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Degressive Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG bei Alten- und Pflegeheimen

Bezug:

Die Gewährung der degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG setzt voraus, dass die betreffenden Gebäude/Gebäudeteile Wohnzwecken dienen.

I. „Wohnzwecken dienen”

Ein Gebäude oder Gebäudeteil dient Wohnzwecken im Sinne des § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG, wenn es dazu geeignet und bestimmt ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Dies setzt die Eignung der betreffenden Räume zur eigenständigen Haushaltsführung und die tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft der Bewohner über sie voraus.

Es kommt nicht darauf an, ob die Anmietung durch den jeweiligen Heimbewohner (Endnutzer) unmittelbar vom Eigentümer oder von einem Zwischenmieter (Heimbetreiber) erfolgt. Vielmehr ist auf die tatsächliche Verwendung durch den jeweiligen Heimbewohner abzustellen.

Eine Eigentumswohnung, die in der Wohnform des „betreuten Wohnens” genutzt wird, dient regelmäßig Wohnzwecken. Auch Gebäude, in denen Bewohner gepflegt werden, können Wohnzwecken dienen. Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetzeszweck des § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG, das Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu verstärken und eine verbesserte Versorgung mit Mietwohnungen zu erreichen. Dieser Gesetzeszweck wird unabhängig davon erreicht, ob und in welchem Umfang der Bewohner in den als förderungswürdig eingestuften Räumen neben dem Wohnen weitere Betreuungs- oder Pflegeleistungen in Anspruch nimmt. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass solche Leistungen erst im Zuge sich verändernder Lebensbedürfnisse im bisherigen Wohnumfeld in Anspruch genommen werden, sondern auch im Falle des Umzugs in eine Einrichtung für „betreutes Wohnen” oder eine Pflegeeinrichtung (, BStBl 2004 II S. 225).

Eine auf Dauer anlegte Überlassung liegt vor, wenn das konkrete Mietverhältnis nach den Vorstellungen des Vermieters länger als sechs Monate dauern soll (, BStBl 2006 II S. 561).

II. Eigenständige Haushaltsführung

Räume, die Wohnzwecken dienen, müssen als Mindestausstattung eine Heizung, eine Küche, ein Bad und eine Toilette enthalten. Die überlassenen Wohneinheiten müssen jedoch nicht die Merkmale des Wohnungsbegriffs im bewertungsrechtlichen Sinn erfüllen (Abgeschlossenheit, Wohnraum, Küche, Bad/WC). Das Merkmal „Wohnwecken dienen” kann auch erfüllt sein, wenn die Bewohner Küche und Bad/WC gemeinsam nutzen (, BStBl 2006 II S. 559).

Die Haushaltsführung von Bewohnern eines Seniorenpflegeheims ist allgemein in der Weise eingeschränkt, dass sie die Hauptmahlzeiten regelmäßig nicht mehr selbst zubereiten, da ihnen die Gemeinschaftsverpflegung zusteht. Eine Küchenkombination oder ein Kochschrank reichen in Alten(wohn)heimen daher als Kochgelegenheit aus (, BStBl 2004 II S. 223). Ebenfalls ausreichend ist, dass die Bewohner die Möglichkeit haben, eine Kochgelegenheit in ihrem Zimmer einzurichten oder Mahlzeiten in einer Gemeinschaftsküche zuzubereiten (, a.a.O.).

III. Tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft

Der entschieden, dass keine tatsächliche Sachherrschaft über ein Pflegezimmer ausgeübt wird, wenn die Übernachtung von Gästen der Zustimmung der Heimverwaltung bedarf und zudem das Haus über eine sog. Notschließanlage verfügt, die das Betreten der Pflegezimmer ermöglicht, auch wenn die Tür von innen verschlossen ist und der Schlüssel steckt.

Aufgrund dieser beiden Merkmale konnte in dem Urteilsfall die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG nicht gewährt werden. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass nach Baurecht Gebäude, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen, zu den im reinen Wohngebiet zulässigen Wohngebäuden gehören. Die baurechtliche Zulässigkeit eines Gebäudes ist für die steuerrechtliche Beurteilung, ob ein Pflegezimmer Wohnzwecken dient, unerheblich.

Die gegen das o.g. BFH-Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das nicht zur Entscheidung angenommen.

Allein die Möglichkeit, dass das Pflegepersonal in einem Pflegeheim Zutritt zum Wohnraum des pflegebedürftigen Bewohners hat, führt jedoch noch nicht zur Verneinung der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft. Denn wer in ein Pflegeheim zieht, wird regelmäßig sein stillschweigendes Einverständnis geben, dass das Personal zur Pflege und Betreuung den Wohnraum betreten darf (, a.a.O.).

In einem weiteren vom BStBl 2004 II S. 221) entschiedenen Fall wurde ebenfalls keine tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt, da die Unterkunft lediglich als Teil bzw. Voraussetzung für die Pflege und Versorgung der Heimbewohner diente. Als Unterkunft wurde nach dem Heimvertrag nicht auf Dauer ein bestimmtes Zimmer in bestimmter Größe oder Ausstattung zur Verfügung gestellt, sondern im Ergebnis lediglich Unterkunft in irgendeinem vom Betreiber zu bestimmenden Zimmer der Pflegegebäude mit beliebiger Ausstattung und Größe. Dem Betreiber blieb die jederzeitige Verlegung des Heimbewohners vorbehalten. Die Inanspruchnahme der wesentlichen Regelleistungen des Heimes infolge Pflegebedürftigkeit gehörte zur Geschäftsgrundlage des Heimvertrages. Dieser war bei Wegfall der Notwendigkeit der Betreuung und Pflege aufzulösen. Es handelte sich mithin nicht um einen Mietvertrag. Der Bewohner konnte in seiner Unterkunft nicht auf Dauer wohnen und andere von der Nutzung ausschließen, seine Unterkunft stand zur Disposition des Heimbetreibers.

IV. Im Gemeinschaftseigentum stehende Räume

Für im Miteigentum der Steuerpflichtigen stehendes gemeinschaftliches Eigentum ist zu prüfen, ob es in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den zu Wohn- und Pflegezwecken genutzten Räumen steht und damit ein unselbständiger Teil dieses Wirtschaftsguts ist, für das einheitlich AfA nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG zu gewähren ist, oder ob zwei selbständige Wirtschaftsgüter vorliegen, für die § 7 Abs. 4 und Abs. 5 EStG jeweils gesondert entsprechend anzuwenden sind. Zwei selbständige Wirtschaftsgüter sind anzunehmen, wenn Mehrzweckräume wie Cafeteria, Gruppenräume, Werkraum und Gästeappartement nicht Wohnzwecken der Bewohner, sondern in erster Linie dem Betrieb als solchem dienen. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Mehrzweckräume außergewöhnlich umfangreich sind oder wenn diese regelmäßig durch andere Personengruppen neben den Bewohnern und deren Besuchern genutzt werden (vgl. , a.a.O.).

V. Beweislastregeln

Die Bestimmung der AfA-Methode beim Eigentümer ist von der jeweiligen Gestaltung des Heimvertrages zwischen dem Endnutzer und der Heimverwaltung abhängig. Der Eigentümer muss daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die von ihm begehrte AfA-Methode nachweisen.

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Fundstelle(n):
FAAAC-17054