als Wassergewinnung falle diese Tätigkeit unter die Wasserversorgung i.S. von Abschnitt E der Klassifikation der Wirtschaftszweige. Dem , 1 BvR 905/00 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 572) sei für den Streitfall nichts zu entnehmen, denn das BVerfG habe die Klassifikation der Wirtschaftszweige in keiner Weise überprüft und auch die Zuordnung von Unternehmen nicht berücksichtigt.

Der Betrieb einer Kläranlage werde in Abschnitt O ausdrücklich der Unterklasse 90.00.1 zugeordnet. Nach den Erläuterungen umfasse diese Unterklasse die Behandlung von Abwasser aus Haushalten, Industrie und sonstigen Einrichtungen nach mechanischen, biologischen und weitergehenden Verfahren. Ausdrücklich ausgenommen sei die Wasserversorgung, die der Kläger als Haupttätigkeit betreibe. In § 2 Nr. 3 StromStG werde die Wasserversorgungswirtschaft ausdrücklich zum Produzierenden Gewerbe gezählt. Indem die Klassifikation der Wirtschaftszweige in Abschnitt E (Untergruppen 41.00.1 und 41.00.2) die Gewinnung und Aufbereitung von Grund- und Oberflächenwasser zu Trink- und Gebrauchswasser als Wasserversorgung, dagegen die Behandlung von Abwasser in Abschnitt O als Dienstleistung erfasse, ergebe sich ein Widerspruch. Es stelle sich deshalb die weitere Rechtsfrage, ob die stromsteuerliche Ungleichbehandlung von zwei Teilen der Wasserversorgungswirtschaft, die beide Grund- und Oberflächenwasser bearbeiteten, gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) normierten Gleichheitssatz verstoße.

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen und hält diese für unzulässig. Mit seinem Vorbringen wende sich der Kläger lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung ohne das Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer Rechtsfrage darzustellen. Zudem lasse die Beschwerde die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unberücksichtigt. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger das aufbereitete Wasser nicht verteile, wie dies für die Zuordnung einer Tätigkeit in Abschnitt E erforderlich sei.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob seine Tätigkeit unter den Begriff des „Unternehmens des Produzierenden Gewerbes” i.S. von § 2 Nr. 3 StromStG falle, ist auf den Einzelfall bezogen und lässt ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung dieser Frage nicht erkennen. Im Kern seines Vorbringens wendet sich der Kläger gegen die vermeintlich rechtsfehlerhafte Gewichtung des Schwerpunktes seiner Tätigkeit durch das FG, das verkannt habe, dass er hauptsächlich Grund-, Quell- und Oberflächenwasser aufbereite und auf dem Gebiet der Wasserversorgungswirtschaft tätig sei. Gegen die entgegenstehenden Feststellungen des FG, dass nämlich der Kläger aufgrund der Umsatzerlöse aus der Abwasserbeseitigung den ganz überwiegenden Teil der Wertschöpfung des Gesamtbetriebes im Bereich des Dienstleistungssektors erwirtschafte, hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben. Daher kann sein Vortrag, das FG habe § 2 Nr. 3 StromStG auf den Streitfall rechtsfehlerhaft angewandt, nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn mögliche Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24, m.w.N.).

3. Die grundsätzliche Bedeutung der weiteren Rechtsfrage, ob der in § 2 Nr. 3 StromStG verwendete Begriff „Unternehmen des Produzierenden Gewerbes” auf einen Teil der Wasserversorgungwirtschaft beschränkt sei, wird von der Beschwerde ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Die bloße Behauptung, die Streitfrage werde für eine Vielzahl gleichgelagerter Sachverhalte bedeutsam sein, genügt hierzu nicht. Im Übrigen gibt der Kläger mit seiner Fragestellung den Wortlaut von § 2 Nr. 3 StromStG nur unvollständig wieder. Denn es reicht nicht aus, dass ein Unternehmen der Wasserversorgungswirtschaft angehört, sondern es muss gleichzeitig überwiegend eine Tätigkeit ausüben, die einem entsprechenden Wirtschaftszweig der Klassifikation der Wirtschaftszweige zugeordnet werden kann. Ohne Berücksichtigung dieser entscheidenden Vorgaben wäre die von dem Kläger zur Anwendung von § 2 Nr. 3 StromStG aufgeworfene Frage einer allgemeingültigen Klärung überhaupt nicht fähig.

4. Schließlich vermag auch die Behauptung einer gleichheitswidrigen Typisierung von Unternehmen, die mit der Aufbereitung von Grund-, Quell- und Oberflächenwasser befasst sind, gegenüber Unternehmen, die Abwasser beseitigen, nicht zu einer Zulassung der Revision zu führen. Denn die bloße Behauptung, eine Regelung sei verfassungswidrig, rechtfertigt für sich die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht, sofern die Verfassungswidrigkeit nicht offenkundig ist (, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil und den beanstandeten Regelungen (BFH-Beschlüsse vom VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere lässt sie nicht deutlich erkennen, welche gesetzliche Norm einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen werden soll. Ihre Fragestellung lässt vielmehr die Deutung zu, dass der Kläger einen Verfassungsverstoß in der vermeintlich widersprüchlichen Einstufung von Unternehmen der Wasserversorgungswirtschaft in die Abschnitte E und O der Klassifikation der Wirtschaftszweige sieht. Die zu statistischen Zwecken getroffenen Festlegungen in der vom statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation wären als solche einer verfassungsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht zugänglich.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 112 Nr. 1
KAAAC-25589