BSG Urteil v. - B 1 KR 6/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 51

Instanzenzug: SG Mannheim vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein auf Verlangen der Krankenkasse gestellter Antrag auf Gewährung von Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation (im Folgenden: Reha-Antrag) als Rentenantrag gilt.

Der Kläger ist Alleinerbe der 1941 geborenen, am verstorbenen Versicherten U. W. (W.), die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und bei der beklagten Krankenkasse versichert war. W. litt an einer Krebserkrankung, war seit arbeitsunfähig krank und bezog ab Krankengeld. Mit Wirkung vom an ließ W. ihre Arbeitsunfähigkeit nicht mehr ärztlich attestieren, sondern nahm Erholungsurlaub und erhielt Urlaubsentgelt. Auf Grund eines mit ihrem Arbeitgeber am geschlossenen Aufhebungsvertrags schied W. sodann am aus dem Arbeitsverhältnis aus und zwar mit dem Ziel, tarifvertraglich vorgesehenes sog "Überbrückungsgeld" zu erhalten. Diese laufend in Höhe von 75 vH des letzten Bruttomonatsentgelts bemessenen Leistungen standen nach dem Vorbringen des Klägers Beschäftigten zu, die vor Vollendung des 55. Lebensjahres betriebsbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, und wurden dem Betroffenen zeitlich begrenzt, längstens bis zu seiner Berentung, gewährt; Entgeltersatzleistungen waren darauf anzurechnen.

Vom bis zahlte der Arbeitgeber an W. insgesamt 38.867,53 DM Überbrückungsgeld aus. Nach Festsetzung einer Sperrzeit bezog sie vom bis ferner Arbeitslosengeld sowie vom 10. bis Krankengeld.

Die Beklagte forderte W. mit Schreiben vom unter Hinweis auf § 51 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf, innerhalb von zehn Wochen einen Reha-Antrag zu stellen; bei W. könne dauernde Erwerbsunfähigkeit ohne Rehabilitationsmaßnahmen nicht abgewendet werden, wie sich aus einem vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstellten Gutachten ergebe. Das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Schreiben enthielt den Hinweis, dass der Reha-Antrag als Rentenantrag gelte, wenn Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliege und Rehabilitationsmaßnahmen nicht angezeigt seien. Auf Grund des daraufhin am bei der zum Rechtsstreit beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellten Reha-Antrags befand sich W. im Februar/März 1997 in einem Heilverfahren. Der bei Entlassung der W. erstellte ärztliche Bericht führt aus, sie sei wegen ihres fortgeschrittenen Leidens nicht mehr erwerbsfähig.

Mit Schreiben vom wurde W. von der Beigeladenen auf § 116 Abs 2 Nr 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie darauf hingewiesen, dass ein Versicherter bestimmen könne, dass sein Reha-Antrag nicht als Rentenantrag gelten solle; ein Versicherter, den seine Krankenkasse als Krankengeldbezieher aufgefordert habe, einen Reha-Antrag zu stellen, sei in der Ausübung dieses Gestaltungsrechts jedoch eingeschränkt; denn die Krankenkasse müsse sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklären. Daraufhin beantragte W. Ende Juni 1997, dass die Beklagte ihre Zustimmung dazu zu erteilen möge, dass der Reha-Antrag vom nicht als Rentenantrag gelte: Ihr sei nicht klar gewesen, dass sie wegen des Reha-Antrages über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung und damit den Rentenbeginn nicht mehr habe disponieren können; da das Überbrückungsgeld wesentlich höher sei als die Rente, wolle sie dieses möglichst voll ausschöpfen; sie habe zudem bereits seit kein Krankengeld mehr bezogen; bei vorzeitiger Rentengewährung müsse sie ihrem Arbeitgeber auch Überbrückungsgeld in erheblicher Höhe erstatten.

Die Beklagte lehnte gegenüber W. bzw - nach deren Tod - gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger die Erteilung ihrer Zustimmung ab: Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Disposition der Versicherten seien auch die berechtigten Interessen der Krankenkasse bedeutsam. Eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs, die das Bundessozialgericht (BSG) allein als berechtigtes Interesse für das Herausschieben des Rentenbeginns anerkannt habe, sei für W. nicht ausschlaggebend gewesen (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

Die Beigeladene bewilligte dem Kläger als Rechtsnachfolger der W. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom an (Bescheid vom ). Mit Rücksicht auf von der Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) für Arbeit, der Beklagten sowie dem Arbeitgeber der W. geltend gemachte Erstattungsansprüche unterblieb eine Auszahlung des Rentennachzahlungsbetrages (= DM 19.243,56) an den Kläger. Dem Arbeitgeber zahlte die Beigeladene 5.219,41 DM aus; er verlangt vom Kläger darüber hinaus Überbrückungsgeld-Rückzahlungen von 33.648,12 DM. Über den eingelegten Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid, mit dem er gleichfalls geltend macht, der Reha-Antrag der W. dürfe nicht als Rentenantrag gelten, ist bisher nicht entschieden worden.

Die Klage gegen die von der Beklagten abgelehnte Zustimmung zum Entfallen der Rentenantragsfiktion ist erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen, da die Beklagte ihre Zustimmung nicht ermessensfehlerhaft verweigert habe. W. habe kein berechtigtes Interesse an der getroffenen Disposition gehabt, nichts anderes könne für den Kläger als Rechtsnachfolger gelten. Die sich aus der Antragstellung der W. ergebende Position könne vom Kläger weiterverfolgt werden, zumal der Rentenbescheid nicht bestandskräftig sei. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe zwar der fiktive Rentenantrag grundsätzlich zurückgenommen werden und der Versicherte erklären, dass der Reha-Antrag nicht als Rentenantrag gelten solle. Sei der Versicherte aber von seiner Krankenkasse zur Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen aufgefordert worden, müsse die Kasse seiner Rücknahme des fiktiven Rentenantrags zustimmen. Ohne solche Zustimmung sei die Rücknahme nur wirksam, wenn die Kasse die Reha-Antragstellung bei rechtmäßiger Ermessensausübung nicht habe verlangen dürfen. Hier folge die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Beklagten aus dem Ergebnis des MDK-Gutachtens, auch sei ihr Festhalten daran nicht ermessensfehlerhaft. Ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Versicherungsfalls durch den Versicherten komme vor allem in Betracht, wenn damit eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werde; die Aussicht auf das tarifliche Überbrückungsgeld stehe dem nicht gleich. Dass es der Beklagten darum gehe, Krankengeld erstattet zu bekommen und sie einen Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit berücksichtigt habe, sei nicht zu beanstanden; schon das der W. gewährte Arbeitslosengeld sei auf das Überbrückungsgeld anzurechnen gewesen (Urteil vom ).

Mit seiner Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung des § 51 SGB V. Ihm entstehe allein durch die Anrechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf das tarifliche Überbrückungsgeld ein Schaden von 23.467,63 DM; selbst wenn man das von der Beklagten gezahlte Krankengeld und das von der Bundesanstalt für Arbeit geleistete Arbeitslosengeld berücksichtige, verbleibe ihm ein Schaden von ca 10.000 DM, zu dem offene Rückzahlungsansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung hinzukämen. Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie sich ihres Ermessens gar nicht bewusst gewesen sei bzw die Interessen der W. nicht angemessen berücksichtigt habe. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten dürfe nicht nur bei einer Verbesserung seines Rentenanspruchs bejaht werden. Gleiches müsse gelten, wenn der Versicherte bei Abwägung seiner Lebens- und Einkommensplanung zu dem Ergebnis komme, dass ihm bei einer Verlagerung des Rentenanspruchs in die Zukunft erheblich höhere Leistungen verblieben als bei einer Rentengewährung. Den berechtigten Interessen der Leistungsträger müssten mindestens die voraussichtlichen Ansprüche der W. aus dem Arbeitsverhältnis und einer Zusatzversorgung sowie der Zahlbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegenüber gestellt werden. Von Bedeutung sei auch, dass die Beklagte in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft vorgegangen sei. Sie habe ihre Aufforderung an W. zur Stellung eines Reha-Antrages vom nicht mit dem Hinweis versehen, dass der Antrag unter bestimmten Voraussetzungen als Rentenantrag gelte; auch fehle eine deutliche Information darüber, dass W. damit über die Rentenantragstellung nicht mehr frei verfügen könne. W. sei erst im Juni 1997 von der Beigeladenen über das eingeschränkte Gestaltungsrecht informiert worden. Das LSG habe zudem verfahrensfehlerhaft die Beiladung der Bundesanstalt für Arbeit unterlassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, über den Antrag der Versicherten U. W. auf Rücknahme des fingierten Rentenantrags vom unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beigeladene äußert sich nicht.

II

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der angefochtenen Bescheide sowie der Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung (vgl § 131 Abs 3 SGG) begründet.

Die Weigerung der Beklagten, der Rücknahme des fingierten Rentenantrags der Versicherten W. vom zuzustimmen, ist ermessensfehlerhaft und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil die Zustimmung nicht mit der dafür gegebenen Begründung verweigert werden durfte. Die nachzuholende, nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand im Ergebnis offene rechtmäßige Entscheidung der Beklagten über die Erteilung ihrer Zustimmung erfordert, dass sie weitere Umstände berücksichtigt und diese angemessen gegenüber ihren eigenen Belangen gewichtet.

1. Allerdings ist dem LSG nicht schon ein Verfahrensfehler anzulasten, weil es die Bundesanstalt/Bundesagentur für Arbeit nicht zum Rechtsstreit beigeladen hat. Eine insoweit allein nach § 75 Abs 2 Fall 1 SGG in Betracht kommende notwendige Beiladung setzt voraus, dass an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist zwar in Bezug auf die BfA wegen ihrer vom Ergebnis der streitigen Entscheidung abhängenden eigenen Leistungspflicht der Fall (vgl BSG USK 81125; Niesel in: Kasseler Kommentar, § 116 SGB VI RdNr 11 mwN); denn der Beginn der Rentenleistungen auf Grund eines hinsichtlich seiner Wirksamkeit umstrittenen Leistungsantrags und das Ende der Leistungspflicht der Beklagten für das Krankengeld fallen untrennbar zusammen und können nur einheitlich beurteilt werden (vgl § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie Abs 2 Nr 1 SGB V, § 116 Abs 2 SGB VI). Demgegenüber führt der Umstand, dass ein anderer Sozialleistungsträger (hier: Bundesanstalt/Bundesagentur für Arbeit) ggf berechtigt ist, auf Leistungsansprüche des Versicherten zuzugreifen, die diesem möglicherweise wiederum gegen einen weiteren Leistungsträger zustehen, nicht schon zu einer notwendigen Beiladung des die Erstattung beanspruchenden Trägers (vgl BSG SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 17 f; BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104 mwN; BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 7 S 17 mwN; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 75 RdNr 11c). Eine notwendige Beiladung setzt nämlich die Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis zwischen beiden Parteien und dem Dritten voraus. Diese Identität fehlt bei hier im Raum stehenden, eigenständig zu beurteilenden Erstattungsansprüchen des Dritten gegen die BfA bzw gegen W.

2. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der am bei der BfA gestellte Reha-Antrag der Versicherten gemäß § 116 Abs 2 SGB VI grundsätzlich die Wirkung eines Antrages auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit haben konnte. Wäre dies auch hier zu bejahen, so würden die mit Rücksicht auf diese Antragstellung hin ab dem bewilligten Rentenleistungen (Bescheid der BfA vom ) grundsätzlich zum Ausschluss weiterer Krankengeldansprüche der W. von diesem Zeitpunkt an führen (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V). § 116 Abs 2 SGB VI bewirkt die gesetzliche Fiktion eines Rentenantrags und will für den Versicherten vor allem rentenrechtliche Nachteile ausschließen, welche sich daraus ergeben können, dass er - entsprechend dem Grundsatz Rehabilitation vor Rente - zunächst nur Reha-Leistungen, nicht aber auch Rente beantragt (vgl Begründung der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 179 zu § 117 des Entwurfs; BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 7; SozR 3-2600 § 75 Nr 1 S 3 mwN; ebenso zur Vorgängervorschrift des § 1241d Reichsversicherungsordnung <RVO>: BSG SozR 2200 § 1241d Nr 2; BSG SozR 1300 § 103 Nr 3, jeweils mwN). Die Fiktion kann allerdings auch - wie der Fall der Versicherten W. zeigt - belastende Wirkungen entfalten. Über den Ausschluss der in Verbindung mit den Regelungen des Krankenversicherungsrechts nachteiligen Wirkung des § 116 Abs 1 SGB VI konnten W. bzw nach ihrem Tod der Kläger als ihr Rechtsnachfolger allerdings noch begrenzt disponieren.

a) Das Eingreifen der Fiktion des § 116 Abs 2 SGB VI setzt ua voraus, dass der Versicherte erwerbsunfähig ist und Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die Erwerbsunfähigkeit nicht verhindert haben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG - von der Revision unangegriffen - festgestellt. § 116 Abs 2 SGB VI belässt dem Versicherten allerdings grundsätzlich das Recht, im Rahmen seiner allgemeinen Dispositionsbefugnis darüber, ob er bei antragsabhängigen Sozialleistungen (vgl § 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) einen Leistungsantrag stellen will oder nicht oder ob er einen gestellten Antrag wieder zurückzunehmen will, zu bestimmen, dass der Reha-Antrag nicht die Wirkung eines Rentenantrages haben soll (vgl BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 7 mwN). Demgemäß ist es nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich statthaft, einen Rentenantrag bis zum Ergehen eines Rentenbescheides und auch darüber hinaus - etwa bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist - zurückzunehmen (zusammenfassend: BSGE 76, 218, 221 ff = SozR 3-2500 § 50 Nr 3 S 9 ff mwN). Das gilt selbst dann, wenn damit der mit der Rentenbewilligung verbundene Wegfall einer anderen Sozialleistung verhindert wird, weil es sich nicht um einen nach den Grundsätzen des § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu beurteilenden Verzicht handelt (so BSGE 76, 218, 222 = SozR aaO S 10). Über einen einmal gestellten Leistungsantrag kann jedoch nicht mehr disponiert werden, wenn zB ein an einer möglichst späten Antragstellung wirtschaftlich interessierter anderer Leistungsträger mit dem Versicherten zu Lasten des ersten leistungspflichtigen Trägers kollusiv zusammenwirkt (BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 10).

b) Speziell im Schnittbereich der Leistungspflicht von Kranken- und Rentenversicherung kann die Dispositionsbefugnis des Versicherten unter einem weiteren Gesichtspunkt eingeschränkt sein. So kann eine Krankenkasse nach § 51 Abs 1 Satz 1 SGB V (hier noch anzuwenden idF des Gesetzes vom , BGBl I 2261) einem Versicherten, dessen Erwerbsfähigkeit - wie bei der Versicherten W. - nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb derer er einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation zu stellen hat. Stellt der Versicherte innerhalb der Frist den Reha-Antrag nicht, so entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist bzw lebt bei späterer Antragstellung erst mit diesem Zeitpunkt wieder auf (§ 51 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V). § 51 SGB V will iVm § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V zum einen die doppelte Gewährung von Sozialleistungen vermeiden und zum anderen eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungszuständigkeit von Kranken- und Rentenversicherung dahin vornehmen, dass Rentenzahlungen den Vorrang vor Krankengeldleistungen haben, weil es in erster Linie Aufgabe der Rentenversicherung ist, bei dauerhafter Erwerbsminderung mit Leistungen einzutreten (so zB Marschner, WzS 1996, 65 f; Buschmann, SGb 1996, 279). Der Krankenkasse wird durch die Aufforderung und Fristsetzung nach § 51 Abs 1 Satz 1 SGB V das Recht eingeräumt, Einfluss auf den Beginn der antragsabhängigen Rente wegen Erwerbsminderung zu nehmen (vgl § 99 Abs 1 SGB VI) und einen Wegfall ihrer Leistungszuständigkeit für das Krankengeld schon vor Erreichen der Anspruchshöchstdauer (vgl § 48 SGB V) zu bewirken. Um der Krankenkasse diesen Vorteil zu erhalten, hat das BSG in ständiger Rechtsprechung bereits zu § 183 Abs 7 und 8 RVO - den Vorgängerregelungen zu § 51 Abs 1 und 2 SGB V - entschieden, dass der Versicherte, der auf die Aufforderung der Krankenkasse hin einen entsprechenden Antrag gestellt hat, diesen Antrag wirksam nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse zurücknehmen bzw beschränken kann (vgl BSGE 52, 26, 29 ff = SozR 2200 § 1248 Nr 33; BSG USK 81171). Diese Rechtsprechung ist auch unter der Geltung des § 51 SGB V aufrechterhalten worden (vgl BSGE 76, 218, 223 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3 S 11).

c) Der Kritik, die die zitierte Rechtsprechung in der rentenrechtlichen Kommentarliteratur zum Teil erfahren hat, folgt der Senat nicht. Insoweit wird geltend gemacht, das SGB VI enthalte keine Regelungen, die in diesen Fällen die Antragsrücknahme ohne Zustimmung der Krankenkasse ausschlössen; da die Wirkungen einer unterbleibenden Antragstellung abschließend in § 51 Abs 3 SGB V geregelt seien, verstoße die gegenteilige Rechtsprechung gegen den in § 31 SGB I geregelten Vorbehalt des Gesetzes (so: Niesel in: Kasseler Kommentar, § 116 SGB VI RdNr 9, Stand November 2001 im Anschluss an Meyer in: Lueg/von Maydell/Ruland, GK-SGB VI § 116 RdNr 33 <ohne Angabe des Kommentierungsstandes, anders: Ebenhöch, ebenda, Kommentierungsstand Oktober 2001>). Gegen diese Ansicht spricht, dass die dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze auf einer langjährigen Judikatur des BSG beruhen, die bereits unter Geltung der RVO ergangen und unter dem SGB VI fortgeführt worden ist. Trotz Ablösung der RVO durch das SGB VI und obwohl inzwischen sogar § 116 Abs 1 SGB VI aufgehoben und § 116 Abs 2 SGB VI geändert worden sind (vgl Gesetz vom , BGBl I 1827), hat der Gesetzgeber - anders als in anderen Bereichen des Rentenversicherungsrechts - keine Regelungen geschaffen, mit denen die Rechtsprechung aufgegriffen und durch eine Gesetzesänderung obsolet gemacht wurde; dann aber kann unterstellt werden, dass die gewonnene Auslegung vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist. Im Übrigen stehen §§ 50 Abs 1 Satz 1, 51 Abs 1 SGB V sowie § 116 Abs 2 SGB VI in untrennbarem Zusammenhang. Würde die Krankenkasse die Befugnis, den Versicherten an einem einmal in einem korrekt verlaufenen Verwaltungsverfahren gestellten Rentenantrag festzuhalten, nicht besitzen, hätte es letztlich ein Krankengeldbezieher in der Hand, durch im Nachhinein abgegebene Erklärungen ohne besondere Voraussetzungen wiederum Einfluss auf den möglichst langen Bezug des regelmäßig höheren Krankengeldes zu nehmen; damit bestünde zumindest die Gefahr, dass das nach dem Gesetz bei bestimmten Bedarfslagen gewollte vorrangige Eingreifen von Rentenleistungen zweckwidrig verhindert werden könnte (vgl Marschner, WzS 1996, 66; Buschmann, SGb 1996, 279, 280; Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 51 RdNr 6). Die dargestellte BSG-Rechtsprechung setzt in diesem Sinne die Vorstellungen des Gesetzgebers konsequent um, berücksichtigt aber andererseits - wie darzustellen ist -, dass mit Blick auf § 2 Abs 2 SGB I auch die Belange der Versicherten im Rahmen einer Interessenabwägung angemessen zu gewichten sind. Der Senat hält daher an den Rechtsprechungsgrundsätzen fest.

d) Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte in einem Fall, in dem die Wirksamkeit der Reha-Antragsrücknahme bzw der Ausschluss der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs 2 SGB VI von der Zustimmung der Krankenkasse abhängt, eine förmliche Entscheidung der Kasse darüber herbeiführen, ob sie diese Zustimmung erteilt oder nicht; dies war hier zu Lebzeiten der Versicherten W. geschehen. Die Krankenkasse ist in ihrer Entschließung über diesen Antrag nicht völlig freigestellt, sondern hat ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr 33 S 77 mwN; BSGE 69, 187, 190 = SozR 3-2200 § 183 Nr 2 S 8 mwN; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 51 SGB V RdNr 8; Schmidt in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 51 SGB V RdNr 41; Marschner in: von Maydell, GK-SGB V § 51 RdNr 20). Die Entscheidung ist nach Maßgabe des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG auf Ermessensfehler hin sozialgerichtlich überprüfbar (zu den im Rahmen des § 51 SGB V geltenden Maßstäben allgemein vgl zB Noftz, aaO, K § 51 RdNr 22 f). Kann der Versicherte ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns geltend machen, das die Belange der Krankenkasse überwiegt, muss die Kasse ihre Zustimmung erteilen. Ein solches berechtigtes Interesse des Versicherten kommt nach der Rechtsprechung vor allem in Betracht, wenn "eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden kann, zB durch eine evtl noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage" (so BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr 33; vgl auch Grundsätze des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zum Dispositionsrecht des Versicherten vom , aktuelle Fassung bei: Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl, Bd II, Anhang zu § 116 SGB VI).

e) Der Kläger kann sich als Rechtsnachfolger der Versicherten W. ebenfalls auf die Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Rentenantragstellung und damit des Rentenbeginns (vgl § 99 Abs 1 SGB VI) berufen und kraft seiner Stellung nunmehr für diese geltend machen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, dem Begehren der W. auf das Entfallen der Rentenantragsfiktion des Reha-Antrages vom zuzustimmen.

Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass die Versicherte W. überhaupt befugt war, eine solche Bestimmung zu ihren Lebzeiten zu treffen und ein entsprechendes Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einzuleiten; das ist mit ihrem entsprechenden Antrag von Ende Juni 1997 geschehen, den die Beklagte mit den nunmehr im Rechtsstreit angefochtenen Bescheiden abschlägig beschieden hat. Wenn aber einem Versicherten bis zum Zeitpunkt seines Todes die Ausübung des Bestimmungsrechts möglich war und er davon Gebrauch gemacht hat, liegt es nahe, dass dieses Recht nach dem Tode des Versicherten zu Gunsten seiner Rechtsnachfolger gilt bzw von diesen weiter wirksam geltend gemacht werden kann. Bei dem von der Versicherten W. zunächst durch ihre Antragstellung ausgelösten Rentenanspruch handelt es sich um eine laufende Geldleistung, die gemäß § 58 Satz 1 SGB I der Erbfolge nach Bürgerlichem Recht unterlag, da ein Sonderrechtsnachfolger (§§ 56, 57 SGB I) nicht vorhanden war. Es begegnet keinen Bedenken, dass die mit diesen Leistungen verbundenen öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrechte auch auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der Rechtsgedanke des § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann beim Fehlen ausdrücklicher Vorschriften über die Vererblichkeit entsprechend herangezogen werden (vgl zB Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl 2004, § 1922 RdNr 12, 49 mwN; BGH NJW 1978, 2091, 2092; BVerwGE 64, 105, 108). Für diese Sichtweise spricht auch ein Vergleich mit den Regelungen des SGB I über die Sonderrechtsnachfolge. Die für den Eintritt der Sonderrechtsnachfolge erforderliche Voraussetzung der Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten wäre hier erfüllt, da ein entsprechendes Verfahren bereits eingeleitet, aber noch nicht (bestandskräftig) beendet war; auch der an den Kläger als Rechtsnachfolger ergangene Rentenbescheid ist noch nicht bestandskräftig, weil dort ebenfalls der frühe Rentenbeginn beanstandet wird. Ein Sonderrechtsnachfolger tritt aber nicht nur bezüglich des einzelnen in die Sonderrechtsnachfolge fallenden anhängigen Anspruchs in die materiell-rechtliche Stellung des Verstorbenen ein, sondern tritt auch verfahrensrechtlich die Rechtsnachfolge an (so BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 7 mwN). Daher kann der Rechtsnachfolger im Rahmen der allgemeinen Grenzen des Verwaltungsverfahrensrechts gestellte Anträge zurücknehmen. Er besitzt dieselbe Dispositionsbefugnis über den Verfahrens- bzw Streitgegenstand hinsichtlich des vom verstorbenen Rechtsinhaber geltend gemachten Anspruchs wie der Verstorbene selbst. Rechtliche Gesichtspunkte dafür, dass das im Hinblick auf § 116 Abs 2 SGB VI zur Zeit des Todes der Versicherten bereits geltend gemachte Bestimmungsrecht nicht auf den Kläger übergegangen sein sollte, sondern mit dem Tode der Versicherten erlosch, sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt dem Gestaltungsrecht ein vergleichbarer höchstpersönlicher Charakter wie er zB für das Namensrecht, oder familienrechtliche Ansprüche bejaht wird (zu derartigen Fällen vgl Palandt/Edenhofer, aaO, § 1922 RdNr 40 ff). Da sich die Statthaftigkeit der Ausübung verfahrensrechtlicher Gestaltungsrechte grundsätzlich nach dem betroffenen materiellen Recht richtet (vgl BSGE 57, 215, 217 = SozR 1200 § 59 Nr 6), stehen einem Rechtsnachfolger dann, wenn die materielle Rechtsposition auf ihn übergegangen ist, auch die verfahrensmäßigen Mittel zu, diesen Anspruch zu verwirklichen oder über ihn zu verfügen. Dies zeigt auch die Rechtsprechung des BSG zur Berechtigung des Sonderrechtsnachfolgers, einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stellen, wenn der - übergegangene - Anspruch auf Sozialleistung zu Unrecht gegenüber dem verstorbenen Rechtsinhaber abgelehnt wurde (so zum Ganzen BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 8 unter Hinweis auf BSGE 55, 220, 222 f = SozR 1200 § 59 Nr 4; BSG SozR 1200 § 59 Nr 5).

3. Anders als die Vorinstanzen angenommen haben, rechtfertigt die von der Beklagten gegebene Begründung inhaltlich indessen nicht schon die Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Versicherten W. im Verhältnis zur beklagten Krankenkasse. Selbst wenn die Beklagte hier überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat - was offen bleiben kann -, ist diese Entscheidung jedenfalls fehlerhaft und muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut vorgenommen werden. Die Beklagte war entsprechend zu verurteilen (§ 131 Abs 3 SGG).

a) Nach der Rechtsprechung des BSG muss der Versicherte angesichts der oben dargestellten weit reichenden Rechtsfolgen, die ein Vorgehen der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten auf der Grundlage des § 51 Abs 1 SGB V auslöst, eindeutige Klarheit darüber erhalten, welche Konsequenzen für ihn mit einer daraufhin erfolgenden Beantragung von Leistungen zur Rehabilitation verbunden sind (so schon BSGE 76, 218, 224 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3 S 12; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 51 SGB V RdNr 11). Dazu ist mit Rücksicht auf die Beratungspflichten eines Sozialleistungsträgers (§ 14 SGB I) insbesondere eine Information über die sich als Rechtsfolge ergebende mögliche Einstellung des Krankengeldes nach Ablauf des Zehn-Wochen-Zeitraums gemäß § 51 Abs 3 SGB V erforderlich. Ebenso nötig ist ein Hinweis darauf, dass der Versicherte mit seiner ihm durch das Vorgehen der Krankenkasse nach § 51 Abs 1 SGB V abverlangten Entscheidung, ob er einen Reha-Antrag stellt oder nicht, vor die Situation gestellt sein kann, damit nicht mehr ohne Weiteres und frei über seine Rentenantragstellung entscheiden zu können (vgl BSGE 76, 218, 224 aE = SozR 3-2500 § 50 Nr 3 S 12; ebenso Terdenge in: Hauck/Noftz, SGB VI K § 116 RdNr 9; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, aaO, § 116 SGB VI RdNr 53). Eine solche vollständige Information hat die Versicherte W. hier nicht von der Beklagten, sondern erst mit dem Schreiben der beigeladenen BfA vom erhalten, dh in einem Verfahrensstadium, als die Versicherte ihren Reha-Antrag vom bereits gestellt hatte und als ihm nach dem erfolglos verlaufenen Heilverfahren von Februar/März 1997 die Wirkung eines Rentenantrags beigemessen worden war. Die Beklagte selbst hatte die Versicherte in der schriftlichen Aufforderung zur Antragstellung vom demgegenüber nicht darüber unterrichtet, dass kraft des daraufhin gestellten Reha-Antrages das Dispositionsrecht über die Rentenantragstellung (möglicherweise) verloren ging, wenn Erwerbsunfähigkeit vorlag und (weitere) Rehabilitationsmaßnahmen nicht angezeigt waren.

b) Die Beratungspflichtverletzung der Beklagten führt indessen nicht dazu, dass dem Klagebegehren auf Antragsrücknahme schon allein aus diesem Grund ohne weitere rechtliche Prüfung vollumfänglich stattzugeben ist. Die Pflichtverletzung ist vielmehr insoweit nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu kompensieren (zu diesen Grundsätzen allgemein zuletzt zB BSG SozR 4-3100 § 60 Nr 1 RdNr 24 ff mwN; BSG SozR 3-3100 § 60 Nr 3; BSGE 87, 280, 283 = SozR 3-1200 § 14 Nr 31; BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 S 34, 37 f, jeweils mwN; BSG SozR 3-5868 § 85 Nr 8 S 39, 45 f). Nach diesen Grundsätzen muss eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung vorliegen, dem Berechtigten dadurch ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden sein, und durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers muss - auf der Rechtsfolgenseite - ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (so zusammenfassend BSG SozR 4-3100 § 60 Nr 1 RdNr 24 mwN). Da die Beklagte hier pflichtwidrig die nach dem Gesetz geschuldete vollständige Beratung der W. unterlassen hatte und ihr - bzw dem Kläger als deren Rechtsnachfolger - dadurch die zeitnahe Ausübung des Dispositionsrechts hinsichtlich der Rentenantragstellung versagt wurde, muss nunmehr im Nachhinein der Kläger so gestellt werden als wäre eine ordnungsgemäße Beratung erfolgt. Eine solche Beratung könnte aber nur bewirken, dass zu seinen Lasten nicht von einem Verlust des Dispositionsrechts ausgegangen werden darf; dagegen muss er alle Konsequenzen in Kauf nehmen, die auch bei einer ordnungsgemäßen Beratung eingetreten wären. Zur Kompensation des Fehlverhaltens der Beklagten würde es damit ausreichen, dem Versicherten erneut die Möglichkeit zu eröffnen, eine Entscheidung seiner Krankenkasse darüber herbeizuführen, ob sie zustimmen will, dass der auf die Aufforderung nach § 51 Abs 1 SGB V hin gestellte Reha-Antrag nicht zugleich iS von § 116 Abs 2 SGB VI als Rentenantrag wirken soll. Dass die Versicherte W. im vorliegenden Fall einen Reha-Antrag bei Kenntnis aller rechtlichen Konsequenzen überhaupt nicht gestellt hätte (mit der Gefahr des Verlustes von Krankengeldansprüchen bereits nach der zehnten Woche ab Zugang des Aufforderungsschreibens vom , vgl § 51 Abs 3 SGB V), haben weder die Versicherte W. noch der Kläger geltend gemacht; sie stützen sich vielmehr allein darauf, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, das Begehren bei Abwägung der wechselseitigen Interessen positiv zu bescheiden. Dann aber kann es auch im jetzigen Verfahrensstadium nur darum gehen, dem Kläger unter den Bedingungen einer rechtmäßigen Anwendung der Grundsätze des § 51 SGB V - dh abhängig von der Zustimmung der beklagten Krankenkasse - die erneute Ausübung des Dispositionsrechts zu eröffnen; dem hat die Beklagte mit den im hiesigen Rechtsstreit angefochtenen Bescheiden über das Begehren in verfahrensrechtlicher Hinsicht entsprochen. Die Frage, ob die Beklagte nunmehr ihre Zustimmung dazu erteilen muss, dass der Reha-Antrag nicht als Rentenantrag gilt, bestimmt sich dabei nach den allgemein dafür geltenden Kriterien, dh danach, ob dafür ein berechtigtes Interesse der Versicherten W. bzw des Klägers als deren Rechtsnachfolger anzuerkennen ist.

c) Weitergehende Konsequenzen zu Gunsten der Versicherten W. bzw des Klägers folgen im Übrigen auch nicht unter dem Blickwinkel, dass die Beklagte vor Ergehen der Aufforderung nach § 51 Abs 1 SGB V, der einen belastenden Verwaltungsakt darstellt und entsprechend auch im Falle der Versicherten W. mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, die Versicherte nicht zuvor nach § 24 SGB X angehört hat (für dieses Erfordernis allgemein: Noftz in: aaO, K § 51 RdNr 20 mwN; Marschner in: GK-SGB V, § 51 RdNr 17; Vay in: Krauskopf, Soziale Kranken-/Pflegeversicherung, § 51 SGB V RdNr 8). Da der entsprechende Bescheid vom nicht angefochten wurde, ist er - auch wenn er insoweit rechtswidrig ist - jedenfalls bestandskräftig geworden (§ 77 SGG), sodass unmittelbare Konsequenzen aus der fehlenden Anhörung nicht mehr folgen können. Im Übrigen würden mit Blick auf die der Beklagten damit anzulastenden Handlungsdefizite die Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in gleicher Weise und nur mit den gleichen Rechtsfolgen eingreifen können wie unter b) beschrieben.

d) In der Sache ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Die Beklagte hat von ihrem Ermessen darüber, ob die Zustimmung erteilt wird, nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl § 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Sie war daher gemäß § 131 Abs 3 SGG zur Neubescheidung zu verurteilen. Die vom LSG zu Grunde gelegten Feststellungen reichen im Übrigen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die Klägerin mit ihrem Begehren im Sinne einer Ermessensreduzierung unter allen Umständen erfolgreich sein muss.

Wie unter 2. d) ausgeführt, ist es in das pflichtgemäße Ermessen der Krankenkasse gestellt, ob sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs 1 SGB V von ihren Befugnissen Gebrauch machen will bzw ob sie diese Befugnisse im weiteren Verfahren aufrecht erhält. Nichts anderes kann gelten bei der hier streitigen Entscheidung, ob die beklagte Krankenkasse dem Ausschluss einer Geltung des Reha-Antrages als Rentenantrag zustimmt. Bei der Ausübung muss die Krankenkasse alle Umstände des Einzelfalls sorgfältig abwägen und die Belange der Versicherten beachten. Das Gesetz räumt bei der Abwägung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten und den Befugnissen der Krankenkasse nach § 51 SGB V allerdings grundsätzlich den Interessen der Krankenkasse den Vorrang ein (so zutreffend Höfler in: Kasseler Kommentar, § 51 SGB V RdNr 8). Eine Entscheidung zu Gunsten des Versicherten erfordert daher, dass seine Belange den bei Dauerzuständen gesetzlich typisierten Vorrang der Krankenkasseninteressen an einer Begrenzung der Krankengeldaufwendungen sowie der Überantwortung der Kompensation krankheitsbedingten Entgeltausfalls an die Rentenversicherungsträger überwiegen.

Unter diesem Blickwinkel könnten Gesichtspunkte, die in die Richtung eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger gehen, daher bewusst zum Nachteil der Versichertengemeinschaft der Krankenversicherung getroffen worden wären, nicht zu einer dem Versicherten günstigen Entscheidung führen (vgl schon BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 10). Im ähnlichen Sinne wären zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehende Manipulationen zwischen Arbeitgeber und Versichertem nicht schützenswert; solche könnten zB vorliegen, wenn Arbeitsvertragsparteien ein "betriebsbedingtes Ausscheiden" vereinbaren, obwohl beiden bereits klar ist, dass eine Rückkehr des Versicherten an seinen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen ausscheidet und mit der Abrede nur leistungsrechtliche Verschiebungen erreicht werden sollen (ähnlich zur fehlenden Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Vergleiche im Arbeitsförderungsrecht: BSG SozR 3-4100 § 119a Nr 1 S 2; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 75). Umgekehrt könnte ein "Erschleichen" der Reha-Antragstellung durch die Krankenkasse dadurch, dass sie dem Versicherten bei der Aufforderung nach § 51 Abs 1 SGB V pflichtwidrig erkennbar wichtige Informationen vorenthält, die spätere Verweigerung der Zustimmung nicht rechtfertigen.

Da die Krankenkasse - wie beschrieben - nach der gesetzlichen Wertung ihr Interesse an einem frühzeitigen Wegfall des Krankengeldes und an möglichen Erstattungsansprüchen gegen den Rentenversicherungsträger aktiv wahrnehmen soll, ist das bloße Interesse des Versicherten, weiterhin und möglichst lange das im Vergleich zu Rentenleistungen höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu wollen, nicht schützenswert und kann regelmäßig kein durchgreifender Umstand für das Abgehen von der Antragsfiktion sein (vgl zB Marschner in: GK-SGB V, § 51 RdNr 18). Im gleichen Sinne würde das Interesse an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) bzw Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs (vgl § 247 Abs 1 SGB VI) ergeben soll, nicht für die Zustimmung ausreichen (ähnlich LSG Berlin Breithaupt 1987, 811). Auf Vergleichbares beruft sich der Kläger als Rechtsnachfolger der W. hier indessen nicht. Ebenso wenig bestimmte das Vorgehen der Versicherten W. das von der Rechtsprechung anerkannte Hinausschieben des Rentenbeginns, um eine "wesentliche Erhöhung des Rentenanspruchs" zu erreichen (BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr 33 S 77). Entgegen der Annahme der Beklagten und der Vorinstanzen ist dieser Umstand indessen nicht allein entscheidend oder abschließend für die Bejahung eines berechtigten Interesses.

Ohne dass der Fall der Versicherten W. auf der Grundlage der Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) Veranlassung gibt, Ausführungen zu allen denkbaren Sachverhaltskonstellationen zu machen, ist jedenfalls hervorzuheben, dass es sich bei den durchgreifenden berechtigten Interessen des Versicherten um Belange handeln muss, die nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die der Krankenkasse zustehenden Befugnisse zu schmälern. In diesem Sinne werden auch in der Literatur weitere Sachverhaltskonstellationen für ein berechtigtes Herausschieben des Rentenbeginns bzw ein Abgehen von der Rentenantragsfiktion hervorgehoben, zB dass ein Rentenantrag nach tarifvertraglichen Regelungen automatisch zum Arbeitsplatzverlust führen würde, dass der Anspruch auf Betriebsrente durch einen frühzeitigen Rentenbeginn verloren ginge, dass eine qualifizierte Wartezeit (§ 50 Abs 2 bis 4 SGB VI) noch erreicht werden kann oder dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner noch erfüllbar sind (dazu vor allem: Niesel in: Kasseler Kommentar § 116 SGB VI RdNr 17 mwN, iVm Höfler, ebenda, § 49 SGB V RdNr 10; vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, aaO, § 116 SGB VI RdNr 52). Unter diesem Blickwinkel bestehen keine Bedenken, - wie hier - einem (rechtmäßigen) Wunsch des Versicherten nach Ausschöpfung von betrieblichen oder tarifvertraglichen Leistungen des Arbeitgebers grundsätzlich den Vorrang gegenüber den finanziellen Interessen der Krankenkasse einzuräumen; dies gilt vor allem dann, wenn das finanzielle Volumen das Ausmaß der Einbußen, die die Krankenkasse durch einen späteren Rentenbeginn erleidet (zB weil wegen absehbarer Erschöpfung der Anspruchshöchstdauer ohnehin nur noch geringe Krankengeldzahlungen anfallen würden) deutlich übersteigt. Ergäbe sich bei alledem, dass den Interessen keiner Seite deutlich der Vorrang einzuräumen ist, könnte auch der Umstand den Ausschlag geben, ob der Krankenkasse im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Antragstellung nach § 51 SGB V gegenüber dem Versicherten Beratungsfehler bzw Anhörungsmängel anzulasten waren oder ob sie selbst ihren Pflichten durchgehend beanstandungsfrei nachgekommen ist.

Im Ergebnis wird die Beklagte nach dem für den Senat erkennbaren Sach- und Streitstand damit zu würdigen haben, dass der Wunsch tarifliche Überbrückungsgeldzahlungen zu erlangen, zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse begründen kann. Andererseits setzt die Bejahung dieses Interesses bei der Versicherten W. voraus, dass die insoweit beanspruchten arbeitsrechtlichen Leistungen von ihrer Zielrichtung her auch einschlägig waren. In diesem Zusammenhang muss erwogen werden, ob die Versicherte nach den Regelungen über das tarifliche Überbrückungsgeld nicht ohnehin gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet war, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen. Wäre letzteres der Fall - wofür es hier Anhaltspunkte gibt -, könnten aus dem vorgetragenen Wunsch nach gleichwohl möglichst umfassender Ausschöpfung der Überbrückungsgeldhöchstdauer auch im Rahmen der Entscheidung über die Zustimmung zum Ausschluss der Rentenantragsfiktion keine Vorteile hergeleitet werden. Die Vorinstanzen haben insoweit allerdings nicht festgestellt, welcher Tarifvertrag (TV) Grundlage der Überbrückungsgeld-Zahlungen war. In dem in den SG-Akten befindlichen Aufhebungsvertrag vom ist insoweit in Bezug genommen der "Tarifvertrag Nr 1 (DTAG) - Überbrückungsgeld-Tarifvertrag". Sollte dieser TV (vom ) uneingeschränkt auf das Verhältnis zwischen der Versicherten W. und ihrem Arbeitgeber Anwendung finden, könnte Folgendes gelten: Nach § 4 Abs 2 TV bestand Anspruch auf Überbrückungsgeld für maximal 60 Kalendermonate, "längstens jedoch bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Beginns einer gesetzlichen Rente wegen Alters ... oder wegen Erwerbsunfähigkeit"; nach § 4 Abs 4 TV galt zudem, dass dann, wenn kein Rentenantrag gestellt wird, "obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente iS des § 4 Abs 2 erfüllt sind", der Anspruch auf das Überbrückungsgeld ab dem Zeitpunkt entfällt, "der bei rechtzeitiger Beantragung der Rente als Rentenbeginn maßgebend gewesen wäre". Sollte sich insoweit ergeben, dass W. arbeitsrechtlich verpflichtet war, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit so früh wie möglich zu beantragen, könnte ihr jetziges Begehren keinen Erfolg haben. Hierzu wird die Beklagte Erwägungen anzustellen und zu berücksichtigen haben, dass trotz der tariflichen Regelungen ein dem Kläger günstiges Ergebnis in Betracht käme, wenn im Arbeitgeberbetrieb eine vom Tarifvertrag abweichende betriebliche Übung praktiziert wurde, der mit Blick auf das Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs 3 Tarifvertragsgesetz - TVG -) Vorrang zukommen könnte (vgl dazu allgemein zB Schaub in Erfurter Kommentar, 4. Aufl 2004, TVG 600 § 4 RdNr 55 ff mwN).

4. Die Beklagte war nach alledem unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verpflichten, über den Antrag der Versicherten W. auf Rücknahme des fingierten Rentenantrags unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
NAAAC-15615