Bindung an die Bescheinigung der Gemeinde; Aussetzung der Vollziehung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Gesetze: InvZulG § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b; FGO § 69, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) errichtete in den Jahren 1999 und 2000 in L ein Wohnhaus. Sie beantragte für Teilherstellungskosten im Kalenderjahr 1999 eine Investitionszulage.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 ist die Herstellung eines Gebäudes nur begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Herstellung in
- einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch (BauGB),
- einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB oder
- in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet i.S. des § 7 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) festgesetzt ist oder das aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) forderte die Klägerin deshalb auf, eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde zu übersenden.
Die Klägerin übermittelte eine Bescheinigung, die das Datum , den Namen der Sachbearbeiterin und das Siegel des Amtes L trägt. Es handelt sich um einen Vordruck, in dem die drei Alternativen der Belegenheit des Grundstücks aufgeführt sind. Die zutreffende Alternative ist durch Ankreuzen eines Kästchens zu kennzeichnen. In der von der Klägerin übermittelten Bescheinigung ist die dritte Alternative angekreuzt (Kerngebiet oder diesem Gebiet entsprechende Bebauung). Unter den drei vorgedruckten Alternativen ist handschriftlich ergänzt und ebenfalls angekreuzt: „im Geltungsbereich der Innenbereichssatzung gem. § 34 BauGB”.
Das FA setzte daraufhin die Investitionszulage für das Jahr 1999 in Höhe von 11 350 DM fest.
Auf den Investitionszulagenantrag für das Jahr 2000 führte das FA eine Investitionszulagensonderprüfung durch. Auf telefonische Nachfrage der Sonderprüferin erklärte die Sachbearbeiterin, welche die Bescheinigung ausgestellt hatte, da kein Bebauungsplan aufgestellt worden sei, könne nicht bestätigt werden, dass das Gebäude in einem Kerngebiet i.S. des § 7 BauNVO liege. Sie, die Bearbeiterin, habe das Formular auch nicht entsprechend angekreuzt, sondern den Vordruck handschriftlich ergänzt und ausdrücklich auf die Innenbereichssatzung hingewiesen. Nach Ansicht der Prüferin stand der Klägerin daher für die Jahre 1999 und 2000 keine Investitionszulage zu.
Das FA folgte der Auffassung der Prüferin. Durch Änderungsbescheid vom setzte es die Investitionszulage für das Jahr 1999 auf 0 DM herab und setzte Zinsen für den Rückforderungsbetrag fest. Die Investitionszulage für das Jahr 2000 setzte das FA ebenfalls auf 0 DM fest (Bescheid vom ). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies nach Vernehmung der Sachbearbeiterin als Zeugin die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus:
Die Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 sei materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage. Das FA habe die Bescheinigung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht nachzuprüfen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handele (, BFH/NV 2003, 1218). Dies gelte jedoch nur für Bescheinigungen, welche die Behörde tatsächlich ausgestellt habe. Bescheinigungen, die gefälscht oder von Dritten nachträglich verändert worden seien, komme keine Bindungswirkung zu.
Die Klägerin habe den Belegenheitsnachweis i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 nicht erbracht. Es, das FG, sei nicht davon überzeugt, dass die Gemeindebehörde die Belegenheit des Mietwohngebäudes in einem Gebiet i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 bescheinigt habe. Die Sachbearbeiterin habe nach ihrer glaubhaften Aussage die entsprechende Alternative des Formulars bei der Bearbeitung nicht angekreuzt, sondern mangels Einschlägigkeit der vorgegebenen Möglichkeiten den Vordruck durch eine eigene Formulierung ergänzt. Auch sei das Kreuz augenscheinlich unter Verwendung eines anderen Stifts angebracht worden, was dafür spreche, dass nicht die Sachbearbeiterin dieses Kreuz gesetzt habe. Es sei auch ausgeschlossen, dass der Amtsleiter bei der Unterschriftsleistung die Bescheinigung durch Ankreuzen ergänzt habe. Denn der Amtsleiter habe ebenfalls einen anderen Stift verwendet. Eine Änderung der Bescheinigung durch den Amtsdirektor anlässlich des Anbringens des Dienstsiegels erscheine unwahrscheinlich. Denn das Anbringen des Siegels diene nur der Wahrung der Förmlichkeiten. Der Inhalt der Bescheinigung werde in der Regel nicht überprüft. Da die festgestellten Tatsachen für eine nachträgliche Veränderung der Bescheinigung durch einen Dritten sprächen und die Zweifel an der Echtheit der Bescheinigung nicht aufgeklärt werden könnten, ergehe die Entscheidung zu Lasten der Klägerin, welche die objektive Beweislast für die den Anspruch begründenden Tatsachen trage.
Gegen das Urteil des FG hat die Klägerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben, die beim Senat unter dem Aktenzeichen III B 183/05 anhängig ist.
Außerdem beantragte sie beim FA, weiterhin Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Das FA lehnte den Antrag ab (Bescheid vom ). Den dagegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
Nachdem das FA mit Schreiben vom die Vollstreckung angekündigt hatte, beantragte die Klägerin beim BFH, die Vollziehung des Bescheids vom (Rückforderung der Investitionszulage und Festsetzung der Zinsen) auszusetzen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Beschwerdebegründung, die ihrer Ansicht nach ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Änderungs- und Zinsbescheid aufkommen ließen.
Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Revision sei vorrangig zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Grundsätzlich sei hier die Frage zu klären, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 vorlägen. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Nachweis sei durch die vorgelegte Bescheinigung erbracht worden. Da keine Aktenausfertigung oder Kopie der Bescheinigung vorhanden sei, mit der nachgewiesen werden könne, in welcher Form das Schreiben erstellt worden sei, sei die Beweislast auf die Gemeinde übergegangen. Nach dem Beschluss des BFH in BFH/NV 2003, 1218 sei die Bescheinigung der Gemeindebehörde materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage und unterliege weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörde. Das FG habe jedoch die in der Bescheinigung ausgewiesenen Tatsachen nachgeprüft. Dies widerspreche dem vom BFH aufgestellten Überprüfungsverbot.
In einem nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin weiter ausgeführt, es sei zu klären, ob das FG für die Prüfung zuständig sei, wie die Grundlagenentscheidung der Gemeindebehörde zustande gekommen sei.
II. 1. Der Antrag ist gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 bzw. Satz 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Denn das FA hat den bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt und die Vollstreckung angekündigt.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung —wie im vorliegenden Fall— während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH gestellt, können die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids i.S. von § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO nur dann bestehen, wenn ernstlich mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist (Senatsbeschluss vom III S 24/05, BFH/NV 2006, 486).
b) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Eine Abweichung, welche die Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erfordern könnte, ist nicht erkennbar.
Eine Divergenz zur Rechtsprechung des BFH liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von dem tragenden Rechtssatz einer BFH-Entscheidung abweicht. Das FG ist aber ebenso wie der Senat in seinem Beschluss in BFH/NV 2003, 1218 von der Bindung an die Bescheinigung der Gemeindebehörde ausgegangen und hat die Bindung lediglich für den Fall der Vorlage einer gefälschten oder von einem Dritten nachträglich veränderten Bescheinigung verneint. Zu dieser Gestaltung enthält der zitierte Beschluss des Senats indes keine Aussage.
c) Es ist auch nicht ernstlich damit zu rechnen, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen wird. Abgesehen davon, dass sich die Klägerin hierauf nicht ausdrücklich berufen hat, entsprechen ihre Ausführungen auch nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Beruft sich der Beschwerdeführer auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, muss er innerhalb der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde eine für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche Rechtsfrage herausstellen und konkret darauf eingehen, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (, BFH/NV 2006, 1053, m.w.N.). Der bloße Hinweis, die Auffassung des FG sei rechtlich unzutreffend, genügt dazu nicht (Beschluss des Senats vom III B 170/05, BFH/NV 2006, 1090).
In ihrem Schriftsatz vom hat die Klägerin keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dargelegt. Ihr Hinweis, die Beweislast sei ihrer Ansicht nach auf die Gemeinde übergegangen, genügt nicht. Die Ausführungen der Klägerin in dem am beim BFH eingegangenen Schriftsatz können schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil der Schriftsatz nach Ablauf der (verlängerten) Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 FGO) eingegangen ist (z.B. , BFH/NV 2006, 772, m.w.N.).
d) Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht wegen unbilliger Härte der Vollziehung i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO geboten. Die Klägerin hat keine Billigkeitsgründe geltend gemacht. Solche Gründe sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2309 Nr. 12
HAAAC-17276